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Das geht ins Ohr

In-Ear-Monitoring: Die größten Vorteile und häufigsten Probleme

Tipps für Musiker und Bands von Reinhard Goebels
veröffentlicht am 21.01.2020

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In-Ear-Monitoring: Die größten Vorteile und häufigsten Probleme

Auch Joris setzt auf In-Ear-Monitoring. © Torsten Reitz

Die Verwendung von In-Ear-Monitoring sowohl auf der Bühne als auch im Proberaum erfreut sich nach wie vor einer wachsenden Beliebtheit. Wir wollen euch die größten Vorteile gegenüber herkömmlichem Monitoring mit Wedges vorstellen, aber auch einige der Schwierigkeiten, die sich beim Einsatz ergeben können.

Es gibt eine Reihe von schlagkräftigen Argumenten, die immer mehr Musiker dazu veranlasst, den guten alten Monitorboxen Lebewohl zu sagen und stattdessen auf In-Ear-Monitoring zu setzen. Dazu gehören in erster Linie:

Schutz des Gehörs

Gute In-Ear-Kopfhörer wirken als effektiver Gehörschutz, indem sie den Außenschall stark dämpfen und dadurch ermöglichen, dass ein viel leiseres Signal über die Hörer für eure Performance völlig ausreicht. Besonders Bands, bei denen es sehr laut wird (etwa aus dem Hard'n'Heavy-Bereich) erweisen ihren Ohren durch den Einsatz von In-Ear-Monitoring einen Gefallen.

Voraussetzung ist natürlich, dass die Lautstärke auf den Hörern nicht zu hoch wird. Achtet diesbezüglich auch immer darauf, einen Limiter einzusetzen, um etwaige gefährliche Pegelspitzen (etwa durch Feedback oder dem Einstöpseln von Kabeln) abzufangen. In der Regel ist ein solcher bereits in In-Ear-Systemen integriert.

Besserer Monitorsound

Mit Monitorboxen lässt sich nur eingeschränkt regeln, wie euer Bühnensound am Ende klingt; beeinflusst wird der Gesamtsound schließlich auch durch die Akustik auf der Bühne, dem lauten Schlagzeug, den Monitorboxen eurer Mitmusiker sowie etwaigen Amps, sofern letztere auf herkömmliche Weise mit Boxen auf der Bühne betrieben werden.

Beim Einsatz von In-Ear Monitoring landet auf euren Ohren im Idealfall nur das, was ihr auch wirklich dort haben wollt – und das sogar unabhängig davon, wo ihr euch auf der Bühne befindet und welche akustischen Eigenschaften die Location aufweist. Zudem hat jeder Musiker die Möglichkeit, seinen individuellen Mix genau nach den eigenen Wünschen zu erhalten.

Schutz der Stimme

Hört sich ein Sänger nicht gut genug, führt das häufig intuitiv zu ungesunder erhöhter Anstrengung, um sich stimmlich im Mix durchzusetzen. Mit Wedges ist dieses Problem nicht immer leicht zu lösen, wenn etwa in einem kleinen Proberaum schnell Feedback entsteht oder ein Raum akustisch ungünstig und der Sound insgesamt undifferenziert ist.

Höhere Lautstärke und/oder empfindliche Ohren bewirken zudem, dass euer Gehör schneller ermüdet, sodass ihr weniger differenziert hört. Auch das kann sich neben den offensichtlichen Gefahren für eure Ohren auf eure Stimme auswirken.

Besserer Gesamtsound

Das Schlagzeug auf der kleinen Bühne ist laut, der Bass wird angepasst, Gitarrist 1 dreht den Volume-Kanal auf, um sich darüber gut hören zu können, Gitarrist 2 fühlt sich gezwungen noch einen oben drauf zu setzen… Der Techniker flucht, weil ihm schon so viel von der Bühne entgegenschallt, dass er kaum noch mischen kann, die Mikrofone produzieren Feedback – dem ein oder anderen dürfte eine solche Situation sehr bekannt vorkommen.

Natürlich lässt sich an solchen Problemen auch ohne In-Ear arbeiten, doch mit In-Ear kommen sie gar nicht erst auf; denn es muss keiner auf der Bühne laut aufdrehen, um sich gut zu hören. Der Techniker hat demnach viel Spielraum, um den perfekten Sound für die PA zu mischen. Mit den Monitorboxen fällt außerdem die zuverlässigste Feedbackquelle weg.

