Augustines (live auf der Seebühnenregatta in Mannheim, 2015) Fotostrecke starten

Augustines (live auf der Seebühnenregatta in Mannheim, 2015) © Alex Schäfer

Zum zweiten Mal bereits sticht die Seebühnenregatta im Luisenpark in See. Mit Enno Bunger, Me And My Drummer, Olli Schulz, Augustines, Timber Timbre und weiteren bietet sie ein perfektes Programm für das wechselhafte Wochenende.

Los geht es am Freitag mit Enno Bunger und Me And My Drummer, die den Auftakt der 2. Seebühnenregatta bilden. Da für den Abend Regen gemeldet ist, findet das Konzert leider nicht auf der Seebühne statt, sondern in der sichereren, wenn auch nicht ganz so schönen Variante, der Festhalle Baumhain. 

Im Rahmen eines TV Noir-Sommerkonzerts spielen die beiden Bands abwechselnd in Blöcken ein paar ihrer Lieder, wobei beide Bands auch neues Material mitbringen. 

Startschwierigkeiten am Freitag

Zu Beginn geht es bei Me And My Drummer aber gleich holprig los. Aufgrund technischer Schwierigkeiten kann das Duo nicht wie geplant weitermachen, überbrücken dies jedoch gekonnt. Während Drummer Matze Pröllochs an seinem Equipment rumbastelt, unterhält Charlotte Brandi das Publikum allein. 

Nach einem Witz und ein paar Erzählungen spielt sie einen Song allein, zum Minimalismus gezwungen, danach müssen sie den widrigen Umständen aber vorerst weichen und machen Platz für Enno Bunger.

Der Soundtrack für's Wochenende

Und der holt die Zuschauer vom ersten Ton an ab. Mit ein paar Songs von seiner aktuellen Platte legt er einen melancholischen, aber perfekten Start hin und zeigt sich sympathisch und publikumsnah auf der Bühne.

Und so geht es dann auch weiter an dem Abend. Enno Bunger liefern jedes Mal ab, wenn sie die Bühne betreten, und sorgen bei ihrem Song "Regen" in einem späteren Set nicht nur für Gänsehaut pur, sondern liefern damit auch den perfekten Soundtrack für das regnerische Wochenende.

Bei Me And My Drummer ist es jedoch etwas durchwachsener. Zwar liefern sie mit ihren Songs teils gewaltige Klangwelten, aber irgendwie will man sich da in den kurzen Blöcken nicht ganz so einfach reinfinden, wie das bei Enno der Fall ist. Zusammen bilden die beiden Bands jedoch den perfekten Auftakt für das Wochenende, und machen die Vorfreude auf den nächsten Tag nur noch größer.

Der Samstag: von der Sonne geküsst

Wenn Olli Schulz und Band schon mal den weiten Weg nach Monnem auf sich nehmen, dann muss einfach gutes Wetter sein. Bei den Gästen die er am Start hat, ist es aber auch kein Wunder, dass die Sonne am Samstag so strahlt. 

Denn am Bass steht niemand geringeres als Gisbert zu Knyphausen, Kat Frankie rundet mit ihrer Gitarre das Ensemble ab. 

Sind wir hier im Fernsehgarten, oder was?

Depressive Pinguine, Gondeln die im Hintergrund über den See schaukeln, fehlt eigentlich nur noch, dass Dieter Thomas Heck gleich auf die Bühne watschelt. Aber nein, das ist nicht der Fernsehgarten, sondern die bis oben hin gefüllte Seebühne – samt zahlreicher Karpfen im Teich.

Olli Schulz zeigt sich bei seinem Konzert wie immer gesprächig, erzählt zu jedem Lied eine witzige Anekdote, und legt sogar noch einen genialen Freestyle bei seinem Lied "Passt schon" hin, um seine "Roots im Gangstarap" zu würdigen. Überhaupt scheint er wie immer ein bisschen zu viel Energie getankt zu haben, läuft wie ein Duracell-Hase auf Speed von einer Ecke zur anderen, und spricht in einer Geschwindigkeit, die unsereins noch nicht mal nach zehn Tassen Kaffee hinkriegt.

Aber er kann natürlich auch anders. Mit "Boogieman" wird es ernster und mit "Als Musik noch richtig groß war" zeigt er, dass er die leisen Töne genauso gut beherrscht wie den Rest. Richtig melancholisch wird es dann, als er zu Ehren vom viel zu früh verstorbenen Nils Koppruch ein Cover zu "Loch in die Welt" anstimmt. Das ist zum Heulen schön.

Alles egal

Besonders interessant ist aber die Einstellung von Olli Schulz, von der sich so manch einer eine Scheibe abschneiden könnte. Als aus dem Publikum ein bestimmtes Lied gefordert wird, erklärt er, dass er nicht jedes Mal dieselben Lieder spielen will, da Stillstand für ihn der Tod sei. Und da können sich die Fans ruhig auf Facebook beschweren, ist mit einem Klick gelöscht und ihm egal.

