Boy (live im Karlstorbahnhof, Heidelberg, 2011): Begleitet von vier Mitmusikern verzaubern Boy den ausverkauften Karlstorbahnhof von der ersten Sekunde an.
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Boy (live im Karlstorbahnhof, Heidelberg, 2011): Begleitet von vier Mitmusikern verzaubern Boy den ausverkauften Karlstorbahnhof von der ersten Sekunde an. Foto: Jan Wölfer © regioactive.de

Ob Valeska Steiner und Sonja Glass damit gerechnet haben, dass in jedem Interview die erste Frage ist, warum sie sich Boy nennen, obwohl sie doch Frauen sind? Anscheinend ist es mal wieder Zeit Van Morrisons "Summertime In England" zu zitieren, in dem der Meister mantra-artig "It ain’t why – it just is" wiederholt. Und es ist gut so wie es ist. Sehr gut sogar. Begleitet von vier Mitmusikern verzaubern Boy den ausverkauften Heidelberger Karlstorbahnhof von der ersten Sekunde an.

{image}Als Vorprogramm erzielen Jack Beauregard mit ihrem 80er-Retropop anerkennenden Applaus – ob es dem Umstand geschuldet ist, dass Sonja Glass sie persönlich ansagt, oder dass ihr zu Großteilen aus dem iBook kommender Sound den Geschmack des Publikums trifft, bleibt ungewiss. Auf jeden Fall präsentieren sie sich als sympathische junge Männer, die genauso aussehen wie die jungen Männer vor der Bühne, jedoch das Glück haben auch hinter die Bühne zu dürfen. Diese wird optisch dominiert von einem großen hellen Stoffballon, der abwechselnd von innen und außen beleuchtet wird. Das gediegene Ambiente wird durch insgesamt zehn große Glühbirnen auf Sockelständern abgerundet. Dazu gesellen sich auch noch vier schwarz gekleidete Herren an den Instrumenten und nach einer Minute voller Spannung kommen Sonja Glass und Valeska Steiner alias Boy dann auf die Bühne und steigen mit Drive Darling ein.

{image}Die Arrangements der Band sind den Songs perfekt maßgeschneidert, der Sound hervorragend und das Publikum vom ersten Lied an begeistert. Valeska schließt beim Singen oft die Augen und muss zwischendurch viel lachen, wobei sie dann auch die Augen zusammenkneift. Wenn sie dann aber mal die Lider öffnet, strahlt ihr Blick vor echt empfundener Freude an dem Musizieren vor der begeisterten Menge. Sonja, die zunächst Bass spielt, kann die Augen nicht so oft schließen, wirkt aber im Kontakt mit dem Publikum und ihrer Bandpartnerin ebenso glücklich. Die Emotionen, die die beiden in diesen Momenten ausstrahlen, in Verbindung mit der natürlichen Anmut ihres Äußeren, haben einen nahezu selig machenden Effekt.

{image}Dennoch soll hier die Würdigung der gebotenen Musik nicht zu kurz kommen. Boys Debütalbum Mutual Friends besteht aus 12 Songs. Und genau diese stellen das Repertoire dar. Wer jetzt denkt, das sei zu wenig, dem sei gesagt, dass dem nicht so ist. Da wo das Retortenplayback von Jack Beauregard eine Limitierung darstellt, können Boy mit ihrer exzellenten Band zusätzlich punkten. Sonja wechselt von Bass zu Gitarre und zurück, Valeska spielt Gitarre und bei einem Lied auch Melodica, während ihre Band den Liveversionen noch den letzten Kick gibt. Nach 60 Minuten sind die besagten 12 Songs dann gespielt und der Karlstorbahnhof liegt ihnen zu Füßen. Wer die Deluxe-Edition von Mutual Friends sein Eigen nennen darf, weiß bereits, dass die beiden auch in akustischen Versionen, nur zu zweit dargeboten, eine gute Figur abgeben. So kommt das Publikum dann in den Genuss Skin und Drive Darling noch einmal in reduzierter Version zu hören.

{image}Zum Abschluss kommt die gesamte Band zur Verbeugung auf die Bühne. Die Freude, die man in ihren Gesichtern sehen kann, sollte man aufsaugen. Sowas bekommt man wirklich nur in bestimmten Phasen einer Karriere zu sehen – später wird die Gewohnheit ihren Tribut fordern – ein zwangsläufiger Prozess, der aber nicht nur negative Seiten hat: Boy haben das Potential zu weiteren, musikalisch vielversprechenden, großen Schritten. Und: Man hat die Gelegenheit sie jetzt noch so zu erleben. Macht Gebrauch davon, sowas ist einmalig!

Setlist

Drive Darling | Waitress | Oh Boy | Army | Boris | Skin | Railway | July | This Is The Beginning | Silver Streets | Little Numbers

Waltz For Pony | Skin (Acoustic) | Drive Darling (Acoustic)

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