Kamasi Washington (live bei Enjoy Jazz in Ludwigshafen, 2015) 2

Kamasi Washington (live bei Enjoy Jazz in Ludwigshafen, 2015) 2 © Daniel Nagel

Der amerikanische Saxophonist Kamasi Washington ist einer der Aufsteiger des Jahres. Bei seinem Auftritt in Ludwigshafen im Rahmen von Enjoy Jazz bot er eine Art groovige Hood-Party mit Verwandten, Freunden und allen, die sonst noch vorbeischauten.

Wenn Kamasi Washington auf Tour geht, hat er auch immer seine Freunde und Verwandten dabei, denn aus ihnen besteht seine Band. Viele der beteiligten Musiker kenne er schon von klein auf, betont er, sie seien zusammen aufgewachsen. Daher macht es Sinn, dass sie gemeinsam ein Kollektiv bilden: West Coast Get Down. 

Gemeinsam nahmen sie, so hat es Washington in einem Interview mit NPR berichtet, im Laufe eines Monats nicht weniger als acht Alben auf, bestehend aus 190 "Songs". Er selbst habe 45 Kompositionen aufgenommen, siebzehn davon haben es auf das Dreifach-Album "The Epic" geschafft.

Verkleinerte Ausgabe

Mit seiner stilistischen Vielfalt, der ausschweifenden Produktion samt Gesang, Chören und Streichern und seinen mitreißenden Melodien und Rhythmen entwickelte sich "The Epic" nicht nur zu einem Kritikerliebling, sondern auch zu einem Publikumshit. Als Kamasi Washington das Publikum im ausverkauften Kulturzentrum dasHaus fragt, wer das Album besitzt, gehen die Hände reihenweise hoch.

Aber wie bringt man dieses gewaltige Werk auf die Bühne? Ganz klar, man muss Kompromisse eingehen: Chöre und Orchester bleiben zu Hause, stattdessen steht eine Kernmannschaft aus acht Musikern auf der Bühne: Neben Kamasi haben Bassist Miles Mosley, die beiden Schlagzeuger Ronald Bruner Jr. und Tony Austin, Brandon Coleman an den Keyboards, Posaunist Ryan Porter und Sängerin Patrice Quinn die Reise nach Europa angetreten. Mit dabei ist ebenfalls Kamasi Washingtons Vater Rickey, der sich nicht nur um das Merchandising kümmert, sondern auch Sopransax spielt.

Mächtiger Groove

Das Konzert lebt von dem mächtigen Groove, den die beiden Schlagzeuger und der Bassist erzeugen. Unablässig treibt die Musik nach vorne und erzeugt beständiges Wippen der Füße in der Zuschauermenge. Zum Tanzen fehlt schlichtweg der Platz. Das Publikum besteht keineswegs nur aus älteren Jazzfans: zahlreiche junge Besucher sind vertreten, wodurch sich die alte Erkenntnis bewahrheitet, dass Crossover-Projekte wie dieses am ehesten geeignet sind, jüngere Zuschauer für Jazz zu begeistern.

Wie es sich für ein Ensemble aus Freunden und Verwandten gehört, erhält jeder der beteiligten Musiker ausreichend Raum für Soli. Keyboarder Brandon Coleman schießt über das Ziel hinaus, als er ein eigentlich sehr gutes Solo auf gefühlte 15 Minuten ausdehnt. Ansonsten sind die Soli aber echte Bereicherungen, teilweise sogar Höhepunkte. Das gilt besonders für Kamasi Washington selbst, der mit seinem enorm vielseitigen Ton ganz unterschiedliche Stimmungen heraufbeschwören kann.

Stärken am Bass, Schwächen im Gesang

Wie eng die Verbundenheit der Band ist zeigt sich daran, dass die Band eine neue Komposition von Bassist Miles Mosley spielt, obwohl an Material ja kein Mangel herrscht. Wenn Kamasi Washington erklärt, er kenne niemanden, der so Bass spiele wie Mosley, könnte man das für eine Übertreibung halten, bis Mosley wirklich loslegt und an seinem akustischen Bass tatsächlich bemerkenswerte Klänge erzeugt, die fast an ein E-Gitarrensolo denken lassen.

Auf der anderen Seite trifft man als Band aus Freunden natürlich auch Entscheidungen, die für Außenstehende schwer nachvollziehbar sind. Weshalb Sängerin Patrice Quinn auf der Bühne etwas seltsame Versuche von Ausdruckstanz vorführen muss, ist weniger nachvollziehbar. Überhaupt zählt der Gesang nicht zu den Höhepunkten, wirkt häufig dünn und manchmal überfüssig oder deplatziert.

Ein Konzert der guten Laune

Der fast demokratische Charakter des Konzerts verhindert manchmal eine durchaus sinnvoll Straffung des Programms, sorgt auf der anderen Seite aber auch für viel Spontanität und Kreativität. Trotz kleinerer Schwächen macht das Konzert über die gesamte Dauer mächtig Spaß. Man spürt den Enthusiasmus der Band, die ausgiebig von der Bühne das Publikum fotografiert und filmt, so als könnten sie selbst nicht so recht glauben, dass ihretwegen mehrere hundert Besucher gekommen sind.

Diese Begeisterung überträgt sich natürlich auf das Publikum, das besonders die schnelleren Stücke enthusiastisch feiert. Das knapp neunzigminütige Programm zeigt fraglos die Vielfalt der Musik, die nicht nur er, sondern sein Kollektiv in den letzten Jahren geschaffen hat. Man kann gespannt sein, welche ihrer Veröffentlichungen als nächstes Aufmerksamkeit erregt.

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