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"Der Markt ist riesig"

Ed Sheeran vs. Viagogo, der Ticketzweitmarkt und wie Dr. Markus Schütz dagegen vorgeht

Interview von Daniel Nagel
veröffentlicht am 11.01.2019

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Ed Sheeran vs. Viagogo, der Ticketzweitmarkt und wie Dr. Markus Schütz dagegen vorgeht

Dr. Markus Schütz vertritt Ed Sheeran im Rechtsstreit mit Viagogo. © Schütz Rechtsanwälte

Schütz Rechtsanwälte, die Kanzlei von Dr. Markus Schütz aus Karlsruhe, vertritt Ed Sheeran und seinen deutschen Konzertveranstalter FKP Scorpio beim Kampf gegen Ticketzweithändler wie Viagogo. Wir sprachen mit ihm über den Schwarzmarkt, Ticketpersonalisierung, die Vorgehensweise von Viagogo und die Gefahr mit dort erworbenen Tickets keinen Einlass zum Konzert zu erhalten.

Backstage PRO: Herr Dr. Schütz, das Landgericht Hamburg hat auf Antrag Ihrer Kanzlei eine einstweilige Verfügung gegen den Ticketzweithändler Viagogo erlassen. Was genau besagt diese einstweilige Verfügung?

Dr. Markus Schütz: Viagogo ist es bei Androhung einer Strafe verboten, bestimmte Angebote bezüglich der Tickets für die Deutschlandtour von Ed Sheeran anzubieten. Das betrifft insbesondere Tickets, deren tatsächlicher Originalpreis vom Preis bei Viagogo abweicht sowie die Angabe, dass man mit diesen Tickets problemlos Einlass zur Veranstaltung erhält.

"Die Gültigkeit des Tickets ist verbunden mit dem Namen"

Backstage PRO: Warum ist das unzutreffend?

Dr. Markus Schütz: Ed Sheeran hat alle Tickets personalisieren lassen, das heißt, der Name des Käufers ist auf den Tickets aufgedruckt. Eine Umschreibung des Namens darf nur unter besonderen Umständen erfolgen. Wenn sie nicht erfolgt und der Name des Käufers nicht mit dem Namen des Konzertbesuchers übereinstimmt, erhält man keinen Zutritt zur Veranstaltung.

Backstage PRO: Wenn ich mit einem bei Viagogo gekauften Ticket zum Konzert von Ed Sheeran komme und mein Name nicht mit dem Namen auf dem Ticket übereinstimmt, wird mir der Einlass zum Konzert verweigert, obwohl ich ein gültiges Ticket besitze. Wie kann das sein?

Dr. Markus Schütz: Ja, mit der Einschränkung, dass sie in diesem Fall kein gültiges Ticket besitzen. Die Gültigkeit des Tickets ist verbunden mit dem Namen, der auf dem Ticket abgedruckt ist. Wenn Sie ein Ticket vorzeigen, auf dem der Name "Manuel Schwarz" steht und Sie nicht "Manuel Schwarz" sind oder gemeinsam mit "Manuel Schwarz" das Konzert besuchen, ist dieses Ticket für Sie ungültig und berechtigt nicht zum Eintritt. Das ist die Besonderheit der personalisierten Tickets.

Backstage PRO: Welche rechtlichen Möglichkeiten habe ich als Käufer von Tickets über Viagogo? Ich habe ja nichts Verbotenes getan, aber möglicherweise sehr viel Geld vergeblich ausgegeben.

Dr. Markus Schütz: Wenn Sie mit einem beispielsweise bei Viagogo gekauften Ticket nicht in die Veranstaltung kommen, werden sie an den sogenannten Troublecounter des Veranstalters geführt. Sie erhalten dann die Möglichkeit ein gleichwertiges neues Ticket zum Originalpreis zu erwerben. Gleichzeitig füllen sie einen Bogen aus, auf dem sie angeben, wo, wann und zu welchem Preis sie dieses Ticket gekauft haben. Anschließend erhalten sie eine Bestätigung, dass dieses bei Viagogo gekaufte Ticket gesperrt worden ist. Mit dieser Sperrerklärung können sie sich an Viagogo wenden. In den Garantieerklärungen von Viagogo steht, dass wenn jemand mit einem bei Viagogo gekauften Ticket nicht in die Veranstaltung kommt, Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises hat.

