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© American Music Club

Zum Konzert der legendären Band American Music Club im Café Central in Weinheim hatten sich am Freitag Abend lediglich einige Dutzend Zuschauer eingefunden. Während die Gruppe in Nordamerika und England in Indie-Kreisen über einen großen Bekanntheitsgrad verfügt, sind sie hierzulande nie über den Status eines Geheimtipps herausgekommen.

Zwischen 1986 und 1994 veröffentlichten sie sieben Alben, von denen besonders das 1991 veröffentlichte Everclear von vielen Kennern als Meisterwerk betrachtet wird. Nach Auflösung der Band startete der Sänger und hauptsächliche Songwriter des AMC, Mark Eitzel, eine Solokarriere. Zu Beginn des neuen Jahrtausends hat sich auch der American Music Club wieder zusammengefunden und feierte mit Love Songs For Patriots ein gelungenes Comeback. Das kürzlich erschienende The Golden Age ist das zweite Album der wiedervereinigten Band.

Die Musik des American Music Club ist durch tiefe Melancholie gekennzeichnet. Häufig handeln Eitzels Lieder von der Vergänglichkeit der Liebe oder Krisen auf der dunklen Seite des Lebens. Seine nuancierte, ausdrucksstarke Stimme vermittelt Zweifel, Sehnsucht, Traurigkeit, aber auch Enttäuschung und Wut. Trotz düsterer Atmosphäre lassen Musik und Gesang nie Spannung vermissen. Im Gegenteil: Eitzel schöpft aus der sehnsuchtsvollen Melancholie eine eigentümliche Kraft, die es ihm ermöglicht, die Intensität seiner Lieder behutsam zu steigern und zusammen mit seiner Band einen vollen, einnehmenden Sound zu erzeugen. Im Fall von Home oder dem wunderbaren Johnny Mathis’ Feet beweisen Eitzel, Gitarrist Vudi, Bassist Sean Hoffman und Schlagzeuger Steve Didelot, dass sie auch rockige Nummern beherrschen, ohne die ihnen eigene Intensität zu verlieren.

Das Repertoire des Konzerts besteht aus Liedern aus allen Phasen der Karriere des American Music Club. Leider ist Everclear unterrepräsentiert, denn nur Jesus’ Hands hat Aufnahme in die Setlist gefunden. Die neuen und sehr starken Songs entschädigen jedoch für das Fehlen einiger Klassiker. So erzählt das glänzende Windows Of The World von einer Party, die Mark Eitzel anlässlich eines Besuches in New York City auf dem Dach des World Trade Centers besuchte. The Sleeping Beauty hingegen wurde von dem Aufenthalt einer Freundin in einer Entzugsklinik im Süden der USA inspiriert und gibt dem Kalifornier Eitzel noch die Chance, seine Abneigung gegenüber diesen konservativen Landesteil zu bekunden. Schon diese Beschreibungen lassen erkennen, dass Eitzel ein Meister darin ist, das Persönliche mit dem Politischen zu verbinden. Er verfügt über das Talent, sich alle Themen zu erschließen, die sich ihm darbieten und seiner Persönlichkeit entsprechend auszudrücken.

Es ist nicht zu leugnen, dass das Auftreten der Band in bemerkenswerten Gegensatz zur Musik steht. Mark Eitzel präsentiert sich als unterhaltsamer und humorvoller Geschichtenerzähler, der wesentlich dazu beiträgt, das Konzert kurzweilig zu gestalten. Er berichtet von deutschen Restaurants in San Francisco, seiner Liebe zu Amsterdam und den schlimmen Erlebnissen, die das deutsche Fernsehen in Form von Musik und Frisuren bereithält, insbesondere dann, wenn man zufällig die Sendung "Fröhlicher Feierabend" einschaltet. Überhaupt scheint sich der deutsche Schlager tief in Mark Eitzels Seele eingebrannt zu haben, denn er macht einen running gag daraus, seine Lieder mit der Bemerkung einzuleiten, er hätte mit ihnen an der "Orange County Schlager Competition" teilgenommen.

Trotz der guten Laune, die Eitzel zu verbreiteten sucht, ist nicht zu leugnen, dass die Band von den Strapazen der Tour offensichtlich erschöpft ist. Die durch eine Autopanne verzögerte Anreise nach Weinheim hat wohl das Übrige dazu beigetragen, dass sowohl Eitzel als auch die übrigen Mitglieder der Band nicht mit voller Konzentration zur Sache gehen. Immer wieder kommt es zu Missverständnissen, false starts und anderen kleinen Fehlern. Eitzel ist zudem auch gesanglich nicht voll auf der Höhe und trifft gelegentlich die Töne nicht. Dass das Konzert trotzdem nicht enttäuscht, liegt vor allem an der Fähigkeit der Band, solche kleineren Missgeschicke zu überwinden und die schiere Kraft und Qualität ihrer Songs auf das dankbare Publikum wirken zu lassen.

Als Ergänzung sei noch erwähnt, dass die Band beim Konzert eine auf 1500 Exemplare limitierte und nur auf der Tour, aber nicht per Mailorder erhältliche CD mit dem Namen Atwater Afternoon verkaufte. Wer sich trotz des vergleichsweise hohen Preises von 15 Euro ein Exemplar gesichert hat, wird es sicherlich nicht bereuen, denn die CD enthält eine vermutlich live aufgenommene, musikalisch hervorragende Session in überwiegend guter Klangqualität, wovon nur die letzten drei Tracks eine Ausnahme bilden. Unter den vierzehn Tracks der CD befinden sich neben alten und neuen Songs des AMC auch exzellente Coverversionen von Billy Andersons und Kris Kristoffersons Liedern.

Setliste: Stars – All My Love – The Sleeping Beauty – Home – Another Morning – The Windows Of The World – Blue And Gray Shirt – The Revolving Door – All The Lost Souls Welcome You To San Francisco – Johnny Mathis’ Feet – Hello Amsterdam
Zugabe: Jesus’ Hand – Western Sky