Adam Lambert & Queen (2015)

Adam Lambert & Queen (2015) © MLK

Bei Open-Air-Veranstaltungen besteht immer die Gefahr, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser fallen. Ein nicht ganz volles Haus und strömender Regen im Kölner RheinEnergieStadion stellen für Queen + Adam Lambert auf ihrem einzigen Deutschlandstopp in diesem Jahr allerdings kein Problem dar.

Zweifelsohne zählen Queen zu den größten Rockbands aller Zeiten. Seit dem tragischen AIDS-Tod ihres legendären Frontmanns Freddie Mercury im November 1991 haben sich die noch verbliebenen Mitglieder Brian May und Roger Taylor immer wieder zu neuen Projekten mit anderem Personal durchgerungen, die bei weitem nicht bei allen alteingesessenen Fans auf Gegenliebe stoßen. Seit 2012 sind die beiden Ur-Queens mit dem ehemaligen American Idol-Vize Adam Lambert unterwegs.

Nach ihrer erfolgreichen Europatournee im vergangenen Jahr machen die drei mit Unterstützung ihres langjährigen Keyboarder Spike Edney, des Bassisten Neil Fairclough sowie Taylors Sohn Rufus Tiger als zweitem Schlagzeuger 2016 nochmals den Kontinent unsicher. Ihren einzigen Deutschlandtermin stellt dabei die Open-Air-Veranstaltung im nicht annähernd ausverkauften Kölner RheinEnergieStadion dar, die unter denkbar schlechtesten Witterungsbedingungen vonstattengeht.

Americana in Reinkultur

Als die Vorband Larkin Poe die Bühne ohne jeglichen audiovisuellen Schnickschnack betritt, ist die Arena dann zunächst auch dementsprechend leer. Niemand kann es den Zuschauern verdenken, dass sie angesichts strömenden Regens lieber noch eine Weile an den Bierständen, Würstchenbuden oder sonstigen trockenen Orten ausharren. Die Gruppe aus Georgia um Leadsängerin und Gitarristin Rebecca Lovell macht dennoch das Beste aus den für sie doch recht widrigen Umständen.

Larkin Poe präsentieren ihre eigene Art von Roots Rock, eine energiegeladene Mixtur aus allen möglichen Stilrichtungen, die die US-amerikanischen Südstaaten zu bieten haben. Dass es ab und an mal über dem Stadion blitzt und ein erstes Donnergrollen zu hören ist, passt dabei nur allzu gut ins Bild. Die beiden Lovell-Schwestern Megan und besonders Rebecca, die das Herzstück von Larkin Poe bilden, fegen nämlich ebenso wie das Gewitter über die noch spartanisch ausgestattete Bühne.

Eine Art von Magie

Während der Umbauphase muss die Queen-Crew dann einiges erledigen, bis Brian May, Roger Taylor und Adam Lambert durchstarten können. Mittlerweile hat der Regen derart stark zugenommen, dass sich erste Wasserlachen auf der Bühne gebildet haben. Wer jetzt aber denkt, dass das schlechte Wetter Einfluss auf die Stimmung des Publikums hat, täuscht sich. Diejenigen, die sich bereits im Innenraum befinden, sind trotz der Nässe bestens aufgelegt.

Unter diesen Vorzeichen legen Queen + Adam Lambert dann auch los wie die Feuerwehr, um die Zuschauer weiter bei Laune zu halten. Nach dem Tape-Intro "A Kind Of Magic" stürmen die Routiniers und der junge Sänger zu "One Vision" ins Stadion und warten dabei gleich mit einigen optischen Gimmicks auf. Gitarrist May beglückt seine zahlenden Gäste auf der rechten Seite der Arena mit Hut, während sich Lambert dem anderen Ende in Nietenlederjacke und futuristischer Sonnenbrille vorstellt.

Je härter, desto besser

Überhaupt fahren Queen und ihre Unterstützung in der Anfangsphase erstmal mehrere rockige Nummern am Stück auf. Auf "Hammer To Fall" folgt eine Art Medley aus den Frühwerken "Seven Seas Of Rhye" und "Stone Cold Crazy", so dass selbst der durchnässteste Zuschauer langsam, aber sicher auf Betriebstemperatur kommt. Als die Band nach Brian Mays "White Man"-Intro in den markanten Chor von "Fat Bottomed Girls" übergeht, kennt die Resonanz von den Rängen keine Grenzen mehr.

Danach lassen es Queen + Adam Lambert erst einmal etwas ruhiger angehen, um sich selbst und auch dem Publikum eine kleine Verschnaufpause zu gönnen. Mit "Play The Game" gibt es eine erste interessante, wenn auch leicht missglückte Neuerung im Vergleich zu den letztjährigen Konzerten. Teils mag das der nicht immer ganz astreinen Soundqualität im Stadion geschuldet sein, teils liegt es aber auch an Lambert, für dessen Stimme das Lied nicht unbedingt die beste Wahl ist.

