King Crimson (2015)

King Crimson (2015) © Hammerl Kommunikation

Mit zwei Sets und einem Zugabenblock zeigen die Prog-Visionäre King Crimson, wie man die Grenzen eines Konzerterlebnisses neu bestimmt - und wie virtuos drei Schlagzeuger zusammen agieren können.

Querdenker Robert Fripp ist ein sich zurücknehmender Dompteur, King Crimson schon immer sein Baby und alle anderen austauschbare Vollblutprofis. Mit dieser Arbeitsweise hebt er King Crimson in wechselnder Besetzung und unregelmäßigen Abständen immer wieder aus der Versenkung ins Scheinwerferlicht. 

Die grauen Schillerlocken und das verfestigte, etwas strenge Antlitz lassen ihn wie Wolfgang Amadeus anmuten (zumindest wie man ihn sich heute vorstellen würde), von dessen Genie er zweifellos einen kleinen Teil besitzt. Der bestuhlte Theatersaal in der Stuttgarter Liederhalle und die schauspielartige Beleuchtung tragen ihr Übriges zu diesem Eindruck bei.

Drei Schlagzeuger für ein Halleluja

Fripp steht erhöht in zweiter Reihe neben Blasinstrumentalist-Allrounder Mel Collins, der um der Akustik Willen hinter Plexiglas hervorschauen muss. Er steht außerdem neben Zweitgitarrist Jakko Jakszyk und neben Bassist Tony Levin, der mit seinen ausgefallenen Modellen und der kahlköpfigen, großen Statur zum Blickfang des Abends wird.

In der achten Reinkarnation der Prog-Rock-Band gehört die erste Reihe allerdings den Schlagzeugern – gleich drei an der Zahl. Unter ihnen befindet sich am rechten Bühnenrand Gavin Harrison, der auch als Schlagzeuger der Band Porcupine Tree bekannt ist. Deren Frontmann Steven Wilson hat wiederum als großer Fan von King Crimson den kompletten Backkatalog der Band überarbeitet und im Dolby Surround-Sound neu zusammengesetzt.

Feuerwerk des Anspruchs

Die drei Schlagzeuger bilden den Anfang eines jeden Sets, und das nicht etwa mit temporeichen Klimmzügen, sondern mit großartiger technischer Raffinesse, womit sie die Marschrichtung des Abends vorgeben. Es folgt ein Feuerwerk des Anspruches mit Zutaten aus der Neo-Klassik, (vor allem im Aufgabenbereich von Flötist Mel Collins), Free-Jazz und psychedelischer Rockmusik – stets auf dem Fundament der progressiven Denke und einer akribischen, punktgenauen Versessenheit.

King Crimson hatten in den 70ern nie den Breitenerfolg der Genre-Kollegen von Pink Floyd oder Genesis. Das ist auch an diesem Abend nicht sonderlich schwer nachzuvollziehen. Woher wissen die Musiker, wohin der nächste Ton will, woher die Schlagzeuger, wann der nächste Schlag erfolgt? Man kann das alles überkandidelt empfinden und über fehlenden Strukturen klagen, oder sich von diesen Fragen überwältigen lassen und damit von einem Überraschungsmoment in den nächsten hinein fallen.

In The Court Of Heroes

Es verdreht bei aller Versessenheit sämtliche Synapsen und bleibt für Außenstehende auf ewig unschlüssig, wie sieben unterschiedliche Gehirne so sehr eins sein können, damit eine solch umwerfende Perfektion möglich wird. Spätestens mit dem Klassiker "The Court Of The Crimson King" kommen auch die Emotionen nicht zu kurz. Der titelgebende Song jener Platte, die zum Meilenstein des Progrocks wurde, gerät zu einem der Höhepunkte des Abends.

Und es wird noch emotionaler: Mit dem sensationellen David Bowie-Cover "Heroes" beweisen King Crimson, dass sie auch Popschemen eindrucksvoll umsetzen könne. Etliche Besucher hält es nicht länger auf den Stühlen, weshalb das anschließende Finale, in Form von "21th Century Schizoid Man" am frenetischsten gefeiert wird. Gavin Harrison sorgt in Mitten des Stückes mit einem ausgiebigen Schlagzeugsolo noch einmal für Kinnladenklapper, ehe der Song einem Konzert die Krone aufsetzt, das in allen Belangen Grenzen einreißt.  

Sensationeller zweiter Platz

Es handelt sich 2016 um die vielleicht beste King-Crimson-Livebesetzung aller Zeiten, die als solche das Potential gehabt hätte, zum Konzertereignis des Jahres zu werden, wäre nicht auch David Gilmour auf hiesigem Boden zu Gast gewesen. So reicht es aber immerhin für einen sensationellen zweiten Platz.

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