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Cat Power © 2012, Jenni Li

Das einzige Stelldichein in Deutschland von Cat Power alias Chan Marshall in Deutschland: Ein Abend, dem viele mit freudiger Aufregung entgegenfieberten, dies aber auch gepaart mit einer gewissen Unsicherheit, was denn wohl zu erwarten wäre. Cat Powers Live-Performances sind nämlich umrankt von Mythen – doch auch diesmal wurde niemand enttäuscht, der sich einfach auf das Bühnengeschehen einließ.

Nur einen Katzensprung entfernt von unserem regioactive-Hauptquartier, im Heidelberger Karlstorbahnhof, gab sich am Freitag Abend Cat Power alias Chan Marshall ihr einziges Stelldichein in Deutschland. Ein Abend, dem viele mit freudiger Aufregung entgegenfieberten, dies aber auch gepaart mit einer gewissen Unsicherheit, was denn wohl zu erwarten wäre. Cat Powers Live-Performances sind nämlich umrankt von Mythen – doch auch diesmal wurde niemand enttäuscht, der sich einfach auf das Bühnengeschehen einließ.

Eine erste Überraschung bot jedoch ein kleiner Hickhack um den Support-Act des Abends. Angekündigt war der regionale Act Get Well Soon, was der Delta-Connection-Philosophie des Bandsupports entsprechen sollte. Doch bereits der verwirrenden Konzertankündigung in einem der lokalen Veranstaltungshefte konnte man die Konfusion entnehmen: Einmal wurde Dexter Romweber als Support ausgegeben, dann wieder Get Well Soon – und das auf einer einzigen Heftseite. Wie sich pünktlich um 21.30 Uhr herausstellte, war Romweber dann der tatsächliche Support des Abends. Den Lapsus nahm den Aussagen von Get Well Soon-Musikern das Tourmanagement auf seine Kappe.

Dexter Romweber lies es sich nicht nehmen, seinem Motto "Saving Rock and Roll, one song at a time" entsprechend Geltung zu verschaffen. Bluesrock, ganz dirty but loud, gestemmt von Romweber an Gitarre und Vocals und seiner Schwester an den Drums. Was bei Bands wie den Yeah Yeah Yeahs und den White Stripes ganz gut funktioniert, nämlich der Verzicht auf ein ordentlich dröhnendes Bassfundament, hinterließ bei diesem Duo und ihrem etwas "klassischeren" Stil dann doch eine klaffende Lücke. Zu gut kennt man diese Art der Gitarrenlicks, zu gut die typischen Vocals, als dass man den Gig als erfrischend neu hätte wahrnehmen können. Dennoch: Unbestreitbar ist, dass Dexter Romweber ordentlich zu rocken versteht und dies mit einer extravaganten und von hektischen Zuckungen geprägten Stageshow zu paaren vermag. Nicht umsonst erklärt ihn auch Jack White zu einer seiner wichtigsten Einflussgrößen – doch der alternative Bluesrock ist mittlerweile auf seiner nächsten Evolutionsstufe angekommen. Als Opener für eine Musikerin, die eher auf leisen und sensiblen Songgebäuden daherkommt, erwies sich das Blues-Duo somit leider als zumindest fragwürdige Besetzung.

