The Offspring (live auf dem Sziget 2009)

The Offspring (live auf dem Sziget 2009) © Sziget Produkció

Zu den Festival-Perlen gehört das Sziget-Festival, am Rande der ungarischen Hauptstadt Budapest gelegen. 400.000 Menschen lockte es mit einem umfassenden Programm. Im zweiten Teil unseres großen Sziget-Berichts geht es um Schlamm, kalte Duschen und viel laute Musik von Pendulum, The Prodigy oder Faith No More. Die letzten drei Tage des Festivals boten aber auch Freunden sanfter Klänge etwas, so traten unter anderem Woven Hand, The Notwist und die Editors auf.

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{image}Nach einer langen Nacht voll schöner Musik war zuallererst eine heiße Dusche fällig, die sich nicht nur unser Festival-Team redlich verdient hatte. Mit erwartungsvollen Lächeln im Gesicht suchte man die nächstgelegenen Duschen auf, nur um wieder erschreckt feststellen zu müssen, dass die Wassertemperatur der eines eiskalten Bergbachs glich. So war es bereits in den letzten Tagen gewesen und bis zum Sonntag sollte sich daran auch nicht viel ändern. Erst am Montag, als die Außentemperaturen in Budapest einer Sauna alle Ehren machten, kam gnädigerweise lauwarmes Wasser aus dem Duschkopf. Gut informierte Quellen behaupten aber noch heute, dass bei bestimmten Sternenkonstellationen auch während des Festivals warmes Duschen möglich war. Trotzdem ging es am Nachmittag dann frisch abgehärtet zurück zur Hauptbühne, wo Großes zu erwarten war.

"Bewegung!", oder: der Freitag

Nach den letzten anstrengenden Tagen wäre eigentlich für das gesamte Festival ein Tag ruhiger und entspannter Musik nicht schlecht gewesen, die Veranstalter hatten aber etwas anderes geplant. Im Rückblick kann man dazu nur "Gut so!" sagen, weil der lang erwartete Auftritt von Pendulum und The Prodigy einfach atemberaubend war. Begonnen hatte alles aber mit der australischen Rockformation JET, die wider Erwarten live etwas mehr zu bieten hatte, als ihren Indie-Disco-Hit Are You Gonna Be My Girl. Trotz noch relativ leerer Bühne legte die Band einen tollen Einstieg in den Tag hin, der zuvor mit Nieselregen angefangen hatte. Das regioactive.de-Team pfiff später auf die folgenden Primal Scream und ließ sich noch einmal über das riesige Festivalgelände treiben. Für die nächsten Tage wurde eine große Hitze angesagt, sodass es galt, noch heute alles Mögliche zu sehen, ehe sich wärmebedingte Bewegungsunlust breit machte.

{image}Um 20 Uhr war die Zeit gekommen, um eine etwas andere Band zu sehen: Pendulum hatte sich angekündigt. Sozusagen als Vorband zu The Prodigy wussten die sechs Musiker aus Perth nur zu gut, wie das Publikum mit einer gehörigen Menge Drum & Bass anzuheizen sei. Man möge dem Autor sein schlechtes Gedächtnis verzeihen, da er sich kaum noch an gespielte Lieder erinnern kann. Dafür war das Konzert aber auch viel zu energiegeladen und euphorisch. Zufrieden konnten Pendulum nach 120 Minuten die Bühne verlassen, hatten sie doch alles gegeben und vielen Fans eine großartige Show geboten, die niemanden ruhig stehen lassen konnte. Der nun folgende Headliner hatte sich dieses Gebot ebenfalls aufs Banner geschrieben und wer wäre The Prodigy, hätten sie diesen Vorsatz nicht auch geschafft. War bei Pendulum nur der vordere Bühnenbereich gefüllt, standen urplötzlich sogar noch mehr Menschen als am Vortag bei Fatboy Slim im Bereich der Hauptbühne. An ein Durchkommen war nicht mehr zu denken, aber wer nicht dringenden körperlichen Bedürfnissen nachgehen musste, hatte sowieso keinen Grund, die Menge zu verlassen. Alte und neue Hits, und davon haben Prodigy mehr als genug, wurden auf das Publikum losgelassen, das sich wie ein riesiges Lebewesen zur Musik bewegte. Besonders die neuen Stücke von Invaders Must Die rissen alle vom Hocker, aber als die ersten Töne von Firestarter erklangen, fand wohl die größte Party des gesamten Festivals statt. Erschöpft flüchteten die Meisten danach in ihre Zelte, denn nach drei Tagen Tanzeinsatz schrie so mancher Körper nach Gnade.

