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Neil Young © Warner Music Group

Neil Young in Berlin. Trotz modernem Mehrzweckhallenambiente gelingt die Reise in die Vergangenheit. Neil Young wippt und schreddert die guten alten Zeiten einfach wieder zurück.

{image}Neil Young ist Gitarrengott, Hippie, Singer/Songwriter-Ikone, Godfather of Grunge, Ökoaktivist, Folkie und seit Neuestem auch Entwickler einer Elektroautos (dokumentiert auf dem 2009er Album Fork on the road). Jetzt spielte er vor wenigen Tagen in der O2 World in Berlin auf. Die Widersprüche in Youngs Schaffen spiegeln sich auch in der Umgebung der O2 World wieder, denn mitten im Niemandsland zwischen Friedrichshain und Kreuzberg wirkt die Halle etwas deplaziert und unnatürlich. Doch man muss sich wohl damit abfinden, dass die Möglichkeiten des Geldverdienens und die Bequemlichkeiten des gut situierten Publikums höher bewertet werden, als Aspekte des Ambientes. Dieses Publikum hat sich dann auch zahlreich eingefunden. Männer in bester Vatertagstrinkstimmung schlürfen überteuertes Bier. Der Gipfel der Merkwürdigkeit sind aber die Logen in der Arena, wo etwas "Besserverdienende" den Rock’n’Roll im Sessel genießen. Doch an der Musik ändert dies nichts: Wolfgang Michels & Band eröffneten den Abend. Die fünf Musiker brachten dabei 70er Jahre Blues-Pop zu Gehör, der weder überraschend noch zwingend, sondern eher kurzweilig und wohlgefällig war. Die konservativen Reime des Michels'schen Repertoires wirkten dabei plump und schlageresque. Michels verabschiedete sich mit dem Hinweis, dass "Neil" gut drauf sei. Und zumindest damit hatte er recht.

{image}Denn die leicht hinkende Gestalt mit wehendem und dünnen Haar, die dann die Bühne betrat, kann wohl als einer der zwei oder drei (je nachdem ob man Bruce Springsteen in die Kategorie Dylan und Young hineinpackt) ganz wichtigsten Musiker und Liedschreiber der letzen 40 Jahre bezeichnet werden. Und Young war sich wohl selbst dieses Rufes bewusst und begann mit gitarrenzerschredderten Akkorden All along the watchtower. Die Richtung des Abends war danach klar. So hart und trocken die Musik des Dylan Klassikers, so weich die Stimme Youngs. Gerade diese scheint alterslos über der Musik zu stehen und so die Wiedererkennung zu erleichtern. Die Stimme als Fixpunkt und Gegenwicht zu der Young'schen Gitarrenwand, die einmal wie ein defekter Synthesizer oder ein mittlerer Orkan klingt, und dann wieder in vollster Klarheit epische Solis erklingen lässt. Danach wird In my life der Beatles mittels Kreissägengitarre und Harmoniegesang der gesamten Band dekonstruiert und so wieder als psychedelischer Blues zusammengesetzt.

Weitere Höhepunkte des ca. zweistündigen Konzertes sind das akustisch vorgetragene The needle and the damage done (mindestens so gut wie auf Harvest), Tonights the night als schleppender Blues mit Neil Young am Klavier, Heart of gold in klassischem Countrygewand sowie eine 15-minütige Version von Cortez the killer mit geschätzen vier Soli, die Neil Young über die Bühne tigernd und wippend in die Halle entlässt. Als Zugabe gibt es dann noch Hey hey, my my.

Das Publikum jubelt frenetisch und fühlt sich ins Jahr 1979 zurückversetzt, denn Neil Young und seine Band waren an diesem Abend sicher manchmal so gut wie auf dem legendären Live Album Live Rust. Statt des klassischen Betourens des neuen Albums hat Young sich also auf eine "Best-of"-Schau seines umfangreichen Werkes konzentriert. Ein Abend des Ansporns zur wiedermaligen Entdeckung ist daraus geworden.  

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