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The Prodigy (live in Frankfurt, 2015) © Akis Konstantinidis

Mit ihrem neuem Hitalbum im Gepäck machten The Prodigy in diesem Jahr schon mehrere deutsche Festivals unsicher. Bevor sich 2015 zu Ende neigt, wollten sich die Briten noch einmal hierzulande blicken lassen. Beim Tour-Abschluss in Frankfurt bringt das die Fans geradezu in einen Rauschzustand.

Bereits seit ihrem Debütalbum "Experience" aus dem Jahr 1992 zählen The Prodigy zu den Größen der elektronischen Szene. Dank Megahits wie "Firestarter", "Breathe" oder "No Good" waren sie einer der populärsten Acts der 1990er Jahre. Durch ihre Härte sowie ihre stellenweise vorhandene stilistische Nähe zu Rock und Punk sind sie aber nicht nur beim Clubpublikum beliebt, sondern auch bei den Fans gitarrenlastiger Musik, die sonst so rein gar nichts mit synthetischen Klängen anzufangen wissen.

Trotz eines zwischenzeitlichen Tiefs in der ersten Hälfte der 2000er, als Bandleader Liam Howlett der Gruppe einen neuen Sound verpassen wollte, feierten die Briten Ende des Jahrzehnts mit dem aggressiven "Invaders Must Die" ein grandioses Comeback. Das Ende März erschienene "The Day Is My Enemy" schlägt in die gleiche Kerbe und ist Grund genug für The Prodigy, auf einer Tournee durch die großen hiesigen Arenen zu ziehen. Nach Einbruch der herbstlichen Dunkelheit präsentieren sie sich dann vor einem erwartungsvollen Publikum in der Frankfurter Festhalle.

Unterstützung aus dem Hip-Hop-Pantheon

Doch nicht nur der Tag ist der Feind von The Prodigy, auch die Vorgruppe – zumindest namentlich. Als Support haben sie nämlich prominente Gäste angeheuert, die routinierten und mittlerweile in die Rock'n'Roll Hall of Fame aufgenommenen Public Enemy. Die New Yorker Hip-Hop-Pioniere um die beiden Mikrofonprofessoren Chuck D und Flavor Flav präsentieren sich aber alles andere als unfreundlich, trotz einer Soundqualität, die hin und wieder leicht zu wünschen übrig lässt.

Sie heizen dem Frankfurter Publikum eine Dreiviertelstunde lang in rockender und rappender Manier gehörig ein. Dabei darf auch der meisterhafte DJ Lord ein paar Minuten glänzen, während denen er aus Passagen aus "Seven Nation Army" von den White Stripes und Nirvanas "Smells Like A Teen Spirit" etwas ganz Eigenes fabriziert. Zum Schluss gibt es noch ein beherztes Anti-Rassismus-Plädoyer von Flavor Flav, bevor Public Enemy die Bühne für die in blau gehaltene Umbauphase freigeben.

Elektropunk

Mit der Pünktlichkeit einer deutschen Eisenbahn stürmen The Prodigy schließlich in die sie schon sehnlichst erwartende Festhalle. Als kleine Entschädigung dafür feuern sie mit "Breathe" als Opener, "Nasty" vom aktuellen Album sowie "Omen" unter freundlicher Begleitung des beinahe schon ekstatischen Frankfurter Publikums sogleich die erste Salve an Highlights ab.

The Prodigy sind ungeschliffene Rohenergie. Von Beginn an klangen die Briten um Liam Howlett punkiger, bratziger und brachialer als ihre doch etwas glattpolierteren Kollegen von Daft Punk, The Crystal Method und The Chemical Brothers. Den Beweis, dass sie diesem Ruf auch nach fast 25 Jahren noch gerecht werden wollen, bleiben sie zu keiner Sekunde schuldig. Es wummert, dröhnt, kracht, quietscht, fiept und surrt auf allen Frequenzen.