Besser spielen, besser arrangieren

Durch die hohe Transparenz eines guten In-Ear-Sounds könnt ihr nicht nur euer eigenes Spiel genauer überprüfen und feststellen, wo ein Part vielleicht doch nicht ganz so sauber klingt; zugleich hört ihr natürlich auch detaillierter, was eure Kollegen eigentlich so spielen, sodass ihr besser gemeinsam an euren Arrangements feilen könnt.

Weniger zu Schleppen, mehr Platz

Zugegeben: Unzählige Venues stellen Monitorboxen zur Verfügung. Ist das jedoch nicht der Fall, habt ihr mit In-Ear-Systemen deutlich weniger Gewicht zu schleppen und spart viel Platz im Vergleich zu mehreren sperrigen Monitorboxen, und das natürlich nicht nur im Auto: Auch auf der Bühne könnt ihr euch somit mehr Platz verschaffen.

Warum kein In-Ear Monitoring?

Im Hobby- und semiprofessionellen Bereich ist In-Ear-Monitoring dennoch nicht so verbreitet, wie man ob der genannten Vorzüge zunächst meinen könnte. Was sind die Gründe?

Zusätzliche Kosten

Die wohl offensichtlichsten Gründe sind finanzieller Natur, denn gutes Equipment hat natürlich auch seinen Preis. Zusätzlich zu Sender/Empfänger-Sets können einige weitere Kostenpunkte entstehen: Habt ihr nur ein kleines Mischpult etwa für den Gesang im Proberaum und wollt dort In-Ear-Monitoring nutzen, verfügt dieses unter Umständen nicht über ausreichend AUX-Wege. Hier muss also ggf. aufgerüstet werden. Lassen sich eure Amps zudem nicht direkt ins Mischpult speisen, sind zusätzliche Mikros notwendig, um die Boxen abzunehmen.

Gute Hörer für In-Ear-Monitoring sind nicht billig. Die Deluxe-Varianten, die mittels Ohrabdruck beim Akustiker maßgefertigt werden und die mit Hilfe mehrerer Treiber für verschiedene Frequenzbereiche ein natürlicheres Klangbild erzeugen, kosten einige Hundert bis weit über 1.000 Euro. Solche Investitionen möchte man nicht unbedingt nebenbei tätigen.

Durch die Benutzung eines kabelgebundenen Systems anstatt von drahtlosem In-Ear-Monitoring lässt sich ein Teil der Kosten einsparen. Dies bietet sich jedoch nur für Musiker an, die sich aufgrund ihres Instruments auf der Bühne ohnehin kaum vom Fleck bewegen wie Schlagzeuger oder Keyboarder.

Anderes Gefühl

Außerdem bricht bei weitem nicht jeder, der In-Ear-Monitoring das erste Mal testet, unmittelbar in Begeisterungsstürme aus. Zunächst einmal ist In-Ear-Monitoring keine Wunderwaffe, die automatisch einen perfekten Mix serviert – ein guter Mix ist jedoch unabdinglich, um wirklich Spaß damit zu haben.

Ein größeres Problem dürfte jedoch das Feeling sein. Beim Umstieg auf In-Ear-Monitoring bedarf es häufig einer gewissen Gewöhnungszeit, denn das "Hörerlebnis" des direkt in den Ohren entstehenden Sounds unterscheidet sich deutlich im Vergleich zu eingesetzten Monitorboxen.

"Ich hör' mich zu gut"

Dabei kann auch irritieren, dass jede noch so kleine Unsauberkeit im Spiel auf einmal viel deutlicher wahrgenommen wird. Das ist umso mehr der Fall, wenn man es mit den individuellen Mixing-Möglichkeiten übertreibt und sich selbst im Vergleich zum Rest der Band viel zu laut dreht.

Besonders Sänger geraten leicht aus der Balance, da sie aufgrund der höheren Lautstärke dazu neigen, zurückhaltender zu singen. Seid euch dessen bewusst und experimentiert lange und viel, um einen Mix zu finden, mit dem sich optimal arbeiten lässt.

