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Hans Zimmer (live SAP Arena Mannheim, 2016) © Akis Konstantinidis

Hans Zimmer, der wohl bekannteste Filmkomponist unserer Zeit, spielt in der Mannheimer SAP Arena gemeinsam mit Band, Orchester und Chor ein Konzert, das man nur mit einem Wort beschreiben kann: monumental.

"Ich weiß, dass ich einen großartigen Film sehen werde, wenn Hans Zimmers Name im Abspann auftaucht", sagte der Leiter des Israelischen Philharmonie Orchesters Zubin Mehta einst über den Komponisten. In der Tat bereicherte der in Frankfurt geborene Oscar-Preisträger zahlreiche Meisterwerke der Filmgeschichte mit seinen Soundtracks.

Steve McQueen, der Regisseur des 2013 erschienenen Films "12 Years A Slave" beteuerte sogar, dass Hans Zimmer der Komponist schlechthin sei, "mit dem man aktuell arbeitet, wenn es darum geht, eine visuelle Erzählung in Töne umzuwandeln."

Kritik unbegründet?

Die Kompositionsarbeit Zimmers sorgt dagegen immer wieder für missbilligende Töne: Einige Kritiker behaupten, der Komponist habe bei vieler seiner Kompositionen nur einen geringen Arbeitsanteil, da er während des Entstehungsprozesses seiner Werke mit einer Vielzahl an Musikern zusammenarbeitet.

Dabei wird allerdings außer Acht gelassen, dass Zimmer mit seinen Arragements und Motivideen der Hauptverantwortliche und Initiator der musikalischen Stücke ist. Regisseure wie Ridley Scott oder Christopher Nolan holten den Komponisten sicherlich nicht ohne Grund mehrfach für ihre Filmproduktionen ins Boot.

Erste Tournee überhaupt

Trotz seines großen Erfolges spielte Zimmer bislang nur einzelne öffentlichen Konzerte. Entsprechend groß war das Interesse, als Zimmer für 2016 eine Europatournee ankündigte. Monate vorher waren alle Tickets für das Konzert in Mannheim vergriffen.

Sichtlich gespannt wartet das Publikum am Konzertabend in der SAP Arena auf die Koryphäe der Filmmusik. Begeisterungsstürme kommen auf, als Zimmer zum ersten Mal überhaupt eine deutsche Bühne betritt. Nach und nach erscheinen auch die Mitglieder seiner Tourband, bei denen mit Guthrie Govan und Mike Einziger von Incubus namhafte Musiker vertreten sind.

Die Bühne wird größer...und größer

Nach wenigen Minuten hebt sich eine Trennwand, hinter der die Rhythmus-Fraktion mit Schlagzeug, Percussion, Bass und Sythesizern erscheint. Dann, nach wenigen Augenblicken, erscheinen hinter einer weiteren Trennwand Orchester mit Chor. Der Überraschungseffekt ist vollkommen gelungen. Mit rund 80 Menschen auf der Bühne haben die Zuschauer jetzt einen gewaltigen Klangkörper vor sich.

Hans Zimmer positioniert sich mit Klaver und Synthesizer in der Mitte der Bühne, dirigiert nur sporadisch mit Kopfnicken oder vielsagenden Blicken, wie es Wolfang Amadeus Mozart zu seiner Zeit am Cembalo auch tat. Was Zimmer allerdings vom als extrovertierten Bühnenmenschen gerühmten Mozart unterscheidet, ist wohl das Auftreten gegenüber den Zuschauern.

Einblicke in seine Arbeit

In den Ansagen wirkt der 59-Jährige hin und wieder etwas unsicher, nahezu schüchtern. Er gab bereits im Vorfeld zu, starkes Lampenfieber auf der Bühne zu haben und sich in Folge dessen zu fühlen, als würde er "splitternaserfackt unter einem Scheinwerfer stehen." Genau das lässt ihn auf eine eigene Weise symapthisch wirken, ist aber nach eigenen Angaben der Grund dafür, dass die Tournee so lange aufgeschoben wurde. Aber welcher Filmkomponist hat schon größere Publikumserfahrungen?

