Jens Friebe

Jens Friebe © Jens Friebe

Seit seinem 2004 veröffentlichten Debütalbum "Vorher Nachher Bilder" gilt Jens Friebe als Geheimtipp unter den deutschen Popmusikern. Nun hat der aus Lüdenscheid stammende und ebenfalls als Journalist und Schriftsteller arbeitende Wahlberliner mit "Abändern" sein viertes Album veröffentlicht. Unser Redakteur Daniel Voigt traf ihn in Berlin und sprach mit ihm über sein neues Album, gemeinsames Zuhause bleiben, alleiniges Weggehen und Ronald M. Schernikau.

{image}regioactive.de: Dein neues Album heißt Abändern. Wie kamst du auf den Titel und was bedeutet dieser für dich?
Jens Friebe: Es gibt auf dem Album eine Coverversion von den Vengaboys namens Up & Down. Als ich mir den Song damals im Original anhörte, klang das gesungene "up and down" für mich wie der Begriff Abändern. Und da ich es außerdem schön fand, dass dem Begriff eine gewisse Vorstellung von Weltverbesserung zugrunde liegt, wählte ich Abändern als meinen Albumtitel. "Up & down" beschreibt für mich etwas Kreisförmiges und Abändern verweist auf einen möglichen Fortschritt.
Wo siehst du Fortschritte in der Zukunft?
Jens: Ich sehe den Fortschritt so, wie man es klassischerweise als Linker sieht. Ich erhoffe mir Fortschritte hin zu einer gerechteren, besser organisierten Welt.

Was hat den Ausschlag gegeben, dass du auf deinem neuen Album besonders das Klavier in den Mittelpunkt gestellt hast?

{image}Jens: Meine Überlegung war, dass ich mit möglichst wenig Aufwand etwas mache, was nicht unbedingt nach dem klassischen Indierock klingen sollte. Wir hatten anfangs geplant, dass Chris Immler, der Schlagzeuger, und ich die Grundspuren zusammen live einspielen und dann nur noch das Nötigste an Effekten dazu tun. Doch manchmal ist das Nötigste dann doch mehr, als man denkt. Aber ich glaube, die Grundidee, dass das eigentlich eine relativ spontan eingespielte Sache werden sollte, hört man dennoch heraus. Und ein weiteres Dogma war eben, dass wir möglichst wenig Gitarren benutzen wollten.

Warum?

Jens: Weil ich mich ein bisschen an Gitarren überhört habe. Es ist einfach, auf einem Konzert eine verzerrte Gitarre zu spielen, aber ich finde es eigentlich interessanter, wenn man es auch mal ohne macht. Allerdings wurde dieses Dogma ja auch nicht ganz eingehalten.

Liegt der Grund dafür auch in den ganzen Gitarrenschrammelbands, die heute in Massen existieren?

Jens: Ja, man ist ja auch selbst mit solchen Bands aufgewachsen. Ich denke da nur an Sonic Youth, Wedding Present oder die Pixies, um nur mal ein paar Gruppen zu nennen. Die hat man natürlich immer im Ohr und die Musik ist natürlich wahnsinnig angekommen, aber hinsichtlich ihrer Möglichkeiten ist sie auch unglaublich ausgereizt. Deswegen wollte ich aus diesem abgenutzten Klangbild, was sich immer einstellt, wenn man Gitarren benutzt, rauskommen. Allerdings ist das Klavier natürlich auch immer sehr für das Balladenartige und das Ruhige abonniert. Und so wollte ich auch das gerne ändern und dieses Instrument in eine Art Rock'n'Roll-Klavier umfunktionieren.

Welche Bands haben dich beeinflusst?

Jens: Mich hat vor allem die englische Sparte des Indiepops beeinflusst. Bands wie Wedding Present, Television Personalities, There Might Be Giants, The Fall oder Rufus Wainwright. Mit letzterem habe ich mich am intensivsten beschäftigt.

Da du auch journalistisch über Musik schreibst: Wie würdest du deine Musik in eigenen Worten beschreiben?

