Richard Hawley

Richard Hawley © 2012, Quelle: FKP Scorpio

Richard Hawley ist ein guter Freund von Jarvis Cocker, dem Sänger der Kultband Pulp. Man kennt ihn ebenso als Gastmusiker für Musiker und Bands wie Paul Weller, Arctic Monkeys und Nancy Sinatra. Doch auch als Solokünstler ist der smarte Brite erfolgreich, wie er am 15. Oktober in Berlin bewies. Vor kurzem veröffentlichte er sein neues Album "Standing At The Sky's Edge", mit dem er derzeit durch Europa tourt.

Was haben Pulp, Arctic Monkeys und Richard Hawley gemeinsam? Alle drei – ob Band oder Musiker – gründeten sich bzw. wuchsen in der kleinen beschaulichen britischen Bergarbeiterstadt Sheffield auf. Pulp und Arctic Monkeys sind heute Kult.

Richard Hawley, der Sohn eines Bergarbeiters, ist auf dem besten Weg dorthin. Seitdem der Mittvierziger auf Anraten seines guten Freundes Jarvis Cocker als Solokünstler sein musikalisches Glück versucht, hat er in knapp 12 Jahren nicht nur ganze acht Alben (zuletzt Standing At The Sky's Edge) veröffentlicht, sondern feierte in dieser Zeit auch zahlreiche Chart-Erfolge und Auszeichnungen.

Zwischen den Fifties und der Höhe der Zeit

Im Festsaal Kreuzberg zeigt Hawley, dass er mit einer eigenen Solokarriere die richtige Entscheidung getroffen hat. In Rockabilly-Outfit, mit dunkler, sonorer Stimme und mit zurückgekämmten gegelten Haaren scheint er zwar modisch zwischen den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren steckengeblieben zu sein. Doch musikalisch ist er mit seinem Album auf der Höhe unserer jetzigen Zeit angekommen.

Während sich seine letzten Alben in leisen Tönen um Einsamkeit und Verzweiflung drehten, ist er auf der neuen Platte politisch und laut geworden. Nicht mehr nur ruhige, gleichsam melancholisch und hoffnungsvolle Songs finden sich nun in seinem Repertoire, sondern auch raue und laute Gitarren durchzucken die Melodien seiner Musik.

Politischer Zorn bahnt sich den Weg in die Musik

Soviel hatte Richard Hawley noch nie zu sagen. Den Zorn über die britische Politik, die Wut über das Vorgehen der konservativen britischen Regierung – Richard Hawley will sich ähnlich wie sein britischer Musikkollege und Maximo-Park-Sänger Paul Smith in unserem Interview nicht mehr einfach so mit den sozialen Klüften zwischen Arm und Reich in seinem Land zufriedengeben.

Down in The Woods ist solch ein Protestsong, aber auch in Tonight The Streets Are Us stimmt Richard Hawley eine Atmosphäre voll revolutionärer Gedanken an. "Es sind unsere Straßen, nicht die der Anderen", verkündigt er stolz von der Bühne des Festsaals Kreuzberg. Jubel schlägt ihm entgegen, als sei er der Anführer einer neuen Bewegung.

Reinkarnation

Während die früheren Auftritte Hawleys mit Violinen, Geigen und anderen Streichinstrumenten noch verträumt wirkten, so ist der Auftritt im Festsaal Kreuzberg die Reinkarnation seiner selbst. Das Schlagzeug treibt die Melodie voran, wuchtige Gitarren rauschen schmutzig durch die Anlage.

Richard Hawley – in rotes Nebellicht gehüllt – macht das sichtlich Spaß. Er widmet Songs an Freunde wie Thorsten, der Besitzer eines Berliner Plattenladens, oder an einen Berliner Kult-Laden, den die Band gerne wieder besuchen würde.

Soldier On kündigt er "als den langsamsten Song, den er je geschrieben hat" an, doch nach diesem getragenen Lied geht es sofort wieder rasant weiter. Eine Atempause bleibt da nicht.

Am Ende hat man den Eindruck, die Zeit wäre wie im Fluge vergangen: 90 Minuten dauerte das Set von Hawley. Anscheinend sieht er das auch so und betitelt das Konzert als "den besten Gig auf der aktuellen Europatournee". Ob ehrlich gemeint oder klischeehafte Aussage – diese Interpretation mag jedem freigestellt sein.