Die Legende wird gefeiert

Das direkt anschließende "Killer Queen" liegt dem Frontmann dafür umso mehr. In theatralischen Posen, die dem selbst der Extravaganz nicht abgeneigten Mercury sicherlich gefallen hätten, räkelt er sich auf einem antik aussehenden Polstersessel. Danach richtet Lambert zum ersten Mal einige Worte an das Publikum und bedankt sich für dessen Akzeptanz. Für ihn sei es ein wahrgewordener Traum, die Songs seines Idols gemeinsam mit den verbliebenen Rocklegenden singen zu dürfen.

Die Shows seien ein Tribut an Freddie Mercury, und genau wie er früher zelebriert der neue Mann an seiner Stelle mit seiner alten Band ein gelungenes "I Want To Break Free". Eine ebenso überzeugende Figur gibt Lambert bei einem weiteren Klassiker aus der Feder von Queens legendärem Originalsänger. "Somebody To Love" scheint ihm wie auf den Leib geschneidert, und die Band beendet das Stück in einer veränderten Form in sehr energischer, perfekt rockender, wenn auch ungewohnter Manier.

Ein ganzes Stadion in seiner Hand

Nach diesem grandiosen ersten Finale bedarf es einer erneuten Verschnaufpause. Zunächst begibt sich Brian May an das vordere Ende der Bühne und fordert die Zuschauer auf, das Stadion zu erhellen. Sein Wunsch ist ihnen Befehl. Schon bald ähnelt die Arena einem Lichtermeer. Der Gitarrist gehört eben doch zur alten Garde der Rockgötter. Ein Wort genügt, und in fast schon biblischem Sinne entsteht Gänsehautstimmung pur. Wie bei jedem Konzert in letzter Zeit nutzt May die Chance für ein Selfie.

Im Anschluss setzt er sich mit der Akustikgitarre in der Hand und Regenschirmen über sich direkt vor das Publikum und stimmt ein weiteres Mercury-Glanzstück, die wunderschöne Ballade "Love Of My Life" an. Wie seit Jahrzehnten nicht anders gewohnt, fangen die Zuschauer ohne großes Zutun von Mays Seite und Saiten an, das Stück aus voller Kehle mitzusingen. Irgendwo oberhalb der Wolkendecke wird sich Mercury ein schelmisches Grinsen in diesem Moment wohl kaum verkneifen können.

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Der Zahn der Zeit

Das zweite noch verbliebene Queen-Gründungsmitglied, Drummer Roger Taylor, zeigt sich danach erstmals an diesem Abend seinen Fans in voller Pracht. Musste er bislang hinter seinem Schlagzeug verharren, so darf er bei "These Are The Days Of Our Lives" dann endlich auch zum Mikrofon greifen. Ein bisschen Nostalgie kommt schon auf, wenn der sonst eher für den Hintergrundgesang zuständige Taylor das kurz vor Mercurys Tod aufgenommene Stück über die Vergänglichkeit des Lebens anstimmt.

Die Staffelübergabe an die nächste Generation findet dann aber sogleich statt, als am vorderen Rand der Bühne ein zweites Kit aufgebaut wird und Roger sich mit seinem Sohn Rufus Tiger einen familieninternen "Drum Battle" liefert. Hinter diesem Schlagzeug darf er auch weiterhin sitzen bleiben, um gemeinsam mit Lambert "Under Pressure" zu singen, ein Stück, das aufgrund dessen Beteiligung am Original seit Beginn des Jahres auch ein Tribut an den verstorbenen David Bowie darstellt.

Es regnet Hits

Obwohl der sowieso schon strömende Regen in der Folge wieder zunimmt, setzen Queen ihre Greatest Hits-Tour mit Adam Lambert völlig unbeeindruckt fort. Das durchnässte Publikum interessiert es ebenso wenig. Auch die Zuschauer auf den Rängen hält es ab diesem Zeitpunkt kaum noch auf ihren Plätzen. Singend und tanzend stellen sie sich den Wassermassen von oben entgegen. Die lebenden Legenden May und Taylor erhalten so bereits während des Konzerts die stehenden Ovationen ihrer Fans, die anderen Gruppen, wenn überhaupt, oft erst gegen Ende einer Show zuteilwerden.

Songs wie die beiden aus der Feder von Mercury stammenden Evergreens "Crazy Little Thing Called Love" und "Don’t Stop Me Now" laden mit ihren pfiffigen Refrains auch geradezu zum Mitmachen ein. Zu Beginn von "Another One Bites The Dust" mit seinem markanten Bassriff darf sich dann endlich auch Tieftöner Neil Fairclough mit einem ganz kurzen Solo auszeichnen und wird von den Anwesenden zumindest in diesem Moment als Nachfolger von Rentner John Deacon am Viersaiter akzeptiert.

