Nick Cave (2022)

Nick Cave (2022) © Jason Williamson

Es ist heiß, aber Nick Cave bleibt cool. Bei seinem Konzert im Schlosshof Rastatt beweist der Australier, dass er auch unter erschwerten Bedingungen in der Lage ist, ein Konzert durchzuziehen und die schwitzenden Zuschauer zu begeistern.

Eigentlich könnten die Bedingungen im Schlosshof Rastatt nicht unpassender für ein Nick Cave-Konzert sein.

Die extreme Sommerhitze bei Temperaturen von mehr als 35°C bringt nicht nur die Musiker und alle anderen Beteiligten ins Schwitzen, sondern auch die Zuschauer, die eigentlich nur ruhig herumstehen (wenn sie nicht gerade applaudieren oder jubeln). 

Ohne Dunkelheit, mit Sakko

Außerdem wird schnell klar, dass die Dunkelheit ein wichtiger Faktor eines Auftritts von Nick Cave ist, denn sie durchzieht seine Musik wie ein roter Faden. Darauf müssen die Zuschauer und der Performer selbst während seines zweieinhalbstündigen Auftritts weitgehend verzichten.

Aber Nick Cave lässt sich nicht beirren und zieht sein Programm durch. "Das Sakko bleibt an", verkündet er entschlossen und weiß, dass diese Entscheidung seinen Verbrauch an Handtüchern im Verlauf des Abends nicht reduzieren wird. 

Der Fächer und der Junge

Auf den Videoscreens ist zu sehen, wie der Schweiß in Strömen auf seinem Gesicht herunterrinnt. Manchmal greift er sich einen Fächer aus dem Publikum, um sich Luft zuzufächeln.

Der Höhepunkt ist erreicht, als ein auf den Schultern seines Vater sitzender Junge, der auch noch ein Bad Seeds-T-Shirt trägt, den Fächer bekommt, um Cave etwas Kühlung zu verschaffen.

Hautkontakt

Musik wurde übrigens auch gespielt. Cave beginnt den Abend mit drei Hochtempo-Nummern, um das Publikum an diesem Abend gleich richtig in Wallung zu bringen. Vor allem "From Her to Eternity" besitzt so viel Power wie an dem Tag, an dem der Song geschrieben wurde.

Typisch für Cave sind die Publikums-Beschwörungen und Verbrüderungen. Die Zuschauer in den ersten Reihe erhalten eine Menge Gelegenheit, mit ihrem Idol auf Tuchfühlung zu gehen. Häufig beugt sich Cave nach vorne in die Menge und wird von den Händen seiner Fans gestützt. 

Liebeslieder und Tragödien

Nach dem energiereichen Auftakt folgt ein längerer Teil mit langsameren Songs von seinen letzten Alben. Diese stellen unter Beweis, auf welch hohem Niveau Nick Cave immer noch Musik schreibt. "Jubilee Street" zählt längst du den unumstrittenen Cave-Klassikern und bietet ihm die Gelegenheit in die abschließenden Zeilen "I'm transforming, I'm vibrating I'm glowing, I'm flying" mit voller Leidenschaft zu singen.

"Bright Horses" kombiniert ein Liebeslied mit eher düsteren Pferde-Metaphern mit pessimistischen Beobachtungen über die Menschen. Ansonsten fällt auf, dass viele der neuen Songs Liebeslieder sind, vielleicht eine Folge der persönlichen Tragödien, die Nick Cave und seine Frau in den letzten Jahren bewältigen mussten.

Im anschließenden Klassikteil schickt Cave die unzerstörbaren Schlachtrösser an den Start. Zum überlangen "Tupelo" hätte es vielleicht bessere Alternativen gegeben, aber "Red Right Hand" mit den prägnanten Glockenschlägen lässt jedes Mal das Blut in den Adern gefrieren.

"Henry Lee" singt Cave gemeinsam mit einer Backgroundsängerin, welche die Rolle von PJ Harvey ganz ausgezeichnet übernimmt. 

Ich und Warren, Warren und ich

Stark ist auch der Abschluss mit den epischen "Higgs Boson Blues" und "White Elephant", das auch von "Murder Ballads" hätte stammen können, in Wirklichkeit auf Caves letztem Album mit Warren Ellis erschienen ist. Ach ja, Warren Ellis.

Er ist fraglos Caves wichtigster Bezugspunkt und sein engster musikalischer Partner, was sich auch auf der Bühne zeigt, den Cave würdigt ihn mit mehr Aufmerksamkeit als die ganze übrige Band zusammengenommen.

Zugaben mit Klassikern und Obskurem

Die Zugaben eröffnet Nick Cave mit "Into My Arms", einem weiteren unzerstörbaren Klassiker. Spannender ist allerdings "Vortex", eigentlich eine B-Seite, der sich nach seiner Single-Veröffentlichung – vielleicht wegen seines Mitsing-Refrains – zu einem Fan-Favoriten entwickelt hat.

Das wunderschöne "Mermaids" und eine wild eskalierende Version von "Jack the Ripper" schließen einen zweieinhalbstündigen Konzertabend perfekt ab. In der Hitze von Rastatt hat Nick Cave seine Rolle als coolster Mann erneut unter Beweis gestellt.

Setlist

Get Ready for Love / There She Goes, My Beautiful World / From Her to Eternity / O Children / Jubilee Street / Bright Horses / I Need You / Waiting for You / Carnage / Tupelo / Red Right Hand / The Mercy Seat / Henry Lee / Higgs Boson Blues / City of Refuge / White Elephant // Into My Arms / Vortex / Ghosteen Speaks // Mermaids / Jack the Ripper

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