Zimmer lässt es sich dennoch nicht nehmen, ausführlich über die Entstehung einzelner Filmkompositionen zu erzählen: So habe er sich zunächst gesträubt, im Falle von "Gladiator" Musik beizusteuern, da er den Streifen von Ridley Scott zu Beginn schlicht für einen "Film über Männer in Röcken" gehalten habe. "The Lion King" bezeichnete er als Requiem für seinen Vater, den er bereits im Alter von sechs Jahren verlor. Das Publikum hört dem jetzt sehr nahbaren Hans Zimmer und seinen Anekdoten gebannt zu.

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Neuinszenierung durch Licht- und Projektionstechnik

Die Setlist des Abends kann sich sehen lassen: Die größten und bekanntesten Filmmusiken Zimmers lassen die Szenen der Monumentalstreifen vor dem inneren Auge wiederaufleben. Allerdings NUR vor dem inneren Auge, da auf der Bühnenleinwand bewusst keine Filmsequenzen gezeigt werden, um dadurch die einzelnen Stücke durch minimalistische oder psychedelische Farbprojektionen neu in Szene zu setzen.

Im Zusammenspiel mit der phänomenalen Lightshow auf der Bühne ergibt sich so ein völlig vom jeweiligen Film losgelöstes Schauspiel, das die Kompositionen in neuem Licht erstrahlen lässt. 

Von sentimental bis brachial

Das große Schlagzeug- und Percussionswerk lässt die zuweilen repetitive Musik Zimmers besonders bei den fortissimo-Passagen noch druckvoller, ja nahezu brachial wirken. Im Vergleich dazu wirkt der Sound aus den Kino-Lautsprechern wie billiges Autoradio.

Aber auch sehr sentimale, ruhige Momente wie in "The Wheat" aus "Gladiator" werden dank der klaren Stimme Czarina Russels zu einer wahren Gänsehaut-Partie. Mit Sänger Lebo M folgen in "The Lion King" afrikanische Klänge, die der Chor zusammen mit Orchester brillant umsetzt. 

Und dann die Hände zum Himmel

Trotz der wahren Filmmusik-Klassiker, die Schlag auf Schlag folgen, zeigt sich das Publikum bis zum letzten Stück vor der Pause in der Mitte des Konzerts reserviert. Die Zuschauer spenden zwar großzügigen Applaus, halten sich mit größerem Jubel allerdings zurück. Der Mutltinstrumentalist Zimmer versucht am Klavier sowie an der Gitarre sein Bestes, um die Stimmung zu heben. Nach fast jedem Stück hebt der Komponist enthusiastisch die Fäuste in den Himmel, wie um das Publikum zu mehr Begeisterung anzuspornen.

Dies gelingt ihm im Verlaufe des Abends auch immer mehr. Im zweiten Set zeigt sich, dass der typische, oftmals minimalistisch gehaltene Zimmersche Klanggestus durchaus auch variable Strukturen aufweisen kann. "The Amazing Spider Man 2" etwa überzeugt mit rockigen und elektronischen Sounds. Das den Todesopfern des Anschlags in Colorado gewidmete "Aurora" hingegen trägt durch seine schwebenden, komplexen Harmonien den Charakter eines ehrfurchtsvollen Requiems.

Die besten Filme und Soundtracks zum Schluss

Zu "Interstellar" hebt sich hinter dem Chor eine weitere Trennwand, die ein riesiges Orgelpfeifenregister zu Tage fördert, das Zimmer von seinem Platz aus bedient. Es folgt wohl einer der schönsten Film-Soundtracks der letzten Jahre. Aus einem derart simplen Motiv kann wohl nur jemand wie Hans Zimmer etwas so Großartiges entstehen lassen.

Mit einem Medley zu "Inception", einem weiteren Christopher Nolan-Film, folgt die vom Publikum mit Ovationen eingeforderte Zugabe. Kein Wunder, dass diese beiden Soundtracks bis zum Ende aufgespart wurden, schließlich sind beide ebenso spektakulär wie die dazugehörigen Filme. Am Ende stellt Zimmer dem Publikum die rhetorische Fage "Hat es euch denn gefallen?". Die Antwort liefert im selben Moment die stehende und jubelnde Arena.

Setlist

1. Set Driving Miss Daisy // Sherlock Holmes // Madagascar // Crimson Tide // Angels & Demons // Gladiator // The Da Vinci Code // The Lion King // Pirates Of The Carribean

2. Set: True Romance // Rain Man // Man Of Steel // The Thin Red Line // The Amazing Spider Man 2 // The Dark Knight // Interstellar

Encore: Inception Medley

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