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Pere Ubu (live in Heidelberg, 2018) © Christos Sidiropoulos

Sie waren schon in den 70ern ein bisschen merkwürdig - und sind das auch heute noch: Pere Ubu zeigen im Karlstorbahnhof in Heidelberg, dass sie es nicht nötig haben, sich auf vergangenen Glanztaten auszuruhen.

Die Zeit hat es nicht gut gemeint mit David Thomas, dem Sänger, Mastermind und – in bester The Fall-Tradition – einzigen konstanten Mitglied von Pere Ubu. Seine Bandmitglieder müssen dem Mittsiebziger mit dem markanten Gehstock auf die und von der Bühne helfen, das Konzert kann er auschließlich im Sitzen verbringen.

Unfreiwillig stellt man sich die Frage, was von einer Band, die ihre meistbeachteten Alben Ende der 70er veröffentlicht hat, heute noch erwarten kann, obwohl Pere Ubu seit "The Modern Dance" (1978) tatsächlich konstant Alben aufgenommen haben. Ihr letztes Werk "20 Years in a Montana Missile Silo" erschien 2017.

Ohne Zweifel

Die ersten Töne der bunt aus neuen und schon einmal dagewesenen Mitgliedern zusammengewürfelten Band machen bereits deutlich, dass Pere Ubu noch einiges zu bieten haben!

Der irgendwo zwischen rohem Garage-Punk und repetitivem Krautrock liegende Groove der Rhythmusfraktion liefert ein treibendes Fundament, über dem mit Gitarre, Keyboard, Klarinette und verschiedenen synthetischen Klangerzeugern ein dichter Soundteppich gewoben wird.

Schon während der ersten, recht geradlinigen Songs, erschafen die Instrumentalisten eine so eigenwillige wie immersive Welt aus straighten Riffs, nervösem Theremin und noisigen, verrauschten Synthies.

Cult of Personality

Die merkwürdige Atmosphäre tritt im Mittelteil des Sets, in dem Pere Ubu das Tempo ein wenig zurücknehmen, noch stärker in den Vordergrund. Gerade das leichtfertig zwischen Konsonanz und Dissonanz wechselnde Interplay von Gitarre und Klarinette trägt viel zu der düsteren Bedohung bei, die von dem Sound der Band ausgeht. 

Für den Rest sorgt David Thomas: Seine einzigartige Stimme thront über den post-punkigen Soundscapes mit einer solch selbstverständlichen Weirdness, wie man es nicht zu hoffen gewagt hatte. Sein Vortragsstil, der zwischen schrägem "Gesang" und betrunken wirkenden Ramblings wechselt, ist noch immer einzigartig – und überzeugt auf ganzer Linie. 

Der alte Grantler

Auch Thomas' grantige Bühnen-Persona ist definitiv ein Highlight des Auftritts: Er berichtet mürrisch, dass sich seine aktuelle Partnerin mit seiner Ex-Frau und seiner Mutter verschworen hätten, um ihn zu bitten, auf Tour etwas mehr "charming" aufzutreten. 

Diese Anekdote wirkt gleich viel glaubwürdiger, wenn man erlebt, wie brüsk er seine Mitspieler zurechtweist, wenn diese nicht so spielen, wie es Thomas vorschwebt oder wie charmant er dem Publikum erklärt, es interessiere ihn nicht, ob es sich gut unterhalten fühle.

Blick nach vorne

Neben der ungebrochenen Energie, die die Band an den Tag legt, zeigt auch die Setlist, dass es Pere Ubu nicht darum geht, in alten Ruhmestaten zu schwelgen: Die meisten gespielten Songs stammen von den neusten Alben der Gruppe, "The Modern Dance" und "Dub Housing" werden tatsächlich zu großen Teilen ignoriert. 

Sogar in der Zugabe, zu der sich die Band nach kurzer Zigaretten- und Pinkelpause erbarmt, verzichtet auf offensichtliche Crowd Pleaser wie "Non-Alignment Pact" und bietet stattdessen zwei Cover ("Kick Out the Jams" von MC5 und "Sonic Reducer" von Rocket From The Tombs) und den eigenen Song "Final Solution", der denkbar merkwürdig mit den ersten Akkorden von "Come As You Are" eingeleitet wird.

Wenn man bedenkt, dass Pere Ubu in ihrer Anfangszeit auch Songs von den MC5 live spielten und dass David Thomas vor Pere Ubu Mitglied von Rocket From The Tombs war, dann schließt sich der Kreis. Einmal Underground, immer Underground.

Setlist

Slow Walking Daddy / Breath / Worlds in Collision / Monkey Bizness / Carnival / Funk 49 / The Healer / Howl / Prison Of The Senses / Bus Station / Road To Utah / Petrified / We Have the Technology / Red Eye Blues / Cold Sweat / Goodnite Irene / Can't Believe It / Toe To Toe // Kick Out The Jams / Sonic Reducer / Final Solution

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