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Santiano (live in Ludwigshafen, 2017) © Beatrix Mutschler

Die aktuelle Tour von Santiano ist die Rückkehr zu den Wurzeln. Ohne große Effekte spielen die Männer aus dem hohen Norden ihre Lieder rein akustisch und mit ganz viel Spaß, ohne dabei die ernsten Zwischentöne auszulassen.

Das Bühnenbild erinnert an einen alten Seeräuberfilm. Oben leuchtet der Vollmond, hinten sind die Masten eines Schiffs im Hafen zu sehen. Vorne am Kai ist eine Reling, davor stehen Kisten und es liegen aufgerollte Taue herum. Während eine leise Eröffnungsmelodie gespielt wird, tauchen Santiano plötzlich auf der Tribüne mitten unter den Zuschauern auf. Sie laufen durch die Treppengänge nach unten und stehen dann alle gemeinsam auf der Bühne.

Das Publikum steht und ist bereit, voll mitzugehen. Sie singen und klatschen zum Hit "Santiano". Emotional sind Santiano ganz eng bei ihrem Publikum. Mit den leiseren Akustiktönen treffen sie ihre Fans besonders intensiv. So stehen viele schon wieder beim Anspielen der Melodie der "Buddel voll Rum" und klatschen den mitreißenden Rhythmus mit. Mit großem Jubel endet auch "Salz auf unserer Haut", bevor die Töne kurz etwas ruhiger werden.

Seemannsstimme

Eine echte Seemannsballade wie aus dem Bilderbuch ist "Weh mir". So schön und auch so traurig wird das Lied getragen von der rauen Seemannsstimme von Björn Both. Die Flöte untermalt die Melodie und ein Gitarrensolo in der Songmitte sorgt für zusätzliche Spannungsmomente. Als Gegenpart folgt aber gleich wieder das fröhliche Schunkellied "Land Of Green". Die Anspielung auf Irland ist in jedem Ton des Lieds präsent und so schunkelt der ganze Saal ausgelassen mit.

So entspannt die Stimmung während der Lieder ist, so ernst wird der Ton bei so manchem kurzen Monolog zur aktuellen Lage in Politik und Gesellschaft. Björn Both prangert die Allmachtsphantasien in der Türkei ebenso an wie das absurde Verhalten so mancher Demokratie wie in den USA, die ihre demokratischen Werte demontieren. Sein Fazit dazu lautet: "Zur Freiheit gehört Anstand". Dieser Satz erhält großen Zuspruch. So emotional aufgeladen wird "Frei wie der Wind" zum nächsten Stimmungshit, der vom Publikum laut mitgesungen wird.

Noch ein Statement

Es folgt eine weitere klare Aussage: "Die Menschen geben mehr Geld aus für die Suche nach neuen Planeten als dafür, unsere Welt zu erhalten." Auch dafür bekommt Björn Both viel Applaus, während er das Verhalten der Weltkonzerne und die Verflechtungen von Banken und Politik als Gesellschaftsproblem benennt. Die Welt sollte wohl eher wie eine Märchenballade sein, so wie "Garten Eden", die deutsche Version von "Scarborough Fair" von Simon & Garfunkel. Axel Stosberg singt klar und eindringlich auf diese wunderschöne, gefühlvolle Melodie. Dazu spielt Pete Sage auf einem seiner Streichinstrumente.

Die Freiheit bleibt großes Thema und so ist "Lieder der Freiheit" ein stürmisch beklatschter Song. Mit schnellem Up-Tempo preschen Santiano bis in die Pause hinein und reißen mit "Sieben Jahre" nochmal zahlreiche Fans in der knallvollen Friedrich-Ebert-Halle aus den Sitzen hoch.

