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Deep Purple (live auf der Loreley, 2016) © Peter H. Bauer

Auch im gesetzten Alter sind Deep Purple live umtriebig wie eh und je. Bei ihrem Open-Air-Auftritt inmitten der wunderschönen Kulisse der Freilichtbühne Loreley legen die fünf Rocklegenden zwar ein wenig überraschendes Programm, dafür umso mehr Spielfreude an den Tag.

Ein Open-Air-Konzert auf der Loreley will richtig in Szene gesetzt sein. Dazu bedarf es einerseits eines Headliners, dessen Name alleine schon eine gewisse Menge Fans anzieht, andererseits eines passend zusammengestellten Vorprogramms, um die Massen für den Höhepunkt des Abends entsprechend anzuheizen. Deep Purples Ex-Gitarristen Ritchie Blackmore gelang der Spagat erst vor wenigen Wochen mit seiner neu zusammengestellten Rainbow-Formation sowie den Gästen Thin Lizzy und Manfred Mann’s Earth Band beim diesjährigen Monsters Of Rock an gleicher Stelle vortrefflich.

Jetzt möchte seine ehemalige Band vor gleicher Kulisse nachlegen und hat sich zu diesem Zweck gleich drei Vorgruppen geladen. Den Anfang machen bereits am späten Nachmittag die Berliner Silly-Sprösslinge The White Dukes, die in klassischer Bluesrock-Trio-Manier und dem dazu passenden Look daherkommen. Nur wenig später folgen Toseland, die gleichnamige Band des ehemaligen Superbike-Weltmeisters und Katie Melua-Ehemanns James Toseland, und führen den begonnenen musikalischen Kurs zum Wohlwollen des Publikums mit bluesig angehauchtem Hardrock der 1970er und 1980er fort. 

Skandinavische Pillen zur rechten Zeit

Aus dem hohen Norden Europas kommen schließlich die Blues Pills. Die jungen Schweden rocken etwa eine Stunde lang auf einer hippiemäßig gestylten Bühne. Besonders Frontfrau Elin Larsson sorgt im hautengen schwarzen Kostüm für Aufsehen bei den Männern und dadurch, dass sie ständig unter Strom zu stehen scheint, auch für jede Menge Energie.

So viel Tatkraft scheint ansteckend zu sein, denn auch ihre Mitstreiter, Wunderkind Dorian Sorriaux an der Gitarre, Tieftöner Zakk Anderson sowie André Kvarnström hinter der Schießbude, wirken durch die Präsenz der Frontfrau wie geladen.

Jetzt schlägt‘s dreizehn

Als sich Deep Purple unter tosendem Applaus endlich zeigen, hat sich auch der letzte Sitzplatz auf der Freilichtbühne Loreley gefüllt. Die Zuschauer stehen auch im Mittelgang, der den vorderen Teil des Areals in zwei symmetrische Hälften teilt. Immer wieder wird das sich dort befindliche, beinahe schon euphorische Publikum dann auch von den Sicherheitskräften gebeten wie ermahnt, doch bitte diesen als Fluchtweg gedachten Abschnitt für den Fall der Fälle freizugeben.

Die gute Laune der Fans färbt ab. Nach dem klassischen Tape-Intro aus Gustav Holsts "Die Planeten" starten Deep Purple mit "Highway Star" sogleich richtig durch. Viel an der Setlist hat sich seit dem vergangenen Jahr nicht getan. Mit Ausnahme des inzwischen ersatzlos gestrichenen "The Mule" spielt die Band nominell das exakt gleiche Programm. Dass genau dieses Stück dran glauben musste, ist indes wenig verwunderlich, beinhaltet es doch in der Regel das Schlagzeugsolo von Ian Paice. Nach seinem leichten Schlaganfall im Juni grenzt es eigentlich an ein Wunder, dass das Herz der Gruppe überhaupt schon wieder auftreten kann.

