Das Berliner Duo Mittekill veröffentlichte im April dieses Jahres sein drittes Album "All but bored, weak and old". Wir trafen Friedrich Greiling zum Interview.

Das Berliner Duo Mittekill veröffentlichte im April dieses Jahres sein drittes Album "All but bored, weak and old". Wir trafen Friedrich Greiling zum Interview. © Christoph Mack

Ob als DJ, Theatermusiker oder Mitglied von Die Bäume sowie Mittekill – Friedrich Greiling ist omnipräsent in vielen Bereichen der Kunst. Mit Mittekill, das er zusammen mit Jan Hohmann vor einigen Jahren gegründet hat, veröffentlichte der Berliner Musiker unter dem Namen "All but bored, weak and old" vor kurzem sein drittes Album. Unser Redakteur traf Friedrich Greiling in Berlin und sprach mit ihm über sein neues Werk, den Bandnamen und die Wertschätzung der Musik bei Fans und Portale wie Youtube.

regioactive.de: Deine Band heißt Mittekill? Für was steht dieser Name?

{image}Friedrich Greiling: In Berlin denken viele bei dem Begriff natürlich gleich an Berlin-Mitte, aber der Begriff unterliegt eigentlich keiner Endaussage oder Interpretation. Mittekill hat zwar den Anspruch Hits zu schreiben, doch Mittekill bietet noch viele weitere Facetten im musikalischen Bereich. Auch wenn ich als Mittekill einen eigenständigen Sound kreieren will – aus Mittekill speise ich die Ideen für all meine Projekte. Ich habe mich immer gerne an allen möglichen Dingen versucht, aber konnte das leider nie in einem einzigen Projekt bündeln. So mache ich noch als Freedarich Techno. Bei Die Bäume wiederum wird Country mit Disco-Sound vermischt. Und für das Theater schreibe ich auch Musik. Die Musik aller Projekte bündelt sich dann bei Mittekill. Es beeinflusst einerseits alle Projekte, andererseits saugt es alle Ideen aus allen Projekten auf. Wenn ich es mir genau überlege, dann bezieht sich der Titel doch ein wenig auf Berlin. Ich bin gerne in Berlin, weil ich genauso dezentralisiert bin. Wie ich viele Projekte habe, gibt es in Berlin auch viele Zentren und Gemeinschaften. Viele ziehen zwar nach Mitte, aber ich finde es ist eine Illusion zu denken, dass es hier schöner oder besser als anderswo zu leben ist.

Hat der Begriff "Mittekill" nicht etwas Radikales in sich?

Friedrich: Doch, schon. "Mitte" steht für mich für Popmusik, während das Wort "Kill" knallharten Rock impliziert.

Bist du eher ein radikaler Mensch?

Friedrich: Um es mit einer Metapher zu beschreiben, schwimme ich zwischen vielen Polen. Aber irgendwann bündelt sich alles und ich komme zum Punkt. Eigentlich bin ich aber ein ganz normaler, zarter und schüchterner Mensch. Vielleicht wird das Radikale in meinem Wunsch sichtbar, als Randexistenz einen Pfeil von ganz weit draußen ins Schwarze zu treffen. Ich suche immer Menschen, für die es kein musikalisches Ventil gibt. Die Menschen, die noch einmal etwas ganz Neues versuchen oder ausprobieren wollen. Dinge, die weit weg erscheinen, aber einen dann doch tiefer berühren als man denkt.

Auf deinem Album bekommt man mal poppige, dann elektronische Songs, aber auch Neue-Deutsche-Welle-Sound zu hören. Aber wie würdest du deine Musik in eigenen Worten beschreiben?

Friedrich: Die Kombination von Lyrics und Musik ist mir genauso wichtig wie die Ansprache von provozierenden Themen, die aber in aller Lautstärke bescheiden und menschenfreundlich klingen. (lacht) Menschenfreundliche elektronische Musik – gibt es das überhaupt? Vielleicht ist chirurgischer Elektro ein besserer Begriff dafür.

Im Song Jobs singst du: "Ich will diese Jobs nicht". Ist dies eine Anspielung darauf, dass man als Musiker heute nur noch schwer Geld verdienen kann und wenn, dann braucht man einen Nebenjob, den man eigentlich gar nicht möchte?

{image}Friedrich: Das beschränkt sich nicht nur auf Musiker. Jeder hat zu einem bestimmten Zeitpunkt im Leben keine Lust auf seinen Job. Und auch ich als Künstler oder Musiker habe nicht immer Lust auf diesen Exhibitionismus beim Videodrehen oder andere Dinge im Musikerleben. Umso aberwitziger ist es aber dann, dass ich das negiere und daraus einen Song mache. In erster Linie steht hier die Aussage im Raum, dass jeder Mensch zu bestimmten Zeitpunkten in seinem Leben keinen Bock auf seinen Job hat. Ob es hochqualifizierte Tätigkeiten oder Ein-oder Zwei-Euro-Jobs sind. Hier arbeiten Synergien zusammen, die man selbst jeden Tag erlebt.

Was sagst du zu Sven Regeners Wutrede vor einigen Monaten, dass man heute als Musiker durch Portale wie Youtube, die kostenlos die Musik anbieten, kein Geld mehr verdienen kann?

