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PUR (live in Mannheim, 2015) © Manuela Hall

Schwäbischer Power-Pop ist auch nicht mehr das, was er mal war: In der SAP Arena in Mannheim schwanken die PUR-Fans zwischen Euphorie und freundlichem Klatschen. Besonders die neuen Songs vom Album "Achtung" erweisen sich häufig als Ladenhüter, egal wie stark Frontmann Hartmut Engler es versucht. Und er versucht es sehr stark.

Über 14.000 Fans sind vor Ort, mehr Leute haben in der SAP Arena kaum Platz. Die Stimmung vor der großen Halle ist ausgelassen, einige singen, viele lachen, von jung bis alt ist alles da – besser geht es nicht, damit kann eine Band einen grandiosen Abend bestreiten. Außer PUR sind in der Stadt.

Noch schnell an den Reglern gedreht

Denn das Konzert beginnt zwar mit einem Knall, jedoch nicht mit einem musikalischen. Nach einem Feuerwerk spielen PUR "Wer hält die Welt". Allerdings stellt sich die Frage: Wer macht den Sound? Alles klingt dumpf und zu laut, die Stimme von Hartmut Engler geht in Klangmatsch unter. Im Laufe der Nummer bekommen es die Soundtechniker aber hin, alles vernünftig einzustellen.

Schlag auf Schlag geht es weiter. Zum zweiten Song "Vermiss Dich" verschwindet Hartmut Engler auf dem Videowürfel in die Wolken. Den kitschigen Kitsch-Titel vom neuen Album "Achtung" könnte man nur noch mit einem Rosenregen besser untermalen. Das Publikum klatscht artig, die Freude könnte aber größer sein – von der Partystimmung vor Beginn des Konzerts spürt man wenig. Erst der nächste Klassiker "Freunde" taut die Menge auf, die jetzt endlich mit PUR feiern darf. 

Den Zeigefinger nach oben, dann wird man dich loben

In einem Interview sprach Hartmut Engler davon, wie er von einem Freund und dessen Buchempfehlungen auf das Thema Respekt gebracht wurde. Das hört man dem folgenden "Achtung" an. Noch angestrengter kann eine Nummer kaum klingen, den erhobenen Zeigefinger spürt man beinahe ins eigene Auge stechen. Daran können selbst der rockige Sound und das ganz nette Spiel mit dem Wort "Achtung" nichts ändern.

Die Fans freut das zwar noch, durch das nächste "Gemeinsam" ist aber auch diese Freude wieder dahin. Deshalb geht es auch schnell weiter im Programm. Engler springt in ein recht liebloses Kostüm aus Ledermantel, schwarzer Sonnenbrille und Kapitänsmütze und singt bei "Bis der Wind sich dreht" gegen Rechts und für Demokratie, Menschlichkeit und Freiheit. Dass die Band hier ein nobles Ziel verfolgt, ist selbstverständlich wunderbar. Dass das schon wieder mit erhobenem Zeigefinger geschehen muss, macht die Ermahnungsexperten Bono und Campino fast zu angenehmen Zeitgenossen.

Selbst "Jump" rettet nichts

Die Untiefen der Triefigkeit sind aber noch nicht ausgelotet, denn es folgt eine emotionale Karte mit einem Angriffswert von über 9000. Pur vermischen die beiden Songs "Wenn sie diesen Tango hört" und "Anni" und ehren damit Hartmut Englers Mutter. Der zeigt sich hier zum ersten Mal an diesem Abend in dieser ganzen Gefühlschose nahbar und weniger steif als davor. Dass die gesamte SAP Arena mit ihm ergriffen ist, überrascht nicht.

Um die Stimmung nach diesem angenehmen Moment wieder zu steigern, wird "Fallschirm" über die Bühne gejagt, inklusive Cover von Van Halens Jump – das muss ja öfter bei solchen Gelegenheiten herhalten. Leider verstehen die Mannen von PUR Van Halen nicht ganz, denn noch blutleerer könnte wahrscheinlich nur noch Gregorian das Stück auf die Bühne bringen.