"Die Ruhe nach dem Sturm", oder: der Samstag

{image}Wenn ein wunderbar chemischer Geruch in der Luft liegt, weiß auch jeder vollkommen Verwirrte, dass er sich höchstwahrscheinlich auf einem Festival befindet. Beim Sziget gehören dabei die mobilen Toiletten zum Gesamtbild noch mehr dazu, als sonstwo, denn hier finden sich alle paar hundert Meter die schlumpfblauen Häuschen. Weiterhin gibt es jedes Jahr keine festen Campingplätze, sodass sich auch 2009 wieder seltsame Bilder von an Klohäuschen gebauten Zelten ergaben. Wie der Bewohner darin schlafen konnte, bleibt ein ewiges Mysterium. Notdürftig war das Programm für den Samstag auf jeden Fall nicht, schließlich sollten viele große Bands auftreten: Editors, Woven Hand, Placebo und The Notwist. Und wiedermal mussten Entscheidungen getroffen werden, denn Placebo traten zur selben Zeit wie The Notwist auf. Laut zuverlässigen Quellen soll Placebo jedenfalls ganz nett gewesen sein.

{image}Begonnen hatte der Tag mit den Subways, die diesen gut einläuteten, sonst aber wenig spektakulär waren. Auch die Editors danach waren musikalisch wieder großartig, ihre schwere düstere Musik, gemischt mit den elektronischeren Klängen des neuen Albums In This Light And On This Evening, das im Oktober erscheint, konnten aber bei sengender Hitze nicht wirklich überzeugen. Für diese Musik braucht man einfach milderes Klima. So zog man weiter, denn in den Abendstunden legte auf der Weltmusikbühne Woven Hand los. Grund für diesen Auftrittsort war die Zusammenarbeit mit der ungarischen Gruppe Muzsikás, die größtenteils ungarische Folksmusik spielt. Bekannt sind die vier Musiker in Ungarn wegen ihres Albums Máramaros - The Lost Jewish Music of Transylvania, auf dem sie im Holocaust verloren gegangen jüdische Musik spielen. Das Konzert mit Woven Hand aus Denver wurde so zu einem gelungenen Mix aus ungarischer Folklore und amerikanischer Melancholie, wobei alle schmerzlichst Horse Head vermissten, das David Edwars leider nicht spielen wollte. Weiter ging es nach einer kleinen Pause zu The Notwist, die wegen der Gleichzeitigkeit mit Placebo vor kleinerem und vor allem größtenteils deutschem Publikum spielten oder es jedenfalls versuchten, denn durch Verzögerungen musste die Band 40 Minuten später als angekündigt anfangen. Markus Acher entschuldigte sich dafür in seinem besten Englisch und so konnte es dann doch losgehen. Zwischendurch gab es dann trotzdem immer wieder Soundprobleme, aber diese konnte die Band mit einer großartigen Performance wieder gutmachen. So ging man danach zufrieden, aber auch etwas melancholisch wieder in Richtung Schlafstätte.

