© Kim Frank

Die Solotourneen von Lloyd Cole zählen seit vielen Jahren zu den Konstanten der deutschen Konzertlandschaft. Inzwischen scheint der Star der 1980er aber an einem toten Punkt angekommen zu sein, so dass man mit ihm fast etwas Mitleid empfindet.

"To be on tour with a band means two great hours a day and twenty-two dreadful ones" ist die Standard-Antwort, die Lloyd Cole auf die Frage gibt warum er nicht mit einer Band tourt. "If you prefer to play to 110 people in Ludwigshafen... " möchte man ihm antworten.

Im Rahmen der Promointerviews zu seinem aktuellen Album ließ er verlautbaren, dass sein aktuelles Album sein letztes Angebot an die großen Plattenfirmen sei, ihn wieder unter Vertrag zu nehmen. Starke Worte.

Aber "Standards" ist tatsächlich ein starkes Album, das er mit einer illustren Band eingespielt hat. Bei Jools Holland hat er dann mit seiner UK-Band angedeutet, wie stark diese Songs klingen könnten, wären da nicht diese furchtbaren 22 Stunden pro Tourtag...

Ohne Hornhaut an den Fingern

Und so steht er dann vor gut 100 Besuchern nicht im großen "Haus", sondern im Dôme und entschuldigt sich, dass er aufgrund häuslicher Umstände die Tour nicht vorbereiten konnte und daher ganz ungeübt daher komme.

Ein paar Songs später erläutert Lloyd Cole, dass seine Finger nach einer halben Stunde schmerzen würden, weil er das Spielen nicht mehr gewohnt sei. Am Ende der Tour hätte er dann eine Hornhaut, die dann in den Monaten zuhause, in denen er die Gitarre dann nicht mehr anrührt, bis zur nächsten Tour wieder verschwunden sei.

Im Kreislauf gefangen?

"Life's circle" nennt er es und diese und auch weitere Ansagen in ähnlich lakonischer Bitterkeit mischen sich auch an diesem Abend wieder mit all den wunderbaren Songs, die er in größtenteils in schlafwandlerischer Sicherheit vorträgt und seinen eingangs verlautbarten Aussagen Lügen straft.

Sein Gitarrenspiel, auf den unzähligen akustischen Sologigs der letzten 15 Jahren perfektioniert, setzt die Songs wunderbar in Szene. Um instrumentale Intros und Soli beraubt kommen seine Lieder in zweieinhalb Minuten auf den Punkt. Es ist das reinste Destillat seines Schaffens und doch fühlt es sich ein wenig wie ein business-as-usual-Modus an.

Sein neues Album präsentiert er in angemessenem Umfang, ohne aber mehr als einmal auf sie hinzuweisen. Die Songs fügen sich ganz natürlich in das Œuvre ein. Besonders "Myrtel & Rose" sowie "Kids Today" avancieren dabei bereits jetzt schon zu Lloyd Cole-Klassikern.

Klassiker wie Perlen aufgereiht

In der zweiten Hälfte wird er dann auch spürbar lockerer, spielt mehr neue Songs und geht dabei auch Wagnisse ein. "Oh, that was a bum chord" meint er plötzlich inmitten von "Loveless", obwohl für den Zuhörer kein Fehler zu erkennen war.

Die Klassiker reihen sich auch an diesem Freitagabend wie Perlen in eine Reihe: "No More Love Songs", "Broken Record", "Rattlesnakes", "Triggerhappy", "Unhappy Song", "Music In A Foreign Language", "Like Lovers Do" und als Setcloser seinen größten Hit "Lost Weekend", den viele immer noch für seinen griffigsten Pophit halten, was den Meister aber selbst eher mürrisch stimmt. Das Hadern mit dem eigenen Erfolg scheint einher zu gehen mit einem Hadern mit seinem Wirken.

Lehrer vor der Klasse

Phasenweise trifft der von Lloyd gezogene Vergleich er käme sich fast vor wie ein "Lehrer vor der Klasse" eindeutig zu, so andächtig und still ist das Ludwigshafener Publikum auf die natürliche aber nie strenge Autorität des Engländers fixiert.

Nach 28 Songs und zwei Zugaben ist Schluss und das Konzert lässt den Besucher ein wenig hilflos zurück: Da ist dieser in beiden Disziplinen meisterhafte Sänger/Songwriter, der unter Beweis stellt, dass er aus dem Stegreif und ohne Hornhaut auf den Fingern in der Lage ist, hochwertiges Kunsthandwerk auf die Bühne zu stellen und doch es nicht schafft, dass man ihn ob seiner Situation nicht permanent bemitleidet. Der "life circle" scheint ein "vicious circle", ein Teufelskreis zu sein.

Berühmt in den 1980ern

Wird es ihm gelingen aus diesem Teufelskreis noch zu entrinnen? Es bleibt abzuwarten, ob sich Cole mit 53 neu erfinden kann um der tragischen Musikerrolle ("very famous in the Eighties"), die er so formidabel und zynisch ausfüllt, zu entrinnen. Anstatt den großen Majors hinterher zu weinen, sollte er froh sein mit dem deutschen Indie-Label tapete-records eine Plattenfirma zu haben, die ihn stützt und ihn gut präsentiert.

Auf seiner facebook-Seite schreibt er nach dem Gig: "Well, that was a very long day. thanks to a lovely Ludwigshafen crowd for helping me through the first show when I was exhausted and ill prepared." Meine Damen und Herren: Sie erlebten soeben einen Kritikerliebling und Ex-Popstar bei der Arbeit.

Setlist

Past Imperfect | There For Her | Rattlesnakes | Kids Today | Cut Me Down | Broken Record | Rich | Can't Get Arrested | Late Night, Early Town | Don’t Look Back | Myrtle & Rose | Perfect Blue |  No More Love Songs | Ready To Be Heartbroken | Like Lovers Do | Music In A Foreign Language | Pay For It | Trigger happy  Blue Like Mars | No Blue Skies |  My Little Butterfly | Period Piece |  Loveless | Hey Rusty | It’s Late | Perfect Skin | Unhappy Song | Lost Weekend

Zugabe: 2cv | Undressed

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