Friedrich: Es klingt vielleicht langweilig, aber ich kann ihn voll verstehen, da ich der selben Meinung bin. Ich frage mich, warum sich manche wegen 2 Euro Eintritt an der Kasse vor einem Club streiten. Warum ist man es sich nicht wert, für eine gute Veranstaltung einen angemessenen Preis zu zahlen? Andererseits muss man bei dieser Kritik bedenken, dass Sven Regener sein Standbein natürlich schon hat und es so leichter ist, Kritik öffentlich zu äußern. Er hat seine Fangemeinde und ich bin mir sicher, dass er von seiner Musik auch gut leben kann. Meiner Meinung nach tut er das auch völlig zurecht. Dennoch brauchen viele Bands das Internet, um erst einmal eine Fangemeinde bilden zu können. Ich brauche es ja auch. Meine Videos kann man zum Beispiel auf Youtube sehen, ohne dass ich darauf hoffen kann, dass sich daraus ein finanzieller Vorteil für mich ergibt. Natürlich will ich Geld für meine Arbeit bekommen, aber ich muss trotzdem auch im Internet präsent sein, damit überhaupt jemand auf mich aufmerksam wird.

Jedoch muss man als Künstler oder Musiker seinen eigenen Wert wieder neu entdecken und da tut Sven Regeners Meinung wirklich gut. Denn was durch die wenigen Klicks auf den verschiedenen Portalen an Profit für einen selbst rauskommt, das ist einfach sehr mager. Es geht um die generelle Wertschätzung. Ich finde es auch gut, dass er meint, dass Rock'n'Roll auch bedeuten soll, dass man als Musiker mit Geld supportet wird und die Fans die Musik nicht klauen sollen. Mit den ganzen Kaufportalen wie iTunes funktioniert das eigentlich gerade ganz gut. Durch seine Berühmtheit kann Sven Regener natürlich sagen, dass er auf Youtube verzichtet, aber ich kann auch die andere Seite verstehen – zu der ich mich zähle – die sagt, dass Youtube die ganze Musik freischalten soll, damit man als Künstler Aufmerksamkeit bekommt.

{image}Dein Album und ein Song daraus heißt All but bored, weak and old. Auf dem Plattencover ist eine verwelkte Blume zu sehen. Wie vergänglich ist für dich die Zeit?

Friedrich: Die Blume ist sehr schön inszeniert und hat hier eine hohe Relevanz. Letzteres war übrigens auch der Arbeitstitel des Albums. Der Song soll die Tatsache festhalten, dass für viele alles immer aufgeblasen, geil und stylisch sein muss. Anfangs wollte ich in dem Song eigentlich nur Kauderwelsch singen und habe mir dafür vorgestellt, dass ich ein Folk-Musiker wäre und durch Amerika tingeln würde. Deshalb ist der Song einer der wenigen auf Englisch gesungenen Songs. Doch dann hat sich die Atmosphäre des Songs aufgeladen und er klang plötzlich explosiv. Das fand ich super. Denn die Zeit schreitet durch das Internet immer schneller voran und die ständigen Sensationen führen dazu, viele Dinge zu plakativ zu sehen. Ich wollte nicht alles klar auf den Punkt gebracht haben und wählte deshalb auch diesen langen Albumtitel. Wir befinden uns in einer Welt ständiger Trendwechsel. Umso schneller die Zeit an einem vorbeirast, umso mehr spürt man, wie panisch und hysterisch man ständig nach Neuem giert und wie oberflächlich die Suche danach eigentlich ist. Da wird deutlich, wie stark man eigentlich am Kapitalismus zweifelt.

In einem Song wünschst du dir Drei Tage Stromausfall. Was würdest du tun, wenn drei Tage der Strom ausfallen würde?

Friedrich: Ich würde wahrscheinlich mit meiner Liebsten auf der Straße spazieren gehen und die Menschen beobachten. Mit dem Song äußere ich den Wunsch, die Welt auf eine bestimmte Art und Weise zu retten. So absurd das auch klingt. Ich würde mich freuen, dass die Welt wieder zu sich findet und ein bisschen vom "Strom" runterfährt und dabei entspannt.

Im Video zu Schlange versuchen Zombies ja auch die Welt auf eine gewisse Weise zu ordnen, indem sie sich der Welt bemächtigen. Was wolltest du in diesem Musikvideo zeigen?

Friedrich: Ein Freund von mir ist schon seit langem Horrorfilmfan und filmt gerne im Ruhrgebiet. Der Song handelt von einem Häutungsprozess in einer Beziehung und wie man damit umgeht, wenn sich diese Beziehung von Grund auf verändert. Wie können die beiden Partner dann noch Freunde bleiben? Das Video zeigt, wie dieses Vertrauen in einem postfreundschaftlichen Verhältnis gebrochen wird. Die Zombies häuten sich und wo vorher noch ein enger Zusammenhalt war, kommen nun die Monster aus den Menschen hervor. Man fühlt sich innerlich eingeschlossen, gleichzeitig ist aber jemand für einen da. Gerade als junger Mensch hat man in einer Beziehung eine ähnliche Konstellation. Obwohl in einem immer wieder die dunklen Momente durchbrechen, hat man jemand an seiner Seite, mit dem man das teilen und verarbeiten kann. Als Mensch häutet man sich ständig. Ich wollte die Schlange im Menschen aber nicht dämonisieren.

Vielen Dank für dieses Interview!