Sarah Davachi (2022)

Sarah Davachi (2022) © Sean McCann

Sarah Davachi, Susana Santos Silva und Ellen Arkbro eröffnen am 17. Mai 2022 das Jetztmusik Festival an einem besonderen Ort: der Christuskirche Mannheim. Der Abend steht dabei ganz im Zeichen der musikalischen Erkundung der Orgel und der Kirche als Resonanzraum.

Das Jetztmusik Festival versammelt auch 2022 wieder außergewöhnliche und experimentelle Künstlerinnen und Künstler in Mannheim. Für das Eröffnungskonzert haben sich die Veranstaltenden eine ganz besondere Location ausgesucht: Die Anfang des 20. Jahrhunderts erbaute Christuskirche in der Mannheimer Oststadt. 

Die Wahl des Spielortes ist in Anbetracht des Line-ups wenig verwunderlich: Sowohl Ellen Arkbro als auch die Headlinerin des Abends, Sarah Davachi, sind durch ihre experimentellen Erkundungen der Orgel bekannt – und in der Christuskirche steht mit dem "Mannheimer Wunderwerk", der Steinmeyer-Orgel, eines der größten Orgelwerke Deutschlands. 

Im Labyrinth der Töne

Diese Orgel harrt jedoch ihres Einsatzes – den Beginn macht Ellen Akrbro, an diesem Abend im Duett mit der Trompeterin Susanna Santos Silva, an der Marcussen-Orgel, der zweiten der drei Orgelwerke der Christuskirche. 

Während des gemeinsamen Sets erkunden die beiden Musikerinnen die Resonanzen zwischen ihren Instrumenten und den architektonischen Gegebenheiten der Christuskirche: Über die stehenden Akkorde von Arkbro spielt Santos Silva lange gehaltene Einzeltöne, die sich vor allem durch ihre wechselnden Timbres unterscheiden. 

Die komplexen Töne der beiden obertonreichen Instrumente verbinden sich zu schwebenden Klangkonstrukten, die im Klangraum der Christuskirche eine ungemeine Tiefe und Lebendigkeit offenbaren, die darauf warten, entdeckt zu werden. 

Verschlungene Pfade

Auch bei dem nach kurzer Pause folgenden Auftritt von Sarah Davachi findet sich die Faszination für die Bewegung innerhalb monolithischer Akkorde wieder – eingebettet jedoch in ein dank eines recht klaren Spannungsbogens unmittelbarer, greifbarer wirkendes Set. 

Davachi leitet ihre Erkundungen durch einen langen, sich langsam in Intensität und Lautstärke steigernden Aufbau ein, der durch wiederkehrende Motive und ein sich darunter langsam ausbauendes Akkord-Fundament die Zuhörenden in den Klangkosmos mitnimmt, und gerade auch die Mehrdimensionalität der Orgelmusik, die räumliche Verteilung der einzelnen Frequenzen in der Christuskirche, veranschaulicht. 

Lesson No. 1 (for Organ)

In der Tat hilft der langsame Aufbau dabei, ein Gespür für die Nuancen in Davachis Sound zu entwickeln. So öffnen die langen, gehaltenen Akkorden gegen Ende des Sets sich im Innenraum der Kirche und geben die in ihnen verborgenen, komplexen Modulationen und harmonischen Muster preis – was im ersten Moment monoton wirkt, wird durch die klanglichen Möglichkeiten der Orgel belebt und in Bewegung versetzt. 

Der erste Abend des Jetztmusik Festivals 2022 steht damit ganz im Zeichen des Sounds und seiner ungreifbaren, geisterhaften Eigenschaften. Passend dazu bleiben auch die Musikerinnen auf den Emporen der Christuskirche vollkommen im Verborgenen; lediglich für einen kurzen Applaus winken sie zum Abschluss einer gelungenen Eröffnung herab.

Alles zum Thema:

jetztmusik festival