Jens: Ich bin froh, dass ich das in dem Fall Journalisten überlassen kann. Denn auch wenn man Journalist ist, in Bezug auf mich selbst bin ich keiner. Als Frisör schneidest du dir auch niemals die Haare selbst.

Du hast Philosophie und Musikwissenschaft studiert. Inwiefern hat das Studium die Herangehensweise an das Schreiben von Texten und das Schaffen von Musik beeinflusst?

Jens: Ich glaube, dass alles, womit man sich beschäftigt, grundsätzlich das beeinflusst, was man tut, aber oft auf Wegen, die für einen selbst nicht einsichtig sind. Es gibt in der Musikwissenschaft Seminare, in denen man sich mit Popmusik beschäftigt, aber es hat mich ehrlich gesagt nicht so interessiert. Wenn ich mich wissenschaftlich mit etwas beschäftige, dann lieber mit was anderem. Vielleicht habe ich mehr Sachen gehört, die ich sonst nicht gehört hätte und vielleicht haben die Kunstlieder, mit denen ich mich sonst nicht beschäftigt hätte, in irgendeiner Weise auf die Komposition abgefärbt, aber bewusst kann ich das nicht sagen.

Wie beeinflusst deine journalistische Arbeit das Musikmachen und wie beeinflusst umgekehrt das Musikmachen deine journalistische Arbeit?

{image}Jens: Ich glaube, dass ich als Journalist beim Songwriting stärker auf das Handwerk achte. Allerdings muss man auch immer die Frage stellen, wie viel Kapital man daraus schlagen kann. Denn wenn man Dinge zu theoretisch analysiert oder formuliert, dann wollen es die meisten Leute nicht mehr lesen. Eigentlich müsste man es aber dennoch öfter mal versuchen. Wenn man zum Beispiel bei Rufus Wainwright beschreiben soll, was daran das Außergewöhnliche und Besondere ist, dann kann man bei ihm eigentlich gar nicht so sehr über das Klangbild oder den Ausdruck schreiben, sondern es sind kompositorische Sachen, die die Musik und ihn besonders machen. Solche Musik müsste man musikwissenschaftlich analysieren, aber ich glaube, es wird im Journalismus schwer durchzukriegen sein. Andersherum denke ich nicht, dass die Journalistentätigkeit das Songschreiben groß beeinflusst. Ich glaube, jeder Musiker macht sich, ohne dass er es mitteilt, Gedanken über Songwriting und die Ästhetik und versucht das dann auch umzusetzen. Der Unterschied zum Musikjournalisten ist nur der, dass er das nicht mitteilt.

Ein Song auf deinem Album heißt Theater. Was liebst du am Theater? Und da der Song darum geht, dass man nicht immer überall hingehen muss, möchte ich dich fragen: Willst du mit diesem Song das Zuhause bleiben feiern?

Jens: Es ist eine Feier vom gemeinsamen Zuhause bleiben vor dem Hintergrund des ständigen Ausgehens. Es ist darin aber kein Dogma versteckt, das für das allgemeine und generelle Zuhause bleiben plädiert.

Was machst du am liebsten? Bleibst du lieber zuhause oder gehst du lieber aus?

Jens: Ich gehe gern aus und manchmal bleibe ich gern zu Hause. In Berlin geht man ja eigentlich sehr viel aus und ab und zu gibt es dann Momente, wenn man merkt, dass man das alles eigentlich gar nicht machen muss. Es gibt hier ja eh jeden Tag etwas zu erleben. Deswegen kann man auch mal das Zuhause bleiben feiern. Ich glaube, in einer Stadt, wo nichts los wäre, wäre Zuhause bleiben für mich allerdings eine Strafe.

Ein anderer Song heißt Sei Mein Plus Eins. Da geht es darum, dass man gemeinsam weggeht. Was hältst du davon, alleine wegzugehen und sich zum Beispiel auch mal alleine in eine Bar zu setzen?

