SDP (live in Mannheim, 2014)

SDP (live in Mannheim, 2014) © Jannik Rulitschka

Dieser Auftakt macht Lust auf mehr: Bereits zum zweiten Mal eröffnet das Mannheimer Openin' Festival in der Maimarkthalle die Festivalsaison des Jahres. Trotz einiger technischer Schwierigkeiten ist das Indoor-Spektakel am Ende ein voller Erfolg.

Strahlender Sonnenschein und 20 Grad: Einige sind bei diesem wunderschönen Frühlingswetter schon fast traurig, dass das Openin' eine Indoorveranstaltung ist. Offiziell öffnet das Maimarktgelände schon ab 14:00 Uhr seine Pforten, aber erst ab 17:00 Uhr beginnt sich das Areal langsam zu füllen.

Schicke Kids treffen auf Festival-People

Das Openin'-Publikum ist sehr jung, vor dem Einlass suchen noch einige mit dem obligatorischem Muttizettel nach einer volljährige Begleitperson, die sie an den Sicherheitskontrollen vorbeischleust.

Neben dem üblichen Festival-Volk sieht man auch einige aufgestylte Besucher, die nach dem Betreten der Halle erst einmal etwas orientierungslos herumirren, bis ihnen auffällt, dass sie noch ihre gefälschte Designer-Sonnenbrille aufhaben.

Stumme Einlage

Pünktlich um 17:00 Uhr betritt der österreichische Rapper Gerard die Live-Bühne. Seine Show ist solide, die Stimmung gut. Für den gemeinsamen Song "Atme die Stadt" kommt Jonas, der Sänger von OK Kid, auf die Bühne. An sich eine sehr gute Idee, leider müht sich der Arme völlig umsonst ab, denn sein Mikro ist aus.

Heisskalt haben sich im Vorfeld ein wenig den Kopf zerbrochen, was denn die Hip Hop-Fans von ihrem Auftritt halten werden, schließlich sind die vier Jungs aus Sindelfingen um einiges rockiger unterwegs als der Großteil der restlichen Openin'-Acts.

Keine Spur von Genre-Grenzen

Nach den ersten paar Takten dürfte jedoch allen klar sein: An diesem Abend geht es um alles, aber nicht um Genre-Grenzen! Von allen Seiten strömen Menschen zur Bühne und bereiten den Newcomern einen würdigen Empfang.

Der Mix aus alten Liedern und Songs vom neuen Album "Vom Stehen und Fallen" kommt an, vielen ist die halbe Stunde Spielzeit zu kurz. Auch als schon lange umgebaut wird, hört man noch "Heisskalt"-Rufe von allen Seiten. Respekt!

Claire eröffnen mit...

einem Knall! Nach den ersten sphärischen Klängen gibt es einen lauten Rumms, die Bühne ist dunkel, der Ton aus. Da ist wohl einfach mal der komplette Strom ausgefallen. Es dauert eine ganze Weile, bis das Problem gelöst ist, die Band nimmt's gelassen.

Trotzdem schade: Der Zeitplan muss natürlich eingehalten werden, darum müssen Claire nun einige Songs aus ihrem Programm überspringen. Das tut ihrer Show allerdings keinen Abbruch, auch wenn technisch weiterhin nicht alles glatt läuft.

"Mit dabei habe ich nur den Fettsack zu meiner Linken..."

Die Show von Alligatoah fängt schon lange an, bevor er überhaupt die Bühne betritt. Der Aufbau der Kulisse scheint sich ewig hinzuziehen, er hat es halt gerne gemütlich. Da muss der rote Samtvorhang und die gesamte Ahnengalerie schon sein, seine berühmtesten Vorfahren stellt er dann auch gleich selber vor, man ist ja schließlich nicht irgendwer: Papst Johannes Pauligatoah, die Mona Kaliba und "so ein nackter Typ mit Flügeln", wahrscheinlich der Erzengel Deagle.

Nicht fehlen darf natürlich auch Battle/Butlerboi Basti, der während der ganzen Tour als Backup-Rapper seinen Dienst leistet. Schade allerdings: Außer Basti sind keine weiteren Musiker dabei, eine Band würde den Auftritt sicherlich noch aufwerten.

"Feuerzeuge in die Luft, auch wenn die Daumen brennen!"