Überhaupt, solange ihm seine Musik Spaß macht und Kohle einfährt, ist ihm alles schnurz. Die Unbeschwertheit die damit kommt, merkt man ihm an, und greift auf's Publikum über. Dass er manche Töne nicht trifft, und stimmlich im Vergleich zu Kat Frankie ziemlich blass aussieht? Ihm egal, und uns auch. Dass die Karpfen hässlich sind und die selbstgebastelten Seebühnenregatta-Bötchen nicht schwimmen wollen? Auch egal.

Dass er ruhig noch länger hätte spielen können? Auch egal. Es war ein perfekter Abend. Mit der richtigen Mischung Witz und Melancholie schickt er die Zuschauer mit einem Grinsen im Gesicht nach Hause und zeigt, was man auch auf der Platte schon gesehen hat. Der hat sich irgendwie gefunden, und was die anderen davon halten, ist ihm Wurst. 

Ruhiger Einstieg am Sonntag

Am Sonntag geht es dann ruhig los. Aufgrund des andauernden Regens müssen sich die Zuschauer wieder mit der Festhalle abfinden, und bekommen einen ruhigen Einstieg mit Perry O'Parson.

Der Singer-Songwriter, der auch selbst mal in Mannheim gelebt und studiert hat, zeigt sich publikumsnah und erzählt zwischen seinen Songs ein paar Geschichten. So sorgt er nicht nur für eine gemütliche Atmosphäre, sondern auch für einen ganz gechillten Start in den verregneten Festivaltag.

Anreise mit Hindernissen

Talking To Turtles sorgen ebenfalls für ruhige Töne, unterhalten aber mit einer mehrteiligen Geschichte darüber, wie sie es fast nicht nach Mannheim geschafft hätten. Beteiligt waren eine verlorene Tasche, ein kaputtes Auto, ein Fernbus, der Einbruch in den eigenen Proberaum und eine düstere Prophezeihung. Ebenso gelungen wie die Geschichte ist die Musik des Duos, die starke Melodien und schönen Harmoniegesang bieten. Das Publikum ist begeistert.

Anschließend folgen David Lemaitre und Band. Und die ist nicht zu verachten, sorgt sie doch dafür, dass die Lieder des Sängers und Songwriters in glänzenden Arrangements präsentiert werden. Nicht alle Lieder von Lemaitre können damit mithalten, trotz "Olivia".

Rampensau mit Herz

Augustines (früher We Are Augustines) aus New York sind ein ganz anderes Kaliber, besonders in Sachen Bühnenpräsenz. Sänger und Gitarrist Billy McCarthy wirkt wie eine Mischung aus John Goodman und Bruce Springsteen und wirft sich mit vollem Körpereinsatz in seine Songs. Die Energie springt schnell auf das Publikum über – schon nach dem ersten Lied stehen viele Zuschauer auf und eilen zur Bühne.

Damit haben die Augustines das erreicht, was sie wollten, denn nun können sie mit den Zuschauern vor der Bühne arbeiten. Das bedeutet ganz viele ooooohs und aaaaahs, aber auch jede Menge erhobene Hände, Tanzen und Springen. Als das Keyboard schlapp macht, spielen die Augustines kurzerhand akustisch und ohne Verstärkung. Die Euphorie ist riesig und so kommt die Band sogar für zwei Zugaben zurück.

Der krasse Stilwechsel

Der Headliner des Abends könnte nicht unterschiedlicher sein. Timber Timbre aus Toronto halten von Bewegung auf der Bühne gar nichts, noch weniger halten sie von Scheinwerfern, weshalb das Licht gedimmt und die Bühne von hinten in tiefrotes Licht getaucht wird. Am allerwenigsten aber halten sie von Zuschauern, die mit Blitz fotografieren: "Do you understand what I'm saying? Put your fucking cameras away! If I see another flash, we will leave the stage!" Sänger Taylor Kirk schreit nicht etwa, sondern sagt diese Sätze mit ruhiger Stimme in nicht zu unterschätzender Deutlichkeit.

So viel Intensität kommt nach der Wohlfühlromantik der übrigen Seebühnenregatta überraschend. Wie gut, dass Timber Timbre eine exzellente Band sind, die auch musikalische Intensität und Dynamik versprühen. Das ist aber nicht jedermanns Sache: die Halle leert sich beträchtlich, aber für diejenigen, die bleiben, ist es das beste Konzert des Abends. Mindestens.

Epische Zugaben

Timber Timbre spielen sich durch ihr hervorragendes letztes Album "Hot Dreams" und ältere Werke, die sie um ausgedehnte instrumentale Jams erweitern. Manche meinen, das klinge alles relativ gleich, aber es ist doch im besten Sinne faszinierend, wie die Band eine düstere, fast bedrohliche Wucht entfaltet.

Einen Vorteil hat die Verlegung in die Halle dann doch: es muss nicht um 22:00 Uhr Schluss sein. So können Timber Timbre noch zwei epische Zugaben spielen. Danach strömen die leicht überwältigten Zuschauer in den lauen und inzwischen trockenen Sommerabend. Schön war's. Wir hoffen auf Fortsetzung im nächsten Jahr.