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ZZ Top (live in Köln, 2016) © Torsten Reitz

Es gibt Kultbands, die seit Jahrzehnten nicht aus der Musiklandschaft wegzudenken sind. ZZ Top gehören zu dieser raren Spezies. Am prall gefüllten Kölner Tanzbrunnen hinterlassen die drei Texaner mit dem markanten Äußeren allerdings einen recht durchwachsenen Eindruck.

Fast keine namhafte Band der Welt kann von sich behaupten, viereinhalb Jahrzehnte lang immer mit der gleichen Besetzung unterwegs zu sein. ZZ Top besitzen in dieser Hinsicht einen Sonderstatus, sind sie doch seit 1970 ununterbrochen in gleicher Besetzung unterwegs.

Die "Little Band from Texas" ist nicht nur deshalb schon lange Kult. So lassen sich an einem lauen Sommerabend am Kölner Tanzbrunnen dann auch gleich mehr als 5.000 Zuschauer blicken, um Billy Gibbons, Dusty Hill und Frank Beard auf ihrer diesjährigen "Hell Raisers"-Tournee zu bestaunen.

Aus dem wilden Süden

Als Vorprogramm haben sich ZZ Top weitere musikalische Unterstützung aus den Südstaaten mitgebracht. Passend zum Headliner des Abends, serviert die seit einigen Monaten vom Trio zum Quartett mutierte Ben Miller Band eine Mischung aus verschiedenen Stilrichtungen, die der US-amerikanische "Bible Belt" hervorgebracht hat. Bewaffnet mit zahlreichen hierzulande exotisch anmutenden Instrumenten aus der Folkszene, bieten die vier Musiker eine exquisite Supportshow, die sich im wahrsten Sinne des Wortes gewaschen hat.

Die in einen roten Umhang gehüllte neue Violinistin Rachel Ammons mit ihren glatten, bis zum Hintern reichenden schwarzen Haaren tut sich dabei optisch besonders hervor. Doch die drei Männer um sie herum sind sowohl äußerlich als auch musikalisch ebenso ausgefallen. Bandchef Ben Miller mit seinem Irokesenschnitt spielt neben Gitarre und Schlagzeug beispielsweise Mundharmonika durch einen als Mikrofon fungierenden alten Telefonhörer, während Smilin‘ Bob Lewis mit rotem Hut, Sonnenbrille, Vollbart und weißem Mantel zu Waschbrett und Slide Guitar greift.

Das wohl merkwürdigste Instrument an diesem Abend ist hingegen der Waschwannenbass, den das vierte Bandmitglied Scott Leeper im typischen Südstaatleroutfit aus grauem Hemd, Hosenträgern und weißem Vollbart bedient, sofern er nicht gerade hinter dem Drumkit Platz nimmt. Eine interessante Überraschung während ihres Sets bietet der Ram Jam-Klassiker "Black Betty", der natürlich mit obligatorischem mehrstimmigen Gesang in den Ben Miller Band-eigenen "Mudstomp"-Stil konvertiert wird. Nach dieser Aufwärmphase kann dann mit dem Headliner endlich das kommen, worauf alle gewartet haben.

Ohne großes Tamtam

ZZ Top beginnen schließlich mit ein paar Minuten Verspätung, dafür ohne großen Schnickschnack. In aller Seelenruhe nimmt Drummer Frank Beard hinter seiner massiven Schießbude Platz und steckt sich erst einmal eine Zigarette an, bevor Gitarrist Billy Gibbons und Bassist Dusty Hill ihm folgen, um mit "Got Me Under Pressure" gleich den ersten Klassiker aus der wohl erfolgreichsten Phase ihrer langen Bandgeschichte anzustimmen. Mit "Waitin‘ For The Bus" und "Jesus Just Left Chicago" gibt es sofort im Anschluss einen doppelten Blues-Nachschlag.

