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FJORT (live in Mannheim, 2014) © Johannes Rehorst

Was für ein Aufstieg! Vor vier Jahren trafen sie sich zu ersten Proben im Aachener Musikbunker, jetzt spielen FJØRT reihenweise ausverkaufte Shows - und bringen auch den Stuttgarter Keller Klub zum Kochen.

Der Wechsel zum Label Grand Hotel van Cleef scheint sich ausgezahlt zu haben. FJØRT sind ohne Zweifel der momentan hellste Stern am deutschen Post-Hardcore-Himmel.

Am 22. Januar erschien mit "Kontakt" das zweite Album der Band aus Aachen. Rund einen Monat später geht es auf große Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz, die sie auch in den rappelvollen Keller Klub nach Stuttgart führt.

Anschwitzen mit We never learned to live

Doch vor der Kür kommt die Pflicht, und die heißt We never learned to live. Die britische Band kann es in Sachen Lautstärke durchaus mit den Protagonisten des Abends aufnehmen: Der Bass wummert so heftig, dass die Wasserflaschen von der Bühne hüpfen.

Die fünf Musiker aus Brighton überzeugen mit ihrer emotionalen Mischung aus cleanem, melancholischem Gesang und mitreißendem Geschrei. Ruhigere Parts wechseln sich mit aufwühlenden Riffs und Drumlines ab. Nicht selten dauern die Stücke dabei sechs Minuten und mehr. Leider spielen sie nicht das grandiose "Tasting Paralysis" von ihrem 2015 erschienen Debütalbum "Silently, I Threw Them Skyward". Trotzdem sorgen sie für den perfekten Auftakt eines mitreißenden Konzertabends.

Erste Explosion

Das dezente Intro vom Band klingt schon ein wenig mystisch nach kühlen norwegischen Fjord-Landschaften, erinnert aber auch ein wenig an Sonic Youths "Silver Session". "In Balance" bildet wie auf dem neuen Album "Kontakt" den langsam und bedrohlich ansteigenden Auftakt und wirkt dabei live doch wesentlich brachialer als auf Band.

Schon beim zweiten Stück erreicht die Stimmung mit dem ersten Crowdsurfer einen Höhepunkt. Kein Wunder, wirkt "Anthrazit" mit seinen Tempowechseln, Ecken und Kanten doch wie aus einem Guss und besitzt nicht nur dank des aufwendig produzierten Videos auf einem Fischkutter auf hoher See Hitpotential.

Bleibt stehn’! Trotzt der braunen Pest!

Immer wieder sucht Bassist David sowohl physisch als auch kommunikativ den Kontakt zum Publikum, dankt ihm tausendmal für das zahlreiche Erscheinen und macht dem Titel des aktuellen Albums damit alle Ehre.

Aber nicht nur das ist ihm wichtig: Vor "Paroli" berichtet er vom von AfD-Plakaten zugekleisterten Halle (Saale) und einer Pegida-Demo in Dresden. Für seinen flammenden Appell gegen Fremdenhass und dem Aufruf sich mit allen Mitteln dagegen zu wehren, erntet er frenetischen Applaus. Chris' rauchige, brachiale Stimme erzeugt bei diesem musikalischen Statement gegen rechts Gänsehaut.

Wut und Trauer

"Tod den Anderen. Das gibt mir Sinn" – "Abgesang" hinterlässt ein beklemmendes Gefühl, wenn man den Hintergrund dieses Stücks kennt, nämlich dass Chris während der Anschläge auf die Redaktion von Charlie Hebdo im Januar des vergangenen Jahres in Paris weilte.

Das Publikum präsentiert sich jederzeit textsicher. Das melancholisch-ruhige Intro der Kaputtmacher Sessions wertet "Gescholten" enorm auf und steht im krassen Gegensatz zum anschließenden Geballere. Diese fließenden melancholischen Melodien findet man in nahezu jedem Stück des Aachener Trios.

Auf baldiges Wiedersehen

Mit "Kleinaufklein" erweisen sie auch den treuesten Anhängern ihre Ehre, ist es doch das einzige Stück der ersten EP "Demontage", das sie an diesem Abend spielen. Nach dem zahmeren "Mantra" beenden die Jungs ihr Konzert passenderweise mit dem Konzertbeschließer oberster Güte, "Lebewohl". Einleitender Satz: "Auf Wiedersehen". Hoffentlich schon bald!

Bei den beiden Zugaben "Lichterloh" und "Valhalla" brennt die Hütte dann endgültig. Der Siedepunkt ist erreicht. 80 Minuten Vollgas, Band und Zuschauer klatschnass geschwitzt. "Am Ende des Tages wollen wir uns auskotzen" sagte Chris über FJØRT. Nicht nur er... Mission erfüllt.

Setlist

Intro / In Balance / Anthrazit / Fauxpas / Belvedere / Kontakt / Paroli / Abgesang / Gescholten / Kleinaufklein / D'accord / Mantra / Lebewohl / Lichterloh / Valhalla

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