Ein großer, rockender Club

Ohne große Reden zu schwingen, ziehen The Prodigy mit "Wild Frontier", der Leadsingle ihres aktuellen Longplayers, und dem großen Erfolg "Firestarter" vom Hitalbum "The Fat Of The Land" gleich weitere Kracher aus dem Köcher. In der Anfangsphase des Konzerts jagt wirklich ein Höhepunkt des live auf ein Quintett angewachsenen Trios aus Essex den nächsten.

Es ist der Band dabei hoch anzurechnen, dass sie gar nicht erst versuchen, ihre populären Songs in den bekannten Versionen exakt zu reproduzieren. Die einzelnen Stücke sind teils leicht abgeändert und streckenweise durch fließende Übergänge verbunden, sodass sich der geneigte Zuhörer ab und an mitunter an ein DJ-Set in einem Club erinnert fühlt.

Der Innenraum als Tanzparkett

Überhaupt liefern The Prodigy in der Frankfurter Festhalle eine sehr energiegewaltige Performance ab. Einerseits liegt das an den sehr aktiven Frontmännern Maxim Reality und Keith Flint, die ja bereits früheren Videoclips das gewisse optische Etwas verliehen. Andererseits präsentieren die Briten dem Publikum eine spektakuläre Lightshow, die den meisten Hobbyfotografen dezent zu schaffen macht.

Natürlich bleiben die Handys trotzdem nicht völlig in den Taschen versteckt. Im Innenraum sind viele der sich wie im Rausch befindlichen Fans aber lieber damit beschäftigt, den Tanzaufforderungen der beiden Vokalisten zu folgen. Auch auf den mit kristallklarem Sound belohnten oberen Rängen sitzt niemand. Dafür ist die Atmosphäre in allen Teilen der Arena einfach zu aufgeladen.

Alte und zukünftige Evergreens?

Einen besonders lautstarken Jubel erhalten die Klassiker "Voodoo People" von der 1994er Platte “Music For The Jilted Generation“ und das kontroverse "Smack My Bitch Up", wobei die Begeisterung bei den neueren Stücke der letzten beiden Alben kaum nachlässt. Das Publikum in der Halle hat diese Songs schon beinahe so sehr ins Herz geschlossen wie die altbekannten Favoriten.

Mit "Night Is My Friend", Liam Howletts Remix eines Liedes von "The Day Is My Enemy", gibt es gegen Ende des regulären Sets obendrein noch eine Live-Premiere auf dieser Tour zu bewundern. Es fügt sich wunderbar in die Reihe der restlichen Titel ein und macht bereits jetzt Lust auf die zum Weihnachtsgeschäft angekündigte und reichlich gefüllte Expanded Edition des aktuellen Albums.

In der Kürze liegt die Würze

Nach etwa anderthalb Stunden verabschieden sich The Prodigy schließlich mit den Zugaben "Their Law", "Wall Of Death" und dem für einige der ausgelaugten Zuschauer fast wortwörtlich geltenden "Take Me To The Hospital" von der Bühne der Frankfurter Festhalle. Als kleines Schmankerl gibt es beim Verlassen der Arena noch den frühen Hit "Out Of Space" vom Band.

Ein Großteil der Fans feiert die Gruppe frenetisch ab und ist sichtlich zufrieden, als sie schließlich das Gebäude verlassen. Sehenswert war das Konzert der Briten auf alle Fälle. Man hätte sich von The Prodigy lediglich die obligatorische Frage der Fleischereifachverkäuferin bei Bestellung der in den letzten Wochen so vielgeschundenen Wurst gewünscht: "Darf’s noch etwas mehr sein?"

Setlist

Breathe / Nasty / Omen / Wild Frontier / Firestarter / Roadblox / The Day Is My Enemy / Weather Experience / Voodoo People / Get Your Fight On / Run With The Wolves / Invaders Must Die / Night Is My Friend / Smack My Bitch Up // Their Law / Wall Of Death / Take Me To The Hospital

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