Was man doch Cat Power alles nachsagt: Auf der Bühne sei sie zerbrechlich, Songs würden ab- und sie selbst des öfteren weinend zusammenbrechen, sie sei quasi seelisch entrückt und verstehe es ob ihrer Unsicherheiten nicht, das Publikum für sich einzunehmen. Nun, da mag durchaus etwas dran sein, jedoch beziehen sich diese Annahmen wohl auf Chan Marschalls Soloauftritte mit Gitarre oder hinter dem Klavier. Auf dieser Tour spielt sie mit Musikern, über die sie im Laufe des Abends mehrmals sagte "I love this band": Die Dirty Delta Blues Band, die sich zusammensetzt aus Greg Foreman, Eric Papparozzi, Judah Bauer (u.a. Jon Spencer Blues Explosion) und Jim White, der bereits für das Album Moon Pix mit Marschall gearbeitet hatte. Seit Ende des vergangenen Jahres ist dies die Cat Power Stammband, nachdem zuvor die viel größer besetzte Memphis Rhythm Band den musikalischen Teil des Wandels von Marshall begeleitete. Auf The Greatest gesellten sich so Bläser, Saxophon, Orchester und Country-Instrumente zum ehemals sparsamen Sound der Songwriterin. Auch einen persönlichen Wandel zeichnet die jüngere Vergangenheit von Chan Marshall aus: Eine erfolgreiche Entziehungskur vom Alkohol und Behandlung ihrer Depressionen, erfolgreiche Auftritte in Filmen, auf Soundtracks und Abstecher in die Modewelten – so ist z.B. Karl Lagerfeld wohl ein echter Fan - stärkten ihr Selbstbewusstsein.

All dies war zu spüren und zu erleben auf ihrem einzigen Deutschlandkonzert. Musikalisch präsentierte Cat Power ein Set, das einen Mix von Songs ihrer Covers Record, The Greatest und einem Cover Album, an dem sie derzeit arbeitet, präsentierte. "I love singing songs that I love. Even when I was younger, nervous, uncomfortable and emotionally disabled, I always felt more freedom singing covers because it's not really my material" sagte sie kürzlich in einem Interview mit dem Papermag. Das ganze Material mit den absolut überzeugenden Eigeninterpretationen von den Stones angefangen, über Hank Williams bis Aretha Franklin und Otis Redding, präsentierte Chan Marshall und ihre Band nahezu nahtlos mit direkten Übergängen von einem Song in den nächsten. Nur ein oder zwei Mal blieb Platz für eine kurze Ansage an das Publikum. Kein Platz blieb indes für ihre Indie-Klassiker: Kein I don't blame you, kein He War, kein Say. Statt dessen lies der Mann an den Tasten das Publikum wissen, was es an diesem Abend erleben durfte: "The Greatest Soul-Singer in the World today". Gut, in dieser Einschätzung schwingt sicher ein Schuss egozentrischer Übertreibung mit, doch Marshalls Stimme ist tatsächlich von einer eindringlichen Tiefe, die sich in einer Riege mit anderen großen Sängerinnen nicht zu verstecken braucht. Direkte Vergleiche wären jedoch unangemessen, denn bei all den durch Marshall verarbeiteten Einflüssen aus Folk, Soul, Blues, Country und Rock bleibt es doch ihr unverwechselbarer und eigenständiger Charakter, der die Zuhörer in seinen Bann zieht.

Von Zerbrechlichkeit und überbordender Nervosität war an diesem Abend nur wenig zu spüren. Die solide und gut eingespielte Band trug Chan Marshall durch den Abend. Einzig eine gewisse Lichtscheuheit könnte man ihr nachsagen. Die dunklen Ränder der Bühne scheinen ihr am besten zu liegen, durch die Bühnenmitte huscht sie halb gebückt allenfalls schnell hindurch. Viel über die Außen, wäre wohl Jürgen Klopps Analyse und die graphische ZDF-Laufwege-Darstellung würde dies mit gelben Linien und Kringeln nur bestätigen können. Erst bei The Greatest legt sie ihr Handmikro ab und widmet sich dem mittig im Ständer platzierten Mikrofon – ausgerechnet in diesem Fall ein Fehler, denn wie sich herausstellte versagte hier die Technik und Marshalls Stimme drohte unterzugehen. Das Handmikro verschaffte ihr zudem mehr Freiraum mit dem Publikum zu interagieren, sei es durch Gesten, durch Zigaretten-Tausch oder das Entgegennehmen eines Blumenstraußes. Erst bei den Zugaben versteckte sich Cat Power teilweise gänzlich in einem kleinen Nebenraum der Bühne. Dann war sie schließlich ganz weg. Hoffentlich nicht für lange ...

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