Gitarren, Glanz und Gänsehaut

Mit "I Want It All" fahren Queen + Adam Lambert schließlich ein Stück auf, das eigentlich für Stadionrock prädestiniert ist, aber von der Originalbesetzung seinerzeit aufgrund von Mercurys Erkrankung nie live aufgeführt werden konnte. Dafür sorgt es auf der aktuellen Tour für umso mehr Stimmung. "Who Wants To Live Forever" setzt mit seiner Emotionalität und beeindruckenden Lightshow einen klaren Kontrast und sorgt in dieser Version für Gänsehaut pur.

Beim ausgedehnten Solospot "Last Horizon" darf sich Brian May dann in den Vordergrund spielen. Seine markante lockige Haarpracht mag mittlerweile den gleichen Verlauf genommen haben wie die von Gandalf in "Der Herr der Ringe". Das Gitarrenspielen hat er aber trotz des optischen Alterungsprozesses nicht verlernt. Unterstützt von imponierenden Lichteffekten beweist er, warum seine musikalischen Fähigkeiten neben Mercurys Stimme einst so prägend für den Queen-Sound waren.

Krachend dem Ende entgegen

Nach dieser von Staunen begleiteten Durchschnaufpause rocken die alten Herren plus Lambert dann unverhohlen weiter. Mit seinem bösartigen Text bietet "Tie Your Mother Down" genau die richtige Grundlage dafür, bevor Queen und ihr junger Frontmann dann zum Schlussspurt ansetzen, der auch ihrem bisher stark im Hintergrund agierenden langjährigen Keyboarder Spike Edney die Chance bietet, dem Publikum im Stadion zu demonstrieren, wie gut er die zweifarbigen Tasten bedienen kann.

Bei Mercurys unsterblichem Meisterwerk "Bohemian Rhapsody" teilen sich Lambert und das per Videoeinblendung mitwirkende, verstorbene Gesangswunder die Strophen. Der brillante, opernhafte Mittelteil kommt schließlich komplett vom Band, bevor Queen beim großen Finale des Stückes und der darauffolgenden, weltbekannten Taylor-Nummer "Radio Ga Ga" mit ihrem Mitsing-Refrain nach all den vielen Jahren noch einmal zeigen dürfen, wo der Hammer in Sachen Stadionrock hängt.

Auch im Alter noch die Rock-Champions

Den obligatorischen Ausklang einer jeden Queen-Show bildet seit nunmehr fast vier Jahrzehnten der nicht totzukriegende Doppelkracher aus "We Will Rock You" und "We Are The Champions", so auch an diesem verregneten Frühlingsabend. Die bereits seit gefühlten Ewigkeiten stehenden und feiernden Fans kennen bei diesem großen Finale kein Halten mehr. Trotz der leergebliebenen Sitze und dem nicht gänzlich gefüllten Innenraum gibt es bis zum Ende von Band wie Publikum Stadionatmosphäre pur.

Als zu guter Letzt "God Save The Queen" vom Band ertönt und wie immer den Abschluss eines Konzerts der wahrscheinlich majestätischsten Rockband aller Zeiten signalisiert, können die nasstriefenden Zuschauer mit vollster Zufriedenheit das Gelände verlassen. May, Taylor und Lambert haben zusammen mit ihren drei Mitstreitern eine über weite Strecken grandiose Show abgeliefert und werden bei ihrem Abschied dafür von den Fans völlig zu Recht gebührend abgefeiert.

Wohin geht die Reise?

Im Vergleich zu den Konzerten im vergangenen Jahr bleibt festzuhalten, dass die Show in Köln sehr viel homogener war. Nicht zuletzt hat dies damit zu tun, dass Adam Lambert damals stimmlich  stark angeschlagen war. In Frankfurt beispielsweise musste das Programm deshalb extra angepasst werden. Statt des jungen Frontmannes gab es mehr von Mays und Taylors Gesangskünsten zu hören, was gerade den alten Fans aber mit ziemlicher Sicherheit nicht allzu viel ausgemacht haben dürfte.

Einziger kleiner Wermutstropfen abgesehen vom Wetter bleibt an diesem Abend die Tatsache, dass Barcelona vor wenigen Tagen mit "The Hero" und "The Show Must Go On" die etwas abwechslungsreichere Setlist geboten wurde. Wenn Queen + Adam Lambert sich allerdings weiterhin in einer solchen Verfassung präsentieren, ist zu hoffen, dass Köln nicht am Ende ihr letztes Deutschlandkonzert war. Sollte dies der Fall sein, war es trotz des Regens ein krachendes, denkwürdiges Finale.

Setlist

A Kind Of Magic (tape intro) / One Vision / Hammer To Fall / Seven Seas Of Rhye / Stone Cold Crazy / Fat Bottomed Girls / Play The Game / Killer Queen / I Want To Break Free / Somebody To Love / Love Of My Life / These Are The Days Of Our Lives / Drum Battle / Under Pressure / Crazy Little Thing Called Love / Don’t Stop Me Now / Another One Bites The Dust / I Want It All / Who Wants To Live Forever / Last Horizon / Tie Your Mother Down / Bohemian Rhapsody / Radio Ga Ga // We Will Rock You / We Are The Champions / God Save The Queen (tape outro)

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