Backstage PRO: Wie stehen in diesem Fall die Chancen, mein Geld zurückzuerhalten?

Dr. Markus Schütz: Tatsächlich ist es in der Vergangenheit von Viagogo umgesetzt worden. Wie man es aber von dem Unternehmen gewohnt ist, dauert es sehr lange. Man muss hartnäckig bleiben und möglicherweise klagen. Wir erhalten viele Anrufe von Viagogo-Käufern, weil Viagogo nicht auf Anfragen reagiert. Viele Käufer geben irgendwann auf.

"Viagogo hat ein Geschäftsmodell und eine Masche"

Backstage PRO: Wenn ich aktuell die Seite von Viagogo aufrufe, sehe ich zahlreiche Angebote für Ed Sheeran-Tickets. Im Fall Rammstein verhält es sich ähnlich. Ignoriert Viagogo die einstweiligen Verfügungen?

Dr. Markus Schütz: Viagogo hat natürlich ein Geschäftsmodell und eine Masche. Die besteht darin, dass das Unternehmen seinen Sitz in Genf im französischsprachigen Teil der Schweiz gewählt hat.

Backstage PRO: Welche Folgen hat das?

Dr. Markus Schütz: Die Schweiz gehört nicht zur EU. Daher müssen alle Urteile und Beschlüsse, die in Deutschland gegen Viagogo erworben werden, erst auf einem komplizierten Weg in der Schweiz zugestellt werden. Viagogo hat zwar Kenntnis davon, dass die Verfügung erlassen wurde, aber solange nichts formell und ordnungsgemäß in der Schweiz zugestellt worden ist, halten sie sich auch nicht daran. Da diese formelle Zustellung ein behördlicher Vorgang ist, dauert die Zustellung Wochen. Das Landgericht Hamburg muss seinen Beschluss offiziell auf Französisch übersetzen lassen und anschließend die einstweilige Verfügung über den diplomatischen Weg in der Schweiz zustellen.

Backstage PRO: Welche Möglichkeiten habe ich als Ticketkäufer, wenn ich meine gekaufte Karte wieder loswerden will?

Dr. Markus Schütz: Der Konzertveranstalter FKP Scorpio hat gemeinsam mit dem Management von Ed Sheeran für solche Fälle die Möglichkeit geschaffen, die Tickets über die Plattform fanSALE zu verkaufen. Dabei handelt es sich um eine Zweitverkaufsplattform des ursprünglichen Ticketverkäufers Eventim. Dabei achtet fanSALE darauf, dass nur ein bestimmter Höchstpreis für die Tickets verlangt werden darf. Allerdings dürfen Verkäufer Unkosten und Bearbeitungsgebühren auf den Originalpreis des Tickets aufschlagen, weshalb der neue Käufer ein bisschen mehr zahlen wird als den Originalpreis.

"Der Veranstalter entscheidet, wie Einlass und Weiterverkauf ablaufen"

Backstage PRO: Ist es zulässig, dass die Tickets zwingend über fanSALE verkauft werden müssen?

Dr. Markus Schütz: Ja, das ist zulässig. Bei den Ed Sheeran-Konzerten handelt es sich um eine Privatveranstaltung. Der Veranstalter entscheidet, wie Einlass und Weiterverkauf ablaufen werden. Ed Sheeran wehrt sich ja schon seit Jahren gegen den Ticket-Schwarzmarkt. Aus diesem Grund wird der Weiterverkauf durch fanSALE kanalisiert. Alles, was über fanSALE läuft, ist sicher. Ein Ticket kann weiterverkauft werden, aber nur auf dem vorgeschriebenen Weg.

Backstage PRO: Ist eine Umpersonalisierung der Tickets vor Ort möglich, beispielsweise durch Vorlage einer Vollmacht?