Jens: Ja, das mache ich auch. Für mich hat das in gewisser Weise eine melancholische Qualität. Ganz alleine in eine Disko zu gehen fällt mir allerdings schwer. Dennoch ist es aber kein Paar-Song, sondern es geht darum mit x-beliebigen Personen wegzugehen. Und es reflektiert auch die härter gewordene Türpolitik und den Kampf ums Reinkommen in Clubs. Aber ich finde es auch interessant, alleine wegzugehen. Dafür muss man allerdings in sich selbst ruhen und man darf nichts erwarten. Das einzig Schwierige am alleinigen Weggehen ist, dass man dann Leute treffen kann, die man nicht gut genug kennt, um zu sagen, dass man eine Clique ist, aber auch nicht sagen kann, dass man sie überhaupt nicht kennt. Da ein Verhältnis zu finden ist schwierig.

Ein weiterer Song heißt Königin im Dreck. Da beziehst du dich auf den homosexuellen Dichter Ronald M. Schernikau, der durch sein Hauptwerk "Legende" bekannt wurde. Was hat dich an diesem Dichter begeistert, dass du ein Zitat aus einem seiner Gedichte als Titel für deinen Songs ausgewählt hast?

{image}Jens: Ich bin begeistert, was er für Sachen zusammenbringen wollte. In den Biographien wird er ja immer als der schwule Kommunist gesehen. Das klingt zwar nach BILD-Niveau, aber es zeigt auch, dass er den schwulen Aktionismus mit ernsthafter kommunistischer Parteiarbeit versucht hat zusammenzubringen. Übrigens war er ja der letzte Bundesbürger, der sich in die DDR hat einbürgern lassen, obwohl er, was er als schwuler Popstar darstellt, so überhaupt nicht dem Menschenbild gerecht wurde. Und so eine produktive Synthesearbeit, die ich eben beschrieb, gibt es bei ihm eben auch immer in den Texten. So versucht er zum Beispiel in Lenin by Warhol Andy Warhol mit Lenin zusammenzubringen und dies für eine sozialistische Ästhetik zu gewinnen. Oder wenn er sich fragt, wer besser ist: Heiner Müller oder Marylin Monroe. Dann versucht er das Linksradikale zu glamourisieren und einen Ton zu finden, der sich absolut nicht mit der bestehenden Ordnung abgibt.

Ein weiterer Song von dir heißt Charles de Gaulle. In diesem Song geht es um das Trennen. Was ist so schwer daran, sich von etwas oder jemanden zu trennen?

{image}Jens: Ich glaube, Begriffe und Personen sind zwei ganz unterschiedliche Dinge. Dass Sachen, die großartig begonnen haben und die unheimlich viel versprachen, vorbeigehen ist natürlich entsetzlich traurig. Und es ist immer eine vorweg genommene Angst vor dem Tod und eine melancholische Einsicht in die Tatsache, dass alles irgendwann vorbeigeht. Der Charles de Gaulle-Flughafen ist als Bauwerk dafür natürlich auch ein ganz gutes Beispiel, da er noch aus einer Zeit stammt, in der man dachte, dass man ja eine futuristische Architektur-Epoche einleiten könnte. Aus heutiger Sicht erinnert man sich jetzt aber an einen wahnsinnig gealterten, schlechten Bau. Aber trotzdem liebt man diese vergammelte Sciencefiction darin auch irgendwie. Ähnlich ist es vielleicht auch mit einer grandios gescheiterten Liebe. Einerseits hört man nie auf, sich an das, was es hätte sein sollen, zurückzuerinnern, aber trotzdem weiß man, dass es jetzt nicht mehr funktioniert.

Du singst vornehmlich auf Deutsch. Warum und was siehst du für Vorteile gegenüber deutschen Musikern, die auf Englisch singen?

Jens: Der Hauptvorteil ist, dass ich die deutsche Sprache einfach besser als die englische Sprache beherrsche. Ansonsten hat es auch noch den Vorteil, dass die Leute in Deutschland bei deutschen Texten wahrscheinlich mehr auf den Inhalt hören, als sie es sonst tun würden. Aber es hat natürlich den großen Nachteil, dass es im Ausland sehr schwierig ist, sich dort zu etablieren.

Dann vielen Dank für dieses Interview!

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