Das Vereinsheim (Pressefoto, 2013)

Das Vereinsheim (Pressefoto, 2013) © Das Vereinsheim

Auch bei der 14. Ausgabe des Vereinsheims in der Alten Feuerwache Mannheim kristallisiert sich schnell der eigentliche Star des Abends heraus: die Band!

Für die Juni-Ausgabe der beliebten Konzertreihe hat der Vereinsheimvorstand David Maier neben dem Berliner And The Golden Choir und der polnischen Wahlberlinerin Julia Marcell auch wieder bekannte Gesichter eingeladen.

Sowohl der isländische Gitarrist und Sänger Ómar Gudjónsson als auch Bassist Michael Paucker, der wieder mit gefühlvollen, gesungenen Harmonien den Sound abrundete, gehören inzwischen schon fast zur Vorstandschaft dazu.

Und die Dampflok stampft los

Es ist dunkel in der Alten Feuerwache, nur die Stehlampen um die Instrumente spenden gedämpftes Licht. Dann entfaltet sich aus dem Brummen der Boxen ein sich stetig entwickelndes Summen. So entsteht der erste Klangteppich des Abends, hervorgezaubert von Klangmagier Nico Schnepf an den Tasten und Perkussionist Tommy Baldu, dem groovenden Bass von Paucker und der "Wildwest"-Gitarre von Ómar Gudjónsson.

Traditionell eröffnet das Vereinsheim den Abend mit einem Song von Vorstand David Maier. Mit "Lauf Junge, lauf!" nimmt der Abend Fahrt auf, angetrieben von dem von Baldu langsam ins Rollen gebrachten, rhythmischen Zug. Erst schnauft er noch ein bisschen, er sammelt alle Passagiere persönlich ein. Mit dem ersten Refrain sind alle aufgesprungen und lassen sich von der tiefen, vollen Bassdrum in Schwingung bringen. 

Fremde Welten

Als erster Gast betritt Julia Marcell die "Bühne" in der Mitte des Raumes. Die charmante Polin mit neckischer Zahnlücke und viel zu groß wirkender Gitarre zaubert bereits mit den ersten Tönen phantasievolle Bilder in die Köpfe der Zuhörer – die verträumten Blicke verraten sie. Während Szenen tanzender Elfen in einer Waldlichtung mit den stimmungsvollen Visuals von Vereinsheimmitglied Haegar verschwimmen, kostet die Sängerin mit der elfenhaften Stimme die Möglichkeiten dieser einmaligen Band in ausschweifenden Instrumentalteilen aus.

Die sich selbst als äußerst schüchtern bezeichnende Singer-Songwriterin präsentiert mit ihrem zweiten Song des Abends einen Song in polnischer Sprache, der ihrer polnischen Platte entnommen ist. Er handelt von "„Marek", den sie als einen Charakter beschreibt, der gewissermaßen auch sie selbst repräsentiert. Das geschmackvolle Arrangement des Liedes verwandelt den implizierten Kitschfaktor des Walzers in authentisch polnischen Charme.

Der verrückte Isländer

Die Vorstandschaft will den "isländischen, verrückten Gitarristen einbürgern", bis dahin fliegen sie ihn noch regelmäßig aus Reykjavik ein. Das blonde Energiebündel mit dem rollenden R, Hosenträgern und rutschender Brille steuert an diesem Abend insgesamt leider nur zwei Songs bei, die haben es aber in sich.

"Cinemon Fire" und "How Can I Feel Love" entstammen der Feder der Freunde Gudjónsson und Baldu und heizen in ihrem bluesigen, erdigen Style mit Chorverstärkung im Refrain und ausschweifenden Gitarrensoli dem Publikum in der Alten Feuerwache ordentlich ein. David Maier hat Recht: Man kann tatsächlich von Ekstase sprechen!

Atmosphärische Melancholie

Eigentlich tritt And The Golden Choir nur unterstützt von seinen Schallplatten auf. Die Vereinsheimband lehrte ihn aber, dass es doch eine Band gibt, die die Songs so gut spielen kann, wie er auf seiner alleine eingespielten Platte – vielleicht sogar noch besser.

Der chronische Melancholiker aus Berlin, der sich selbst als das schwarze Schaf sieht und von Sackgassen singt, beweist sich als Meister der hohen Töne und überzeugt gesanglich mit seiner großen stimmlichen und emotionalen Spannweite.

Leider traut er sich nicht, die Zügel aus der Hand zu geben. Während Julia Marcell sich ekstatischen instrumentellen Experimenten hingibt, bleiben die Arrangements seiner Songs sehr nah am Original. Die jahrelange musikalische Zusammenarbeit mit seinem Plattenspieler merkt man ihm dann doch an.

Subtil politisch

And The Golden Choir, der eigentlich Tobias Siebert heißt, sammelt mittelalterliche Instrumente, die seine vielschichtigen Songs mit zusätzlichen Klangfarben erweitern. Mit den Worten "ich hätte nie gedacht, dass man im Jahre 2016 mit mittelalterlichen Ansätzen noch so aktuell sein könnte – das war politisch gemeint!" sammelte er ordentlich Sympathiepunkte. 

Mit dem letzten Song "Chronophobie" und der Zugabe "Erster Schritt" schließen David Maier und Band den Abend intim und sehr ehrlich ab. So ein bisschen kollektive Nostalgie, untermalt von den herausragend stimmigen Visuals und getragen von der pulsierenden Bassdrum Baldus gehört zu den großen Stärken der Vereinsheim-Kollegen.

Der Effekt: ein abermals überaus begeistertes Publikum und ein bestimmt wieder volles "Wohnzimmer" bei der nächsten Vereinsheim-Ausgabe im September. 

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