Dr. Markus Schütz: Eine Umpersonalisierung vor Ort sollte generell gestattet sein, denn es ist immer möglich, kurzfristig zu erkranken. Was die Ed Sheeran-Konzerte angeht, kann ich ihnen zur konkreten Umsetzung vor Ort allerdings keine Auskunft geben. Hier gilt es die Ankündigungen des Veranstalters abzuwarten. Unabhängig davon ist die Umpersonalisierung vor Ort mit einer Vollmacht ein formaler Aufwand, die es Schwarzmarkthändlern erschwert, Tickets zu anonym zu verkaufen.

"Es handelt sich um ein sehr lukratives Geschäft"

Backstage PRO: Wie lukrativ ist das Geschäft der Schwarzmarkthändler mit Konzerttickets?

Dr. Markus Schütz: Es handelt sich um ein sehr lukratives Geschäft. Aus diesem Grund haben wir uns auf das sogenannte Ticket-Enforcement spezialisiert. Der Markt ist riesig, weil die Nachfrage riesig ist und es zu wenige Experten für dieses Thema gibt. Es ist mühsam, herauszufinden, wo die Händlernetzwerke sitzen, wie sie miteinander verwoben sind, wo sie sich die Karten besorgen und wie sie agieren. Die Angebote vor Ort sind das geringste Problem. Das Problem sind die Händlerringe im Internet, denn diese sind auf verschiedenen Plattformen unter Alias-Namen mit verschiedenen Accounts tätig und können über das Internet eine große Menge Menschen erreichen.

Backstage PRO: Wie geht ihre Kanzlei dabei vor?

Dr. Markus Schütz: Wir haben die allgemeinen Geschäftsbedingungen von Veranstaltern und Fußballclubs soweit abgeändert, dass auch der kommerzielle Weiterverkauf verboten ist. Diesen Verstoß können wir auch im Internet feststellen: Leute kaufen sich vier Tickets und verkaufen sie zum dreifachen Preis oder versuchen mit Aktionen die Gewinne zu maximieren. Das ist nicht zulässig. Wenn wir diesen Verstoß im Internet feststellen, sperren wir nicht nur das Ticket für den Käufer, wir verlangen von dem Verkäufer auch eine Vertragsstrafe, die bis zu 2500€ betragen kann.

Backstage PRO: Erlaubt ist in diesem Fall nur der Ticketverkauf ohne Gewinnabsicht?

Dr. Markus Schütz: Genau. Es muss jederzeit möglich sein, ein erworbenes Ticket wieder zu verkaufen. Das ist auch völlig richtig und soll auch so bleiben. Das gilt aber nicht, wenn man das Ticket mit dem Ziel erwirbt, es mit Gewinn weiterzuverkaufen.

Backstage PRO: Wie stehen die Veranstalter ihrem Kampf gegen die Schwarzmarkthändler gegenüber?

Dr. Markus Schütz: Veranstalter in ganz Europa schimpfen über den Schwarzmarkt, aber es erfolgen keine konzertierten Aktionen. Europaweite Initiativen mit dem Ziel von Gesetzesänderungen benötigen viel Zeit. Daher führt derzeit und mittelfristig nur eine Personalisierung der Tickets dazu, dass der Druck auf die Schwarzmarkthändler steigt. Wenn potentielle Käufer erfahren, dass der Kauf personalisierter Tickets von unautorisierten Verkäufern im Internet riskant ist, da die Möglichkeit besteht, dass man mit diesen nicht in die Veranstaltung kommt, dann wird das den Schwarzmarkthändlern schaden.

Backstage PRO: Vielen Dank für das Gespräch.

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Update, 14. Januar 2019: Als Redaktion auf dieses Interview erhielten wir von Viagogo folgende Nachricht:

Hi, 

In response to your article please see the below statements from viagogo:

"The tickets sold on viagogo’s platform are genuine tickets that have been sold on by the original ticket purchaser in good faith. Event organisers sometimes make claims that they will deny entry to people who have purchased resold tickets. These types of entry restrictions are highly unfair and in our view, unenforceable and illegal. Therefore, as with all tickets on our platform, viagogo customers should feel confident that they will gain entry to the event, and that is why we back every ticket with the viagogo guarantee."

"If a customer has any problems with their tickets, we urge them to contact us immediately on our event day hotline. We are often able to find replacement tickets right away, and in the rare instances we are not able to, customers receive a full refund."

Could you please confirm that you will be including our statement within your article.

Regards,

Press Office

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