© James Rexroad

Mit ausgefallenem Songwriting und einer energiegeladenen Show demonstrierten sowohl Black Cobra als auch Yob im Wiesbadener Schlachthof, wie kreativ man sich über Genre-Grenzen hinwegsetzen kann.

Im Zuge des momentanen virulenten Hypes um alles, was mit den Genres Stoner-Rock, Sludge und Doom zu tun hat, gehen beim Kult um fette Riffs und noch fetteren Gitarrensound Abwechslung oder Songwriting manchmal verloren.

Welche Bandbreite gerade im Sludge- und Doom-Bereich möglich ist, das beweisen die beiden amerikanischen Bands Yob und Black Cobra bei ihrem Konzert im Wiesbadener Schlachthof recht eindrucksvoll.

The Great Cremation

Eröffnet wird der Abend jedoch von der Schweizer Death Metal-Band Cremation. Die passt zwar stilistisch nicht so ganz ins Billing, kann aber durchaus überzeugen, wenn man sich ein wenig auf ihren Sound einlässt. Cremation bieten recht klassischen, old-schooligen Death Metal, der gerade durch sein abwechslungsreiches Songwriting punkten kann.  

Schade, dass viel technische Finesse im schlecht abgemischten Sound untergeht: Bass-Drum und Bass sind so laut eingestellt, dass die Gitarre in vielen Passagen so gut wie gar nicht zu hören ist. Die Teile jedoch, die gut hörbar waren, die erkennbare Spielfreude und die grundsympathischen Ansagen hinterlassen einen durchweg positiven Eindruck.

Cobra, übernehmen sie

Black Cobra, die nächste Band des Abends, umgeht das Problem eines zu lauten Bassisten mit einem einfachen, aber wirkungsvollen Trick: Sie verzichtet auf selbigen und betritt bloß zu zweit die Bühne. Dass man auch als Zwei-Mann-Band einen ziemlich druckvollen Sound auf die Beine stellen kann, wird seit dem Aufstieg Mantars und der im Zusammenhang mit ihnen stets wiederholten Phrase, dass sie dennoch wie eine vollwertige Band klingen, wohl niemanden mehr überraschen.

So ist es denn auch bei Black Cobra. Ihr Sound ist wuchtig, ein Bassist wird nicht vermisst. Er würde vielleicht sogar die ganz eigene Dynamik zwischen Gitarrist und Drummer stören. Denn zwischen der treibenden, thrashigen Energie der schnelleren Passagen und den dazwischen eingestreuten, groovenden Downtempo-Parts sowie dem kratzigen Gesang schlägt die Band in Sachen Songwriting so einige Haken. So finden sich immer wieder kurze, chaotische Instrumentalpassagen oder unerwartete Breaks, der den Liedern eine sehr eigene Note verleiht und sie ungemein spannend macht. 

Yob verlieren keine Zeit

Mit Höchstgeschwindigkeit spielen Black Cobra sich durch ihr Set, unterbrechen es nur ein- oder zweimal für kurze Ansagen, was dem ganzen Auftritt eine zusätzliche Energie und Dringlichkeit verleiht. Ehe man sich versieht, ist die Band auch schon wieder fertig, und beinahe sofort beginnen dann auch die Umbauarbeiten für den Headliner des Abends, Yob.

Auch diese Band verliert, sobald sie auf der Bühne steht, keine Zeit: Schon mit dem ersten Song machen Yob klar, dass sie ihren Trademark-Sound live nicht nur perfekt umsetzen, sondern auch in Sachen Intensität um einiges steigern können.

Virtuos und heavy

So wirken die für Yob charakteristischen Wechsel zwischen verzerrten, drückenden Riffs und melancholischen, offenen Akkorden um einiges dynamischer und mitreißender, wenn man sie live miterlebt. Gitarrist und Sänger Mike Scheidt lebt die Musik sichtlich, steckt wirklich alles in seine Performance. Neben den tiefen Death Metal Growls schafft er es, auch seine hohen Clean Vocals druckvoll und bemerkenswert nah an den Studioaufnahmen klingen zu lassen.

Im Zusammenspiel der ganzen Band schließlich entfaltet sich eine Lebendigkeit, wie man sie selten auf der Bühne sieht. Yob schaffen es, während ihres gesamten Sets einen einzigartigen und mitreißenden Groove zu erschaffen, der das ganze Publikum erfasst. Trotz der überlangen und strukturell durchaus komplexen Songs fühlt sich alles an, wie aus einem Guss, fühlt man sich zu keinem Zeitpunkt in den Songs verloren

Marrow – das Epos

Daneben transportiert die Band auch eine ungemeine Emotionalität, wie sie schließlich im letzten Song vor der Zugabe, Marrow, noch einmal eindrucksvoll beweisen. Der Song verzichtet während seiner über fünfzehn Minuten Spielzeit größtenteils auf Verzerrung und wird hauptsächlich von der unendlich traurig klingenden Akkordfolge und Scheidts klagenden Vocals getragen. Die zurückgenommene Gitarre, und die nichtsdestotrotz intensive Dynamik des Songs übertragen eine Emotionalität, die seinesgleichen sucht. 

Bevor sich die Band dann verabschiedet, spielen sie noch einen kürzeren, aber dafür umso heavieren Song, der ein wenig wirkt wie die Antithese zu Marrow und noch einmal demonstriert, zu welcher klanglichen Bandbreite diese Band fähig ist. Jenseits sämtlicher Genre-Grenzen haben Yob einen ganz eigenen Sound gefunden, den mitzuerleben ein so eindrucksvolles wie mitreißendes Erlebnis ist.

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