Warum? WARUM?

Schlimmer kanns nicht werden? Falsch gedacht! Denn plötzlich stehen Carolin Niemczyk und Daniel Grunenberg von Glasperlenspiel auf der Bühne und dürfen dem Publikum ein "Geiles Leben" wünschen. Der Radiohit "Echt" muss natürlich auch geschmettert werden, mit Unterstützung der gesamten PUR-Mannschaft. Dem Publikum gefällts, der Autor ist kurz vor dem Zusammenbruch.

Gott sei Dank bleibt Carolin Niemczyk noch länger auf der Bühne und krampft sich zusammen mit Hartmut Engler durch "Land in Sicht". Was für eine Freude es ist, dass mittlerweile fast jede bekannte deutsche Sängerin den gleichen Gesangsstil hat, Experten nennen ihn "gepressten Pseudo-Soul", muss kaum erwähnt werden.

Endlich geht es los

Nach dem ganzen Stress wird es beim folgenden Akustik-Medley etwas ruhiger. Zu "Mein Freund Rüdi", einem Teil des Medleys, kommt der besungene Rüdi auf die Bühne und fegt Hartmut Englers steife Haltung wieder weg. Mit ihm freut sich das gesamte Publikum, im Gegensatz zum Auftritt von Glasperlenspiel diesmal auch zu Recht.

"Indianer" läutet endlich die klassischen PUR-Songs ein und endlich, ja endlich kommt mit "Funkelperlenaugen", "Ich lieb' Dich", "Lena" und "Ein graues Haar" Party-Stimmung in die Bude. Das Publikum klatscht sich fast die Hände ab, singt und tanzt und frisst dem PUR-Frontmann förmlich aus der Hand.

Drohungen in der SAP Arena

Die zuvor ausgesprochene Drohung, das Publikum werde Glasperlenspiel "später nochmal wiedersehen", erfüllt sich beim letzten Titel des Abends. Bei "Hab' mich wieder mal an dir betrunken" darf Carolin Niemczyk noch einmal ihr Stimmchen auspacken, dann ist der Ofen in der SAP Arena aus. Zum Hitmix aus der Konserve feiern PUR auf der Bühne den Abend und schießen riesige Gummibälle in die Massen.

Die Fans feiern noch ein letztes Mal hart mit und freuen sich mit der Band. Das zeigt, dass schwäbischer Power-Pop eigentlich gar nicht viel braucht, um zu zünden. Mit den neuen Songs von "Achtung" und den oft gescheiterten Versuchen, Emotionalität zu erzwingen, gelingt diese Zündung in Mannheim aber leider zu selten.

Zu viel Fernsehen schadet

Das den Abend bestimmende "Achtung" ist auch durch Hartmut Englers Teilnahme an der Fernsehsendung "Sing meinen Song" auf Vox beeinflusst worden. Das hört man, denn die teilweise recht angestrengt klingenden Textzeilen hätten genauso gut von Xavier Naidoo oder Andreas Bourani stammen können.

Daher, um es mit einer anderen bekannten Sendung auf Vox zu sagen: Für die Stimmung geben wir dem Hartmut sechs von zehn Punkten.

Setlist

Wer hält die Welt /  Heimwehland / Vermiss Dich / Freunde / Achtung / Gemeinsam / Bis der Wind sich dreht / Neue Brücken / Wenn sie diesen Tango hört->Anni / Fallschirm / Geiles Leben / Echt (mit Glasperlenspiel) / Land in Sicht / Akustik-Medley (Fallen / Stell Dir vor / Imagine / Ich bin Dein Lied / Herzbeben / Wenn du da bist / Hör gut zu / Mein Freund Rüdi / Indianer) / Guter Stern / Abenteuerland / Funkelperlenaugen / Ich lieb' Dich (egal wie das klingt) / Manchmal wenn ich traurig bin // Lena / Ein graues Haar / Drachen sollen fliegen / Hab' mich wieder mal an Dir betrunken / Pur-Hitmix

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