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José James © Janette Beckman, Quelle: The Windish Agency Press Photos

Der New Yorker Sänger José James verwob mit seinem Quartett am 17. April in Hamburg höchst entspannt Jazz, HipHop und R&B. Neben Songs des neuen Albums "No Beginning No End" interpretierte er auf virtuose Weise sein Vorbild Bill Withers.

Was haben Giovanni di Lorenzo und Jan Delay gemeinsam? Zumindest auf musikalischer Ebene ist die Antwort einfach: der ZEIT-Chefredakteur und der Funk-Chefstyler sind beide Anhänger des Jazz-Sängers José James.

Zusammen mit 300 anderen Konzertgängern haben sie sich an diesem Mittwochabend an einer der ungemütlicheren Ecken Hamburgs eingefunden. Der Stage Club liegt eingeklemmt zwischen einem Versicherungsgebäude und dem Musical-Theater „Neue Flora“, in dem DSDS-Gewinner Alexander Klaws vor Busladungen von Touristen noch bis Endes des Jahres den Tarzan gibt.

Relaxt

Das alles braucht José James nicht weiter zu interessieren. Er hängt vor Konzertbeginn lieber backstage vor dem Kaminfeuer des Stage Club ab und genießt den ein oder anderen Joint. Das legt jedenfalls die Form seiner Augen nahe, die schmal wie Mondsicheln sind, als James nach einem Instrumental seiner 4-köpfigen Band die Bühne betritt.

Ein kurzes „How yer doin‘, y’all?“, dann legen die fünf mit dem lockeren HipHop-Groove von Trouble los, ein Song seines neuen Albums No Beginning No End, das im Januar sein Debüt für Blue Note Records bedeutete.

Ehe er zu dem legendären Jazzlabel wechselte, war der Sänger mit den panamaischen Wurzeln vom einflussreichen Londoner DJ Gilles Peterson entdeckt worden – 2006 war das. Für dessen Label Brownswood Recordings nahm er zwei Alben auf, eines mit Jazz-Einschlag, eines mit deutlichen R&B-Akzenten. No Beginning No End bringt nun beide Pole zusammen.

Jazzkunst höchster Güte

An diesem lauen Aprilabend schart José James New Yorker Jazzkunst höchster Güte um sich: Trompeter Takuya Kuroda, Bassist Solomon Dorsey, Kris Bowers an den Fender Rhodes und Richard Spaven an den Drums. Alle zwischen 25 und 35, alle gut gelaunt und extrem entspannt angesichts der Tatsache, dass auf der Bühne Temperaturen von geschätzt 40°C herrschen.

Waschechte Brooklyn-Hipster sind sie alle, Solomon Dorsey vorweg, der in Streifen-Shirt, Opa-Brille und Schweinsteiger2006-Gedächtnisfrisur derart lässig seinen E-Bass zupft, als ob er sich für eine Bandmitgliedschaft bei Neo-Soul-Sänger D’Angelo bewerben würde.

James selbst, gewandt in Karohemd und Baseballcap, greift im Laufe des Abends gleich mehrfach zur Westerngitarre, um einige rhythmische Licks beizusteuern. Ein Novum für den Mann, der im Interview mit Gilles Peterson kürzlich noch zugab, bis zu den Aufnahmen der neuen Platte 17 Jahre lang keine Gitarre angefasst zu haben.

Große Bandbreite

Das interessiert hier jedoch niemanden, bei José James zahlt man das Eintrittsgeld, um den Mann singen zu hören. Sein warmer Bariton ist wie geschaffen für jede Art von Jazzballade, doch die Bandbreite des Sängers ist weit größer.

Er croont wie Nat King Cole, er scattet wie Louis Armstrong und rappen kann er ohnehin. Das allerdings eher im Sprechgesangs-Stil von Gil Scott-Heron, dessen politisch engagierter Proto-Rap-Jazzfunk eine große Inspirationsquelle für James gewesen sein dürfte.

Als der New Yorker gegen Endes des Konzerts Ain’t No Sunshine anstimmt, die Soul-Hymne schlechthin, die selbst jene kennen, die Bill Withers nicht von Frank Sinatra auseinanderhalten können, ist das ein beinahe zu nahe liegendes Cover.

Aber die Band entwickelt bald einen Jam daraus, in den sie zwei weitere Withers-Songs einwebt, und nimmt sich Zeit für ausschweifende Instrumentalpassagen. Das lange Solo von Keyboarder Kris Bowers ist dann auch mehr Fusion- als Kuscheljazz, mehr Weather Report als Al Green.

Und wenn José James nach einer viel zu kurzen Viertelstunde zurück zu Ain’t No Sunshine findet und Withers‘ endlosen „I know, I know, I know”-Sermon in einem Rap mit der Zeile „If I get to Heaven” aus dem Song Grandma’s Hands verbindet, dann ist das mehr als nur ein Medley: es ist schlicht große Kunst.

Kein Jazz zum Kuscheln

Beinahe schade, dass die fünf das Tempo danach wieder herunterfahren. No Beginning No End, den Titelsong des Albums, hat James als den „Baby-Maker“ unter seinen Songs beschrieben. Aber zum Schmusen ist der Bass einfach zu tief, das Schlagzeug zu laut, die Trompete zu expressiv – das Territorium der Band ist die Improvisation, nicht die Reproduktion.

Der Stage Club ist nicht der beste Ort für einen hochklassigen Konzertabend. Das Dekor erinnert an eine Hotellobby, die Bühnenbeleuchtung ist zu statisch und grell, und der Glitzervorhang scheint dem Ballsaal eines zweitklassigen Kreuzfahrtschiffes entnommen

Doch José James hat den Club für eine Nacht in eine hippe Brooklyner Jazzbar verwandelt. Das wird selbst Jan Delay zugeben müssen.

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