"Alles hat ein Ende", oder: der Sonntag

{image}Faith No More! The Offspring! Danko Jones! Maxïmo Park! Eigentlich müsste nicht mehr gesagt werden, denn allein diese Namen reichen bei manch anderem Festival für drei Tage aus, aber nach all den großartigen Auftritten der letzten Tage musste der Deckel auf dem Ganzen auch riesengroß werden. Los ging es mit Danko Jones, den man in gewohnt lässiger Pose erlebte. Trotz brüllender Hitze und wenig Publikum vor der Bühne wusste er die Anwesenden mit seinen minutenlangen Monologen zu begeistern. Ein riesiges Banner, auf dem der Name des Bassers der Band zu lesen war, endete in einem Jubel-Wettkampf der Massen, die zwischen Danko und John aufgeteilt wurde. Musikalisch blieben sowieso keine Fragen offen. Hatten JET am Vortag schon eine gute Portion Rock dargeboten, zeigte uns Herr Jones heute, wo der Hammer hängt. Maxïmo Park sorgte danach noch ein letztes Mal auf dem Sziget für schwärmende Mädchenmassen in den ersten Reihen, aber auch dem männlichen Publikum gefiel der Sound der Briten. Ansonsten hatte ihr Auftritt wenig spektakuläres, sodass der Großteil der Zuschauer auf The Offspring wartete. Währenddessen hatten ein paar Findige einen aufblasbaren Swimmingpool vor die Bühne gezerrt, mit Wasser gefüllt und schließlich ein riesiges Schlammloch geschaffen. Nach kurzer Zeit hatten sich auch weitere Menschen gefunden, die sich bei mindestens 35 Grad im Schatten dankbar im Schlamm suhlten. Der Autor wurde dann schließlich Opfer einer Schlammattacke, aber für regioactive.de nimmt man eben viele Gefahren auf sich.

The Offspring jedenfalls erklommen pünktlich um kurz vor 20 Uhr die Bühne und sofort fiel auf, dass Bryan Holland in letzter Zeit deutlich in die Breite gegangen ist. Der Musik schadete diese Entwicklung aber kaum, auch wenn man ab und zu merkte, dass die vier Herren langsam älter werden. Trotzdem zogen Why Don't You Get a Job, The Kids Aren't Alright oder Pretty Fly (For A White Guy) alle mit, sogar das Schlammloch war plötzlich weniger gut besucht. Zu Faith No More hatten sich die Reihen wieder etwas gelichtet, viele wussten wohl bereits, was sie erwartete. Der Auftritt der wiedervereinigten Crossover-Urväter war als Abschluss einfach zu laut, zu unharmonisch und anstrengend. Entspannung trat nur bei ruhigeren Titeln wie Epic oder dem guten alten Cover von Easy ein. Am Ende bat Mike Patton das Publikum, sich zu beeilen, schließlich sollten sie sich unbedingt noch Squarepusher ansehen. Das regioactive.de-Team konnte sich nicht entscheiden und ging zuerst in das gegenüberliegende Rockzelt, um die letzte Band des Festivals, Turbonegro, zu genießen. Später stellte sich dann heraus, dass man sich gar nicht hätte entscheiden müssen, denn während den Pausen von Turbonegro schallte der Bass von Squarepusher vom benachbarten Zelt hinüber. So sparte man sich Wege und konnte trotzdem eine verrückte Mischung aus zwei vollkommen verschiedenen Musikstilen erleben.

Was am Ende bleibt

{image}Das Sziget-Festival 2009 war ein Erlebnis ohnegleichen. Soviel Angebot bietet kein anderes Festival, über jedes Jahr könnte wohl ein ganzes Buch veröffentlicht werden. Und selbst dann wäre wohl nicht genug Platz vorhanden. Diese Vielfalt ist gleichzeitg Fluch und Segen, denn wenn man sich bei anderen Festivals mit drei Bühnen schon manchmal überfordert fühlt, steigert sich dieses Gefühl hier ins Höchste. Oranisatorisch hingegen gab es auch in diesem Jahr kaum etwas zu beanstanden, sieht man vom vollkommen ahnungslosen Personal an den Infoständen ab. Auch die Webseite des Sziget bietet nicht alle Informationen, die man braucht. So erfuhren viele Behinderte erst auf dem Gelände, dass für sie extra ein Shuttle-Bus eingerichtet wurde. Ganz zu schweigen von behindertengerechten Duschen, von denen es auch nur sehr wenige irgendwo am Rand des Geländes in einer dunklen Ecke gab. Abgesehen von diesend Dingen war und ist das Sziget aber wohl das beste europäische Festival und bleibt in dieser Form hoffentlich noch länger bestehen.