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Foreigner (live in Schwetzingen 2016) © Rudi Brand

Kurz vor ihrem 40-jährigen Bandjubiläum statten Foreigner im Rahmen von Musik im Park Schwetzingen einen Besuch ab. Als Special Guest sind die Progressive-Rock-Legenden Marillion dabei, die sich als heimlicher Star des Abends erwiesen.

Auf den ersten Blick mutet die Kombination etwas seltsam an: Auf der einen Seite der kommerzielle AOR von Foreigner, auf der anderen Seite der eigenständige Prog-Rock von Marillion, die sich mit Sänger Steve Hogarth konstant musikalisch weiterentwickeln. Es ist allerdings nicht von der Hand zu weisen, dass beide Bands ein etwas betagteres Publikum ansprechen.

Das merkt man bei der Ankunft im Schlossgarten Schwetzingen auch sehr deutlich, der Altersschnitt des Publikums liegt erwartungsgemäß hoch. Ebenfalls wenig überraschend ist der Umstand, dass die wenigen gesichteten Marillion-Shirts sich auf die frühe Bandphase mit Sänger Fish berufen. Ein Großteil der Besucher scheint aber sowieso wegen Foreigner hier zu sein.

Vorprogramm

Bevor aber überhaupt eine der beiden Bands die Bühne betritt, darf der Schwetzinger Singer/Songwriter Martin Orth auftreten.

Seine Akustikmusik ist durchaus gefällig und man muss ihm zugestehen, dass er ein ausgezeichneter Sänger ist. Dementsprechend gut kommt der Auftritt beim Publikum an, wenngleich er nicht unbedingt nötig gewesen wäre. Der Fokus liegt eben klar auf den Bands.

The New Kings

Gegen 19:45 Uhr betreten Marillion die Bühne. Zunächst fällt auf, wie großartig Steve Hogarth singt und was für ein ausgezeichneter Frontmann er ist. Obwohl nur wenige Besucher mit dem Post-"Clutching At Straws"-Material der Band vertraut zu sein scheinen, schafft Hogarth es, das Publikum sehr schnell in seinen Bann zu ziehen.

Dass Marillion es keineswegs darauf anlegen, es sich und den Zuschauern leicht zu machen, merkt man an ihrer Songauswahl. Die wenigen Songs aus der Fish-Phase heben sie sich sich für den hinteren Teil des etwa 70-minütigen Auftrittes auf, stattdessen spielen die Briten mit "The New Kings" ein etwa 20-minütiges Epos aus mehreren Songs. Dieses Material wird erst auf dem im September erscheinenden Album "F.E.A.R." zu hören sein.

Marillion geben sich aber auch nicht völlig unzugänglich. Mit eingängigen Songs wie "Afraid Of Sunlight" ziehen sie Teile des Publikums auf ihre Seite, die bei dem vorangegangenen Prog-Feuerwerk etwas irritiert wirkten.

Back To Childhood

Als Mastermind Steve Rothery schließlich die ersten Akkorde von "Kayleigh" erklingen lässt, spürt man, worauf die meisten Zuschauer gewartet haben. Kam das etwas früher gespielte "Sugar Mice" schon gut an, gibt es von da an kein Halten mehr: bei den folgenden "Lavender" und "Heart Of Lothian" flaut die Stimmung kaum ab.

Danach verlassen die Briten kurz die Bühne, um wenig später für einen letzten Song zurückzukehren. Leider haben hier bereits viele das Interesse verloren, insbesondere da es sich nicht um ein Uralt-Stück handelt, sondern um "Neverland" vom 2004er-Werk "Marbles". Es war zu erwarten, dass das alte Material besser ankommen würde, doch es ist trotzdem schade um den musikalisch überragenden Auftritt. Der Band macht das offenbar nichts aus, aber bei einem anderen Publikum hätten sie mit diesem Konzert mehr Euphorie ausgelöst.

Showtime

Als gegen 21:30 Uhr ein Intro ertönt und Foreigner anschließend mit "Double Vision" einsteigen, wird offensichtlich, wieso der Schlossgarten so gut gefüllt ist. Die Stimmung ist extrem ausgelassen und die Band scheint aus Sicht der Besucher heute nichts falsch machen zu können. Das liegt besonders daran, dass die Setlist quasi ausschließlich aus Hits besteht.

Auf den Opener folgen mit "Head Games" und "Cold As Ice" zwei weitere weltbekannte Songs und das macht auch die Marschrichtung für den Abend aus. Keinerlei aktuelle Songs, sondern gefühlt eine alte Single nach der anderen. Das wollen die Leute hören, lässt aber auch jeglichen Überraschungseffekt missen.

Feels Like The First Time

Auch viele der Ansagen beziehen sich auf die lange Karriere von Foreigner. Dementsprechend kommt auch mehrmals Bandgründer und Gitarrist Mick Jones zu Wort, der sich ja immerhin für die Hits der Band verantwortlich zeichnet. Man kann den Musikern auch showtechnisch nicht den geringsten Vorwurf machen, im Prinzip muss eine solide Hardrock-Show so aussehen.

Man merkt sehr deutlich, dass Frontmann Kelly Hansen ein paar Tage jünger ist als Jones. Wie agil der immerhin 55-Jährige über die Bühne hechtet, steht manchen 25-jährigen Sängern in nichts nach. Zudem sind Songs wie "Feels Like The First Time", "Urgent" und "Juxe Box Hero" immer noch über jeden Zweifel erhaben.

Hot Blooded

Wieso also der zurückhaltende Unterton? Ja, das Songmaterial ist fantastisch und die Band wirkt sichtlich motiviert. Dennoch bleibt der Beigeschmack von Routine und der Auftritt wirkt durchchoreographiert und wenig spontan. Das ist bei einer Band dieser Größe und dieses Alters zwar normal, lässt Foreigner im Vergleich mit dem furiosen Marillion-Gig ein wenig alt aussehen.

Zu harsche Kritik an Foreigner wäre aber auch unangebracht. Es bleibt eine gute Show, deren einzige größere Kritikpunkte die zu langen Keyboard- und Drumsoli sowie die arg kitschige Chor-Einlage bei "I Wanna Know What Love Is" sind. Auch im Jahr 2016 sollte man die Chance nutzen, Foreigner live erleben, insbesondere wegen der überragenden Songs und ihrer ungebrochenen Spielfreude. In puncto Kreativität gehen Marillion aber als Gewinner aus dem Abend hervor.

Setlist Foreigner

Double Vision / Head Games / Cold As Ice / Waiting For A Girl Like You / That Was Yesterday / Dirty White Boy / Say You Will / Feels Like The First Time / Urgent / Keyboard Solo + Drum Solo / Juke Box Hero // Long, Long Way From Home / I Wanna Know What Love Is / Hot Blooded

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