Auf dieser Tournee konzentrieren sich die drei Texaner weitgehend auf das Material ihres 1992er "Greatest Hits"-Albums. Dabei dürfen Gassenhauer wie "Gimme All Your Lovin'" in einer leicht veränderten Form, "Rough Boy" oder "I’m Bad, I’m Nationwide" natürlich nicht fehlen. Zwischenzeitlich streut das Trio jedoch ab und an aktuelleres Material wie "I Gotsta Get Paid" und das vom Riff her an Rainbows "Long Live Rock'n'Roll" erinnernde "Chartreuse" ein. Eine ebenso willkommene Abwechslung bietet "Pincushion", einst die Hitsingle ihres 1994er "Antenna"-Albums.

Zahnloser Sound

Auch wenn ZZ Top sichtlich bemüht sind, jede Menge Energie zu versprühen, wirkt die Performance stellenweise zahnlos. Zum Teil scheint das der Soundqualität geschuldet zu sein, da die Gesamtlautstärke doch für das Open-Air-Areal des Tanzbrunnens generell viel zu leise und zu wenig dynamisch ist. Das zeigt sich gerade am Fall Dusty Hill. Sobald der Bassist wie bei "Gimme All Your Lovin'", "Rough Boy", "Sharp Dressed Man" oder "Legs" den Tieftöner links liegen lässt, um die Tasten des Synthesizers zu bedienen, entsteht sogleich mehr Gesamtdruck.

Zeitweise könnte man denken, die Handzeichen von Gitarrist Billy Gibbons, der immer wieder wild herumgestikuliert, könnten nicht nur dem Publikum und seinen zwei Bandkollegen gewidmet sein, sondern auch den Tontechnikern am Mischpult. Gelegentlich variiert nämlich auch die über die Boxen kommende Lautstärke recht stark. Mal kracht und scheppert das Schlagzeug von Frank Beard (trotz seines Nachnamens ironischerweise bereits seit Ewigkeiten der Einzige des Trios ohne markante Gesichtsbehaarung), dass es eine wahre Freude ist, dann geht es wieder in der Stille unter.

 

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Wenig Überraschungseffekte

Wirkliche musikalische Ausreißer aus der Greatest Hits-Ausrichtung des Abends bilden abgesehen von den beiden relativ aktuellen Stücken vom 2012er "La Futura"-Album allerdings nur zwei Cover. Zunächst gehen die Texaner weit zurück in die Zeit noch vor ihrer eigenen Existenz und holen Jimi Hendrix‘ "Foxy Lady" aus der Mottenkiste. Richtig eigene Akzente können sie damit jedoch nicht setzen. Besser funktioniert dafür Muddy Waters' "Catfish Blues", dessen Intro doch stark an ZZ Tops eigenes "Brown Sugar" erinnert.

Etwas mehr von dem rotzigen Bluesrock aus den frühen Jahren der Band hätte man sich am Kölner Tanzbrunnen derweil gewünscht. Leider nehmen sich die Texaner während des regulären Sets nur wenig Zeit für ausgedehnte Improvisationen. Die Hits werden zwar routiniert und solide dargeboten, echte Überraschungsmomente sind jedoch rar gesät. Hinzu kommt, dass Billy Gibbons gelegentlich mit leichten Stimmproblemen zu kämpfen scheint. Sein Gitarrenspiel lässt weiterhin nichts zu wünschen übrig. Gesanglich ist sein rauchiges Organ aber wohl mittlerweile über den Zenit hinaus.

Verpasste Chancen

Den Zuschauern machen diese Unzulänglichkeiten indes wenig aus. ZZ Top haben sich seit ihrem ersten prägnanten Europaauftritt im "WDR Rockpalast" anno 1980 ihren Status als Kultband hart erarbeitet. An diese Show vergangener Zeiten erinnert Billy Gibbons bereits früh, als er Peter Rüchel, dem "Vater des Rockpalastes", zum Geburtstag gratuliert. Überall im Publikum sieht man dann auch Männer mit echten und angeklebten Bärten, die damit ihren Helden Tribut zollen, und bei "Cheap Sunglasses" oder "Sharp Dressed Man" Hill und Gibbons bei den Refrains immer wieder gesanglich unterstützen.