Großartige Stimmung und brillanter Sound

Langeweile kommt dennoch nicht auf, da Deep Purple die Songs ja normalerweise sowieso nur benutzen, um auf ausgedehnte Improvationsausflüge zu gehen. Die Anwesenheit ihres alten Freundes und Feindes Blackmore auf der Loreley im Juni scheint Sänger Ian Gillan und den Rest der Truppe geradezu befeuert zu haben. Es scheint, als ob sie ihm beweisen wollten, dass sie ihm noch mindestens ebenbürtig, wenn nicht sogar besser als er sind. Gerade der Frontmann erreicht zu Beginn des Konzerts stimmliche Höhen, die man ihm beinahe nicht mehr zugetraut hätte.

Das Publikum spielt in diesem Kontext auch eine tragende Rolle. Ständig bejubeln die vielerorts graumelierten Herren und Damen gesetzteren Alters voller Begeisterung die Rockveteranen, die daraufhin mit ebenso viel Energie und Spielfreude diesen Enthusiasmus zurück auf die Ränge senden. Ein riesiges Lob gebührt zudem den Toningenieuren an diesem Abend. Wie bereits die anderen Bands vor ihnen klingen auch Deep Purple glasklar und äußerst druckvoll, jedoch nicht zu ohrenbetäubend laut, ganz egal wo auf dem Gelände man sich gerade befindet.

Trotz Routine wenig Routine

Die gute Laune der Musiker zeigt sich ferner in dem, was sie zwischen den Songskeletten so treiben, seien es die wie aus dem Stehgreif herbeigezauberten, spritzigen Ansagen von Frontmann Gillan im Stile eines guten, routinierten Entertainers oder die Soloeinlagen der Instrumentalisten, die ihrerseits immer wieder bekannte Stücke in ihre Improvisationen einfließen lassen. So spielt Don Keyboarder Don Airey im Rahmen seines Solos beispielsweise die deutsche Nationalhymne an, während Gitarrist Steve Morse es sich nicht nehmen lässt, Songs wie Led Zeppelins "How Many More Times" anzustimmen.

Dass bei einem Deep Purple-Konzert natürlich unsterbliche Klassiker à la "Strange Kind Of Woman", "Perfect Strangers", "Smoke On The Water" und "Black Night" nicht fehlen dürfen, versteht sich von selbst. Für die Hardcorefans dürften allerdings Stücke wie "Bloodsucker", "Hard Lovin‘ Man", "Demon’s Eye" oder die Titel vom letzten Album, "Vincent Price", "Uncommon Man" und "Hell To Pay", interessanter sein. Nach teils langer Abstinenz sind sie nun seit geraumer Zeit fester Bestandteil im Set von Deep Purple und haben sich wunderbar in das übrige Programm eingefügt.

Lohnenswerte Zeitreise

Als sich Bassist Roger Glover und seine vier Mitstreiter nach knapp zwei Stunden vom Publikum mit einem ausgedehnten Zugabenblock aus dem mittlerweile ebenso im Set verankerten "Green Onions" von Booker T. & The M.G.‘s sowie "Hush", "Black Night" und einem Bass-Solo verabschieden, kann jeder der Anwesenden zufrieden die Heimreise antreten. Deep Purple sind ihrem Ruf als hervorragende Live-Band erneut mehr als gerecht worden, obwohl sowohl Gillan als auch Glover siebzig Jahre mittlerweile überschritten haben und auch Paice sich dieser Marke langsam, aber sicher nähert.

Dass dem Frontmann gegen Ende hin und wieder etwas die Puste ausgeht und sich auch auf seine gesangliche Leistung niederschlägt, wiegt dahingehend weniger schwer. Er macht diesen kleinen Malus durch sein weiterhin vorhandenes Charisma mehr als wett. Schön wäre es sicherlich gewesen, wenn Deep Purple ein, zwei Kostproben aus ihrem angekündigten nächsten Studioalbum vorgestellt hätten. Ein Set im Stile der vergangenen beiden Live-Veröffentlichungen "From The Setting Sun… (In Wacken)" und "To The Rising Sun (In Tokyo)" ist allerdings immer noch eine Reise wert.

Setlist

Highway Star / Bloodsucker / Hard Lovin‘ Man / Strange Kind Of Woman / Vincent Price / Contact Lost / Uncommon Man / The Well-Dressed Guitar / Lazy / Demon’s Eye / Hell To Pay / Don Airey Keyboardsolo / Perfect Strangers / Space Truckin‘ / Smoke On The Water // Green Onions / Hush / Roger Glover Bass-Solo / Black Night

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