© Daniel Nagel

Volles Haus in der Festung Germersheim: aus der gesamten Region sind Zuschauer angereist, um Jazz-Legende Charles Lloyd bei Palatia Jazz zu erleben. Sie sollten nicht enttäuscht werden, obwohl der Saxophonist mit einer ganz neuen Band auftrat.

Vor dem Auftritt von Charles Lloyd spielte allerdings der Schweizer Pianist Christoph Stiefel mit einem neuen Quartett, das sein Inner Language Trio, bestehend aus Bassist Arne Huber und Schlagzeuger Kevin Chesham) mit Sängerin Lisette Spinnler kombinierte. Obwohl die Musik bisweilen etwas harmlos geriet, sorgten Stiefel und Band für die richtige Einstimmung.

Entspannt: Christoph Stiefel

Das lag auch daran, dass an diesem lauen Sommerabend entspannende Klänge gut in das schön gestaltete Ambiente der Festung Germersheim einfügten.

Da verzeiht man den Musikern leichter die arg holprige Interpretation von Paul Simons "50 Ways To Leave Your Lover" und das doch etwas zu süßlich-belanglose "Quiet Flower". Überzeugend geriet hingegen Dolly Partons Klassiker "Jolene" und die Eigenkompositionen von Stiefel.

Charles Lloyd mit neuer Band

Das neue Quartett ist nicht das seit Jahren bekannte "New Quartet" mit Jason Moran, Reuben Rogers und Eric Harland, sondern eine ganz neue Band mit den jungen Begleitmusikern Gerald Clayton (Klavier), Joe Sanders (Bass) und Justin Brown (Schlagzeug).

Diese Band besitzt nicht die komplette Ausgewogenheit und Harmonie der Band um Jason Moran. Was ihr an Ausgefeiltheit und blindem Verständnis fehlt, kompensiert sie vornehmlich mit rauer, aber kontrollierter Energie.

Brodelnde Rhythmen

Vor allem Sanders und Brown sorgen für brodelnde Rhythmen, die manchmal gefährlich nahe am Überkochen sind, aber noch im Zaum gehalten werden können. Clayton spielt eher gefällig als wirklich inspiriert und fällt aus diesem Grund etwas ab.

Charakteristisch für den Abend sind die langen Kompositionen, von denen niemand genau weiß, wann sie beginnen und wann sie enden. Sie sind verwoben in die hypnotisierende Stimmung des Abends.

Charles Lloyd nimmt sich ausgedehnte Pausen, in denen sich das Quartett zum Klaviertrio wandelt. Wenn er spielt, steht sein ausdrucksstarker Saxophonsound im Mittelpunkt. Sein eindringlich fließender Ton vermag der Rhythmusgruppe die Form des Spiels vorzugeben.

Zeitlose Eleganz

Egal, ob Lloyd Flöte, Tárogató oder Saxophon spielt, sein Spiel besitzt eine vornehme, zeitlose Eleganz, die ganz im Einklang mit der Welt zu sein scheint. Der musikalische und optische Kontrast mit seiner flippigen, jungen Band ist auffällig: sie scheinen noch dabei zu sein, sich kennenzulernen.

Charles Lloyd spricht kein Word, hebt lediglich die Hände zum Dank oder reckt sein Saxophon in die Höhe. Als das Konzert nach ungefähr achtzig Minuten zu Ende geht, setzt Regen ein. Die Zuschauer in der fast ausverkauften Festung in Germersheim machen sich etwas schneller als gewollt davon. Sie haben kein grandioses, aber ein im besten Sinn interessantes Konzert erlebt. Man darf gespannt sein, wie es mit Charles Lloyd und seinem "New New Quartet" weitergeht.

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