Es stellt sich allerdings die Frage, warum ZZ Top die Greatest Hits-Route nicht konsequenter gefahren sind, wenn sie sich schon darauf fokussieren. Wo bleiben in diesem Falle Kracher wie "My Head’s In Mississippi", "Doubleback" und "Sleeping Bag"? Letzteres war seinerzeit immerhin einer der größten Erfolge der Band. Bei den Zuschauern wäre jedes dieser Stücke, inklusive des gelungenen Elvis-Covers "Viva Las Vegas" sicherlich besser angekommen als die verzichtbare "Foxy Lady"-Version. Auch ein "Beer Drinkers & Hell Raisers" oder "Hi-Fi Mama" hätte sicherlich mehr Zuspruch gefunden.

Gelegentliche Hingucker

Optische Gimmicks auf dieser Tour sind neben den Bärten, Hüten und Sonnenbrillen die an Auspuffs aus Chrom erinnernden Mikrofonständer von Gibbons und Hill sowie eine ähnliche Verpackung für den Synthesizer, dessen Tasten der Bassist für die Stücke aus den 1980er Jahren häufiger bedienen darf. Für "Legs", die vielleicht größte Hitsingle der Band, greifen ZZ Top zu den in weißes Plüsch gehüllten Instrumente aus dem Video. Nicht nur die Gitarre von Billy Gibbons erhält diese Ummantelung, sondern auch Hills Keyboards, die nach dem Stück für den Zugabenteil von der Bühne geräumt werden.

Zu "La Grange" erscheinen die Texaner dann mit schwarzen Shirts, deren Aufdruck in der untergehenden Sonne glitzert – und versprühen damit sogleich mehr Energie. Auf einmal drückt die Band auch in der klassischen Power-Trio-Variante aus Gitarre, Bass und Schlagzeug, ohne auf Synthesizer zurückgreifen zu müssen. Zudem bieten sie plötzlich mehr Improvisationen, so dass man sich doch ein wenig wundert, warum sie so lange damit gewartet haben. Wo waren diese Power und Verspieltheit während des routinierten, aber unspektakulären regulären Sets?

Druckvoller Schlussakkord

Der mittlerweile etwas druckvollere Sound leistet dabei sicherlich sein Übriges. Endlich sorgt auch der Bass für ein vernünftiges Fundament. Über "Sloppy Drunk" und "Bar-B-Q" arbeiten sich ZZ Top schließlich von "La Grange" zu "Tush" vor, das ebenso überzeugen kann. Bei der Performance ihrer bekannten Shuffles und Boogies aus den 1970ern laufen die drei Autonarren aus Texas inzwischen auf Hochtouren. Schade nur, dass es am Kölner Tanzbrunnen erst so spät dazu kommt. Das seit Jahrzehnten obligatorische Elvis-Cover "Jailhouse Rock" beschließt dann den Abend.

ZZ Top verabschieden sich daraufhin nach nur etwa 80 Minuten wieder von ihrem Kölner Publikum. Das bis dahin prall gefüllte Gelände leert sich recht schnell, und man hat nicht den Eindruck, als ob die Zuschauer unbedingt nach mehr verlangen würden. Dafür hatte der Abend einfach zu viele Ecken und Kanten, insbesondere den zahnlosen Sound. An anderen Spielstätten auf dieser Tournee klangen die Texaner mit demselben Konzept überzeugender. Man fragt sich, wie viele der zahlreichenden Anwesenden an diesem Abend absolut zufriedengestellt die Heimreise antreten.

Setlist

Got Me Under Pressure / Waitin‘ For The Bus / Jesus Just Left Chicago / Gimme All Your Lovin‘ / Pincushion / I’m Bad, I’m Nationwide / I Gotsta Get Paid / Rough Boy / Foxy Lady / Catfish Blues / Cheap Sunglasses / Chartreuse / Sharp Dressed Man / Legs // La Grange / Sloppy Drunk / Bar-B-Q / Tush // Jailhouse Rock

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