Trinklieder

Nach der Pause geben Santiano gleich wieder Vollgas mit zahlreichen, stimmungsvollen Trinkliedern und anderen Songs aus Irland. So bringen sie durch die clevere Ansetzung von Liedern wie "Whiskey In The Jar" oder "Have A Drink On Me" das Publikum sofort wieder auf volle Betriebstemperatur. Ob schnelle Rhythmuslieder wie "Blow Boys Blow" oder die Ballade "Molly Malone", alles klingt nach traditionell irischer Musik - manchmal sogar wie aus einem alten Western.

So könnte "Rolling The Woodpile" mit seiner dominanten Fidel auch gut in einem Saloon gespielt werden, der voll ist mit irischen Einwanderern. Santiano sprüht nur so vor Spielfreude und dieses Gefühl überträgt sich auf das Publikum. Pete Sage an der Fidel gibt Gas und das Publikum johlt zur Melodie von "Irish Rover". Übermütig merkt Björn Both noch an, das schönste für einen Seemann ist in dieser Stadt der Begriff Hafen in Ludwigshafen.

Weibliche Note

Für zwei besondere Lieder haben Santiano auch eine Sängerin dabei. Sie kommt im langen, dunkelroten Kleid auf die Bühne und singt "Weit übers Meer", die deutsche Version des legendären Hits "David's Song" von The Kelly Family. Das passt in die aktuelle Zeit, denn The Kelly Family geben ja gerade ihr großes Comeback. Ebenso angetan ist das Publikum von "Tri Martolod", einem bretonischen Volkslied über drei Matrosen. Die Sängerin verabschiedet sich danach.

Weiter geht es mit schwungvollen Stimmungshits. Für "Land in Sicht" gibt es viele Fingerpfiffe und Applaus. Die Stimmung steigert sich weiter bei "Auf nach Californio" und ist auf dem Höhepunkt, als die ersten Töne von "Es gibt nur Wasser" erklingen. Jetzt steht gefühlt der ganze Saal und das textsichere Publikum singt den Refrain, während Timsen durch den Saal rennt und das Publikum weiter anheizt. Das dauert mehrere Minuten mit der großen Forderung: "Wir brauchen Rum, Rum, Rum, sonst verdursten wir".

Plattdeutsch 

Die Zugabe ist zuerst ein Lied auf Plattdeutsch. Die typisch norddeutsche Ballade "Fresenhof" passt zu Santiano. Am Ende aber wird nochmal geklatscht und in den Gängen getanzt bei "Diggi Liggi Lo". Die letzte Botschaft des Abends ist: "Heimat ist wichtig, aber der Blick sollte nach Europa gehen. Die richtige Idee sollte nicht kaputt gemacht werden". Mit dem Begriff Heimat läuten Santiano das letzte Lied "Hoch im Norden" ein. Der ganze Saal leuchtet mit Handylichtern, die überall geschwenkt werden. Mit einem "Zack Ahoi" endet das Konzert nach weit über zwei Stunden.

Santiano zeigen ihre große Spielfreude und den Spaß. Die band ist emotional stets nah bei ihrem Publikum und so ist der kometenhafte Aufstieg der letzten Jahre keine Überraschung. Die Mischung aus vielen traditionellen Seemannsliedern und irischen Volksliedern kommt beim Publikum auch deshalb so gut an, weil Santiano authentisch sind. Das Zusammenspiel von Stimmen und Instrumenten passt zu den Liedern und zu ihrer ganzen Lebensart. 

Setlist

Teil 1: Santiano / Der Alte und das Meer / Buddel voll Rum / Salz auf unserer Haut / Weh Mir / Land Of Green / Marie / Johnny Boy / Frei wie der Wind / Garten Eden (Scarborough Fair) / Lieder der Freiheit / Sieben Jahre

Teil 2: Whiskey In The Jar / Have A Drink On Me / Blow Boys Blow / Molly Malone / Rolling The Woodpile / Irish Rover / Weit übers Meer ( David's Song) / Tri Martolod (Drei Matrosen) / Land in Sicht / Auf nach Californio / Es gibt nur Wasser // Fresenhof / Diggi Liggi Lo / Hoch im Norden

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