The Dodos

The Dodos

Die Musikwelt geht gemeinhin davon aus, dass Meric Long westafrikanische Trommeln studiert hat, und mit seiner Gitarre allein durch kalifornische Clubs gezogen ist. Irgendwann – so erzählt man sich - soll er in San Francisco den Metal-Schlagzeuger Logan Kroeber kennengelernt, und von da an mit ihm zusammen gejammt haben. Wer die Beiden im Nachtleben in Frankurt live zusammen gesehen hat, weiß: das ist eine fette, triefende Lüge.

{image}Die Wahrheit ist: Meric Long und Logan Kroeber sind siamesische Beatzwillinge. In ihrer Geburtsnacht tobte in Frisco ein Beben, das den gesamten Erdkörper in gefährliche Beatschwingungen versetzte. Die Rhythmuszwillinge wurden im Auftrag der CIA von einem Stammesfürsten entführt und in einem westafrikanischen Beatcamp aufgezogen. Das von metaphysischen Kräften hervorgerufene Beben der Erde sollten sie in die Musik bannen. Dies ist die einzig logische Erklärung für ihr harmonisch- und zugleich verrücktes Zusammenspiel, mit dem sie die Zuhörer auf ihren Livegigs in den Bann ziehen. Doch bevor The Dodos loslegten, bereiteten Ruby Suns aus Neuseeland die ca. 40, alle Altersklassen umfassenden, Anwesenden auf den ultimativen Beat vor. Mit Keyboard, E-Gitarre, E-Drum Pad, und Schlagzeug produzierten sie ein Rhythmusinferno und stellten so endlich mal eine Vorband dar, die zum Hauptact passt.

"Play the drums, as if no one were watching."

Dann aber war es an der Zeit für The Dodos: Die Zwei fangen wortlos an zu spielen. Die Augen geschlossen. Wie immer, wenn sie sich ihrem Instrument hingeben, bis auf die wenigen Augenblicke, in denen Meric ins Publikum schaut und schüchtern lächelt. Man meint, die Musiker hätten zu einem Privatgig in ihre Garage geladen. Alles wirkt sehr persönlich und ehrlich, besonders Meric in seinem braunen, abgetragenen Holzfällerhemd und seiner Gitarre, die sich – ihrem Aussehen nach zu urteilen – schon mehrere hundert Jahre in Familienbesitz befindet. Keine professionelle Show, aber professionelle Musik. Hier gibt es noch zwei authentische Künstler, die von einer göttlichen Elekrizität erfasst und aufgeladen werden, um sie dann in Musik und Text an das Publikum weiterzugeben. Wie vom Rhythmus geschüttelt spielt Logan das Schlagzeug, und Meric umkrampft seine Gitarre, damit er vor Energie nicht platzt. Wenn sie unkontrollierbare Züge anzunehmen droht, wird die Energie von den Beiden mit den Füßen in den Boden gestampft. Den berühmten lebenserhellenden Rat kennt man ja: "Play the drums, as if no one were watching." Bei The Dodos fühlt sich der Sinnspruch zum ersten Mal seit der Zivilisierung der Menschheit durch Ludwig XIV. von der westlichen Welt wieder ernst genommen. Und man dankt ihnen das urmenschliche Rhythmusangebot: besonders Ruby Suns, die sich unters Publikum gemischt haben, stellen interessante Volkstanzschritte zur Schau. Einige spielen Luftschlagzeug. Und diese Gabe, Europäer zur Musik in Bewegung zu versetzen, wird noch außergewöhnlicher, wenn man die Texte betrachtet.

"It’s a circle left untied
To the ones who drink their wine
While the rest of us just die
Yeah they raise their glasses high
To the ones they’ll kill in time"

The Dodos verbinden die Dramatik der Textebene mit einer unglaublich warmen, weichen Stimme und einem lebensbejahenden Rhythmus, wie eben in diesem, ihrem Eröffnungssong Trades & Tariffs, aus ihrem ersten Album Beware of the Maniacs.

"How do you say 'gas' in german?" will Meric nach seinem ersten Song von den Zuhörern wissen. "Ähm, Benzin", kommt es aus dem Publikum. "Ah, ok, so we’ll play the next song with Benzin." "Oh, do you mean the Bubbles?!" Gelächter. Benzin, 'gas' oder Power. Wie auch immer, jedenfalls spielen sie mit ganz schön viel Verve, um es mit dem Tucholskywort auszudrücken, das Merics Gitarrenspiel am besten beschreibt. Wie er in die Seiten haut, scheint es, als verwandelte er die Gitarre in ein Schlagzeug. Manchmal wird es auch ruhiger, wenn er mit seinem Fingerpicking die obersten Seiten zupft. Ungewöhnlich rhythmisch ist es durch die Synkopisierung dann immer noch. Der dritte im Bunde, Joe, der Logan und Meric auf der Tour begleitet, steht ein bisschen nach hinten versetzt in der Mitte der beiden und beschlägt ebenso energetisch im Takt eine alte Blechtrommel, einen riesigen Gong oder das Xylophon.

Sie leben in einer Welt, in der man chinesische Nudeln mit Drumsticks isst.

{image}Elekrizität, Authentizität, Energie, Rhythmus, Dynamik und Kenntnis des Lebens, sowie die Versöhnung mit seiner Grausamkeit in der Musik, zeichnen alle Stücke, die sie an diesem Abend noch spielen, aus: Men, Red & Purple, Eyelids, Fools, God und Season. Das zweite und aktuelle Album Visiter gilt zwar als ein mit banalen Alltagsthemen vollgepacktes, da die Songs alle auf der "Beware of the Maniacs"-Tour geschrieben worden sind. Allerdings beweist ein durchaus lohnender Blick auf die Lyrics das Gegenteil.

Am Ende des Abends ist man es gewohnt, dass die Drei alle Rhythmusgewalten heraufbeschwören und, dass diese proportional zur Länge des Liedes anschwellen, doch bei Season, dem letzten Song, wiederholt sich gegen Ende der Urknall. Logan ist offensichtlich nicht in der Lage mit dem Trommeln aufzuhören, Meric scheint an der Gitarre zu explodieren, der Verbeulungsgrad der Blechtrommel steigt in den letzten Minuten um 90 Prozent. Die zwei Vorbandmitglieder Ryan McPhun und Amee Robinson beginnen den Bühnenrand mit den Händen zu betrommeln. Logan wirft Drumsticks ins Publikum, jetzt massakrieren Ruby Suns mit Logan sechshändig das Schlagzeug, Meric und Joe schlagen die Blechtrommel und die Zuhörer schrammen mit den Sticks die Heizung. Nach diesem finalen Rhythmuserguss war es wohl jedem klar: The Dodos leben in ihrer eigenen Welt, aber das ist egal, man kennt sie dort. Es ist eine Welt, in der jeder Bürger zur Geburt eine babyblaue Blechtonne geschenkt bekommt, eine Welt, in der man chinesische Nudeln und alles andere mit Drumsticks isst, damit man auch beim Essen angemessen und unverzüglich auf einen göttlichen "Schlaganfall" reagieren kann.

Video: The Dodos - Fools

Genug des Gebabbels! Hier das Video: Wer behauptet, es gäbe jemanden, der urbeatiger mit Gitarre und Schlagzeug umgehen könnte, und dabei trotzdem so weich bliebe (Schamanen und alle Südamerikaner ausgenommen) lügt!

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