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Künstler gehen leer aus

Musiker Olaf Schönborn erhält Bescheid über 0 Euro: Beispiel zeigt Fallstricke der Novemberhilfen

Spezial/Schwerpunkt von Daniel Nagel
veröffentlicht am 05.03.2021

kulturpolitik coronakrise

Musiker Olaf Schönborn erhält Bescheid über 0 Euro: Beispiel zeigt Fallstricke der Novemberhilfen

Der Saxophonist Olaf Schönborn erhielt einen Förderbescheid über 0 Euro. © OS

Von den November/Dezemberhilfen versprachen sich viele Kulturschaffende effektive Unterstützung. Das Beispiel des Jazzmusikers Olaf Schönborn zeigt, dass diese Hoffnung enttäuscht werden kann.

Saxophonist Olaf Schönborn erhielt Ende Januar 2021 einen Förderbescheid über die Novemberhilfen in Höhe von 0 Euro. Diesen Umstand machte er durch einen Facebook-Post öffentlich. 

Schönborn ist kein Einzelfall, wie uns Fynn Meyer verrät, der als ausgebildeter Steuerfachangestellter und jetziger Masterstudent bei der Steuerberatungsgesellschaft AST in Ludwigshafen für die Beantragung der November/Dezemberhilfen zuständig ist. 

Viele Musiker und Kulturschaffende gehen bei den Hilfen leer aus – und das hat häufig einen einfachen Grund, erläutert Meyer: "Der Nebenjob macht es kaputt."

Selbstständige im Hauptberuf

Voraussetzung für den Erhalt der November/Dezemberhilfen für Soloselbstständige und selbstständige Angehörige der Freien Berufe ist nämlich, dass die Antragsteller mindestens 51% ihrer Einkünfte im Jahr 2019 aus einer gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit erzielt haben. Nur dann gelten sie als Selbständige oder Freiberufler im Haupterwerb.

Mit Einkünften ist aber gerade nicht der Umsatz gemeint, sondern (sehr vereinfacht) der Gewinn aus den jeweiligen Tätigkeiten. Der Umsatz kommt erst für die Berechnung der November/Dezemberhilfen ins Spiel. Aber wer nicht die Mehrzahl seiner Einkünfte aus freiberuflicher oder selbstständiger Tätigkeit erzielt, hat keinen Anspruch auf diese Hilfen. 

Kein Anspruch auf Hilfe

Das ist bei Olaf Schönborn der Fall. Der Saxophonist ist freiberuflicher Musiker, aber darüber hinaus ist er an einer Musikschule mit einem Deputat von 13 Stunden pro Woche angestellt. Seine Einkünfte aus der Lehrtätigkeit übersteigen allerdings die Einkünfte aus seiner künstlerischen Tätigkeit, obwohl Schönborn in normalen Jahren mehr als 100 Konzerte spielt. 

Deshalb gilt er als Angestellter im Hauptberuf und hat keinen Anspruch auf November/Dezemberhilfe. Dass seine Musik den Großteil seines Zeitbudgets einnimmt, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.

Viele fallen durch das Raster

Wie Schönborn geht es vielen Musikern, denn die Kombination aus Festanstellung und Selbstständigkeit ist gerade unter Künstlern weit verbreitet. Da die Möglichkeiten des Absetzens als Selbstständiger oder Freiberufler weitaus umfassender sind denn als Angestellter, ist es sehr viel leichter, den Gewinn zu mindern. 

Schönborns Erfahrungen zeigen ein weiteres Mal, dass die Corona-Hilfen des Bundes, in diesem Fall November- und Dezemberhilfen, an der Lebenswirklichkeit vieler Betroffener vorbeigehen.

"Es sind nur wenige, die wirklich durch das Raster fallen, aber davon ist ein beträchtlicher Teil Künstler und Kulturschaffende", so Meyer. Er plädiert dafür, Künstlern, die nachweislich einen Großteil ihrer Tätigkeit mit Kunst und kreativen Projekten verbringen, auch Zugang zu den entsprechenden Hilfen zu gewähren.

Unveränderte Probleme

Die gleiche Erfahrung werden viele Musiker und Kulturschaffende auch bei den Neustarthilfen machen, denn die Anforderung, dass Antragsteller 51% ihrer Einkünfte aus einer gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit erzielt haben müssen, gilt auch dort.

"Das Kernproblem der staatlichen Hilfen ist trotz einiger Nachbesserungen unverändert", berichtet Fynn Meyer. "Wer keine Angestellten und keine hohen Fixkosten hat, profitiert wenig. Die schwankende Auftragslage für Künstler ist ein zusätzliches Problem. Wenn 2019 kein gutes Jahr war, macht sich das direkt in der Höhe der Hilfen bemerkbar."

Es gibt auch Gewinner

Die November/Dezemberhilfen funktionieren am besten für Unternehmen, die viel Geld für den Einkauf von Waren ausgeben, verrät Meyer. Ein Nobelgastronom, der monatlich für viel Geld hochwertige Lebensmittel einkauft, kann sich diese Ausgaben in den Monaten sparen, in denen er zwangsweise schließen muss.

Aufgrund seines hohen Umsatzes erhält er aber relativ hohe Hilfen für diese beiden Monate. Die Hilfen in Höhe von 75 % des Umsatzes werden aber nicht durch Ausgaben in vergleichbarer Höhe gemindert, so dass am Ende ein satter Gewinn steht, erklärt Meyer.

Daraus sollte man aber nicht schließen, dass Gastronomen pauschal zu den Gewinnern zählen. In allen betroffenen Branchen ist die Spannbreite sehr breit und hängt sehr von dem genauen Geschäftsmodell ab. 

Licht und Schatten

Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Regeln ständig ändern, so dass Steuerberater und andere prüfende Dritte dauernd in Erfahrung bringen müssen, ob die Regeln, die gestern noch galten, auch heute noch gelten. Das sorge für sehr viel Unzufriedenheit und Missmut bei den Betroffenen.

Als positiv bewertet Meyer hingegen die Einbeziehung der indirekt Betroffenen. Ton- oder Lichttechniker, die von der Absage von Events direkt betroffen sind, können ebenso Hilfen beantragen wie Caterer oder andere Dienstleister. "Dadurch wurden doch einige Kulturschaffende abgefangen, allerdings vor allem diejenigen, die nicht auf der Bühne stehen."

Es wäre schön, wenn diejenigen, die auf der Bühne stehen, auch effektive Hilfe erhalten würden. Trotz verschiedener Hilfsprogramme des Bundes und der Länder gehen die Künstler immer wieder leer aus.

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