Die Show des selbsternannten Schauspiel-Rappers ist trotzdem grandios und wirkt mittlerweile auch um einiges spontaner, als noch vor ein paar Monaten. In 50 Minuten Spielzeit packt er fast alle Hits seines Nummer 1-Albums Triebwerke, die Menge direkt vor der Bühne tobt.

Ganz klares Highlight jedoch: Die älteren Songs "Namen machen" und "Mein Gott hat den Längsten", die beim Konzert in Heidelberg im Dezember nur in einem kurzen Akustik-Medley zu hören waren. Das freut auch die Fans der ersten Stunde! 

"Hallo, wir sind SDP"

Vom gespielten Egomanen Alligatoah zu den neuen Diktatoren von SDP: In Uniform stürmen sie die Bühne und lassen keinen Zweifel daran, dass in Deutschland ab jetzt ein anderer Wind weht: Die bunte Rapublik Deutschpunk wird ausgerufen, Vincent und Dag erklären sich freundlicherweise bereit den Laden zu schmeißen, dann ist ja alles geklärt.

Die zwei Berliner reißen ordentlich den Bau ab und man merkt schnell, dass das Publikum nicht mit dieser Wucht gerechnet hat. Wer die Möglichkeit hat, die "bekannteste unbekannte Band der Welt" dieses Jahr live zu erleben, sollte die Chance auf jeden Fall nutzen!

Genetikk: oder Warten auf Kraftklub

Da die Umbaupause vor Kraftklub fast eine dreiviertel Stunde dauert, strömen die Meisten zur Club-Stage, um sich die Zeit mit Genetikk zu vertreiben. Die zweite Halle ist lang, schmal und voll, die Bühne von hinten kaum zu sehen.

Schlechter als die Sicht ist allerdings noch der Sound: Ob das jetzt an der Technik, der Location oder an Genetikk liegt, ist die Frage. Wahrscheinlich eine Mischung von allem. Viele entscheiden sich deshalb für eine sofortige Umkehr und sichern sich lieber ihren Platz für Kraftklub.

Kraftklub als Headliner bei einem Hip Hop-Festival? Ja verdammt!

Mit dem Auftritt von Kraftklub erreicht das Live-LineUp des OpenIn' dann seinen Höhepunkt. Sie wussten selbst nicht so recht, was sie beim ersten Konzert 2014 erwartet, beichtet der charismatische Frontmann Felix Brummer. Damit haben sie wahrscheinlich wirklich nicht gerechnet: Riesige Pogo-Kreise, eine springende Menschenmenge, das Mannheimer Publikum sprengt fast die Decke weg!

Fast alle Songs ihres Erfolgs-Albums "Mit K" werden zum Besten gegeben. Damit ist es ja so eine Sache: "Wir arbeiten jetzt schon so lange an unserem neuen Album, hoffentlich seid ihr wieder so gut drauf, wenn wir neue Songs spielen!" Auch wenn es langsam wirklich Zeit für neues Material wird, die alten Songs sind dadurch nicht weniger fantastisch!

Hip Hop-Gören vs. Schlager-Volk

Zwar wird nach dem Ende des Live-Programms noch auf zwei Stages aufgelegt und bis tief in die Nacht weitergefeiert, der Großteil der Besucher tritt allerdings den Heimweg an, nachdem die letzten Konfetti-Flitter des Kraftklub-Finales verflogen sind.

Dabei treffen plötzlich zwei Welten aufeinander: In der SAP-Arena direkt gegenüber fand zeitgleich ein Schlagerfestival statt. Hier kommt das jüngere Openin'-Publikum deutlich besser weg: Weniger besoffen, nicht in Pöbellaune und vor allem nicht in Dirndl und Lederhose. Da soll mal noch einer sagen, das "junge Volk" könne sich nicht benehmen!

Was bleibt noch zu sagen...

Trotz einiger technischer Pannen war das Openin' ein voller Erfolg, die Kombination aus Konzert und Party kommt vor allem beim jüngeren Publikum sehr gut an. Die Organisation funktionierte reibungslos und das Gelände war nicht zu voll, das lag wohl auch daran, dass die Veranstaltung nicht ausverkauft war.

Was bleibt also hängen vom Openin' 2014? Ein wenig Kraftklub-Konfetti in den Haaren, einige Ohrwürmer für die nächsten Tage und vor allem mächtig viel Lust auf den Festivalsommer 2014!