Pressefoto von den Weakerthans

Pressefoto von den Weakerthans © The Weakerthans

Als The Weakerthans aus Winnipeg im Jahre 97 ihr Debüt Fallow veröffentlichten, wurden sie von schwarzweiß Fanzines, die in der Pre-myspace-Ära zu den wichtigsten Medien gehörten, wenn es um das Entdecken neuer Independentbands ging, mit dem Emo-Etikett versehen. Auch im Zusammenhang mit dem Nachfolger Left and Leaving im Jahre 2000 wurde das mittlerweile böse three-letter-word oft bemüht, ohne dass es einem übel aufgestoßen wäre.

Die Wandlung des Begriffs "Emo" ins vollends Merkwürdige lag zu diesem Zeitpunkt noch einige Jahre in der Zukunft und die Musik der unter dieser Bezeichnung firmierenden Bands würde man aus heutiger Sicht einerseits als Collegerock (Mineral, Texas Is The Reason oder The Get Up Kids), andererseits als Hardcore – wenn auch in den verschiedensten Ausprägungen – (Hot Water Music, At The Drive-In oder Unbroken) bezeichnen. Dabei lag der Ursprung in Guy Picciottos (später Fugazi) Mittachtziger Dischord-Band Rites Of Spring, die mit ihrem melodischen von persönlichen Texten dominierenden Hardcore oben genannte Fanzines zur Wortschöpfung Emocore inspirierte, was in der Folge dazu führte, fast jede Band, die zum einen über gewisses Popappeal verfügte, zum anderen über Anbindungen zum Hardcore/Punk, was Plattenlabel oder Besetzung anging, als Emo zu bezeichnen.

Dementsprechend nimmt es auch nicht Wunder, dass The Weakerthans, deren Kopf John K. Samson zuvor Bassist bei den Polit-Punks Propaghandi war und die in Deutschland von dem Label B.A. Records der Band ...But Alive (mit dem „Hit“ Ich möchte Illona Christen die Brille von der Nase schlagen) veröffentlich wurden, ins Emofach eingeordnet wurden, was aber schon zur damaligen Zeit der stilistische Bandbreite der Band nur unzureichend entsprach. Immerhin binden The Weakerthans ganz wesentlich Folk und Alternative-Country Elemente in ihren Stil ein und sprengten damit den Rahmen des Emobegriffs, noch bevor dieser dumpfbackigen Kajal-Nu-Metal Bands überlassen wurde.

Indes ähnelt die Erfahrung, The Weakerthans live zu sehen, ziemlich dem, was bei Bands, die noch um die Jahrtausendwende als Emo bezeichnet wurden, auf Konzerten stattfand. Da litt man im Idealfall förmlich mit angesichts all der unter einer Lärmwand begrabenen feinfühligen Melodien oder schöpfte neue Hoffnung aus dahingeworfenen Gitarrenakkorden, die dann doch manchmal eher süß als bitter waren und ganz besonders stellte sich ein Gefühl der Vertrautheit und Intimität ein, auch wenn man die Band zum aller erstenmal sah, das – auch auf die Gefahr pathetisch zu werden – vielleicht mit dem Herzblut zu tun hatte, dass die Musiker in ihr Spiel legten, auch wenn das Publikum aus nicht mehr als 20 Leuten im Keller eines JUZ stattfand. Nebenbei konnte man sich am nächsten Tag in der Schule ganz besonders cool fühlen, weil man ja eine der tollsten Band von der anderen Seite der Welt gesehen hatte, von denen all die blöden Kinder absolut kein Ahnung hatten.

Eben diese besondere Atmosphäre stellte sich auch beim Konzert von The Weakerthans im Karlstorbahnhof ein. Bereits als Samson zunächst alleine die Bühne betrat, um das Konzert mit Bigfoot! vom aktuellen Album Reunion Tour zu eröffnen, konnte man die Spannung und Vorfreude im Publikum beinahe greifen, während Samson eine Aura der Ruhe und Zugänglichkeit umgab, die einen geradezu verleiten konnte, "hallo, wie geht’s?" zu sagen und einen kleinen Schwatz zu beginnen. Gegen Ende von Bigfoot! begab sich der zweite Gitarrist Stephen Carroll auf die Bühne, um Samson während der letzten Takte auf der Pedalsteel-Gitarre zu begleiten und dann mit der gesamten Band und Psalm For The Elks Lodge Last Call das Konzert in Tempo und Lautstärke ganz allmählich zu steigern. Spätestens beim darauffolgenden Civil Twilight wurde deutlich, wie Carroll die Lieder, die auch nur mit einer Akustikgitarre vorzüglich funktionieren würden, mit seinen zerlegten Akkorden und Fills noch einmal deutlich um eine Fülle von Details und Variationen bereichert und wie gut die Band eingespielt ist, sodass sie sich ohne Blicke allein durch den Klang der Instrumente untereinander verständigt. Lediglich der neue Bassisten Greg Smith schien in Einfallsreichtum und Melodiosität nicht ganz an seinen Vorgänger John P. Sutton heranzukommen, womit man aber schon anfängt, das Haar in der Suppe zu suchen.

Ziemlich ausgewogen war die etwa 20 Stücke umfassende Dramaturgie des Konzertes, das das gesamte Schaffen der Band repräsentierte und neben all der ruhigen Momente – darunter eines der traurigsten Lieder, das jemals geschrieben wurde: Virtute the Cat Explains Her Departure – den Bereich vor der Bühne des vollen Karlstorbahnhofs mit Krachern wie Aside oder Confessions Of A Futon-Revolutionist gelegentlich in einen rücksichtsvolle Moshpit verwandelte und mit Plea From A Cat Named Virtute oder The Reason zum Tanzen einlud. Ungewöhnlich außerdem Carrolls Solo in Elegy for Elsabet auf einem elastischen Plastikrohr, das er über seinem Kopf schwang. Von Beginn an wurde jeder Song mit rauschendem Beifall seitens des Publikums quittiert, die Begeisterung in den Augen der Menschen schien mit jedem gespielten Lied um ein Weiteres gesteigert zu werden und vielleicht bei dem ein oder anderen The Weakerthans als neue Lieblingsband zu empfehlen, wenn man nicht schon zu denen gehörte, die Textzeilen wie "I know you might roll your eyes at this, but I'm so glad that you exist" auswendig mitsangen. Ansagen waren kaum nötig, dafür gab ein gut gelaunter Samson zweimal Weingläser ins Publikum, weil er von dessen Geschmack weniger angetan war.

Den Zugabenteil eröffnete Samson wieder alleine mit One Great City und der Catchphrase "I hate Winnipeg", gefolgt von einer extented Version der Hymne Pamphleteer über den unbeholfenen Aktivisten inklusive Pedalsteel-Gitarrensolo und untermalt von Orgelsounds durch einen neuerdings mitmusizierenden Keyboarder, der auch gelegentlich die dritte Gitarrenstimme beisteuerte. Entlassen wurde das Publikum schließlich mit Watermark und dem Gefühl, eines der besten Konzerte in diesem Jahr miterlebt zu haben. Ein Wörtchen noch zu den Vorbands: Zum einen waren das Jonas Goldbaum aus Wien, die ein wenig an Sportfreunde Stiller erinnerten, nur in gut und House & Parish aus Brooklyn, mit ehemaligen Mitgliedern von Texas Is The Reason, The Promise Ring, The Gloria Record und The Love Scene, also eine echte Allstar Collegerockband, die ziemlich zu gefallen wussten und gefälligst auch bald als Headliner auf Tour kommen sollen!

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