Probleme mit dem Sound

Verschiedene Faktoren können zudem dazu beitragen, dass der In-Ear-Sound Schwierigkeiten bereitet. Dazu gehören:

  • Der natürliche Hall der Umgebung geht beim In-Ear-Monitoring logischerweise verloren. Viele Sänger versuchen unbewusst den fehlenden Raumklang durch mehr Anstrengung beim Singen zu kompensieren, was schnell zu Heiserkeit führt. Der (vorsichtige) Einsatz von Hall verschafft hier Abhilfe.
  • Mono-Mix: Zunächst einmal kann ein Mono-Mix zu Schwierigkeiten führen, das eigene Instrument differenziert herauszuhören, insbesondere dann, wenn zwei Personen das gleiche Instrument spielen. Ein Stereomix, bei dem die Instrumente durch Panning an verschiedenen Positionen im Stereopanorama platziert werden können, sorgt jedoch nicht nur für mehr Transparenz, sondern grundsätzlich auch für ein natürlicheres Hörerlebnis. Weniger natürlich und potentiell irritierend ist allerdings, dass sich die Richtung, aus der die Instrumente erklingen, nicht ändert – egal, wohin man sich dreht.
  • Das körperliche Empfinden der Bässe geht verloren. Insbesondere Schlagzeuger haben zuweilen Probleme damit, dass sie beim Einsatz von In-Ear-Monitoring die Bass-Drum nicht ausreichend wahrnehmen. Um dies zu kompensieren, ist es möglich, einen sogenannten Bass-Shaker einzusetzen, der am Drum-Hocker befestigt wird und beim Kick der Bass-Drum vibriert, sodass der Beat spürbar gemacht wird.

Allein im Kopf

Nicht jeder ist zudem sehr angetan davon, die ganze Show über Ohrhörer zu tragen. Viele Nutzer klagen besonders zu Beginn über ein sehr gewöhnungsbedürftiges Gefühl der Isolation, da sie von den Umgebungsgeräuschen und Rufen aus dem Publikum kaum etwas wahrnehmen.

Um dem entgegenzuwirken, bieten Hersteller von In-Ear-Kopfhörern zuweilen Ambience-Lösungen an, durch die mehr von den Außengeräuschen durchdringt. Der Nachteil: Mehr Lautstärke von außen (also auch mehr Schlagzeug etc.) können dazu verleiten, den In-Ear-Mix lauter zu drehen, damit er besser hörbar ist.

Alternativ dazu können auch Ambience-Mikrofone aufgestellt werden, die auf das Publikum gerichtet sind und die dem Monitormix hinzugemischt werden. Auch über diese landet jedoch unweigerlich Schall von außen wieder im Mix.

Häufiger zu sehen ist zudem die Variante, nur einen In-Ear-Hörer zu tragen und das andere Ohr freizulassen. Aus gesundheitlicher Perspektive ist das jedoch nicht unbedenklich: Geräusche, die nur auf einem Ohr wahrgenommen werden, werden als viel leiser empfunden, sodass hier schnell das Bedürfnis entsteht, die Lautstärke deutlich zu erhöhen.

Ein weiteres Problem: Die bandinterne Kommunikation wird erschwert. Entweder muss diese stets über Mikros erfolgen, oder aber umständlich jedes Mal einer der Hörer aus dem Ohr genommen werden. Das erschwert vor allem schnelle Absprachen auf der Bühne, kann aber durchaus auch im Proberaum lästig werden.

Die Hörer passen nicht

Selbst Hörer, die zu Beginn einer Show vermeintlich gut sitzen, können bei viel Bewegung und Schwitzen zuweilen herausrutschen. Dabei verändern sich die Klangeigenschaften stark und ein beträchtlicher Teil der Dämpfung geht verloren, und nicht immer bietet sich gleich die Gelegenheit, den Sitz wieder zu korrigieren. Besonders sicher sitzen logischerweise maßgefertigte Hörer.

Erhöhter Aufwand

In manchen Fällen kann der Einsatz von In-Ear-Monitoring bei Konzerten zusätzliche Umstände bereiten.  Komplizierter wird es zunächst dann, wenn in einer Location bereits Wedges verkabelt sind und ihr gemeinsam mit anderen Bands spielt, die diese verwenden. Zunächst einmal solltet ihr klären, ob die Anlage vor Ort über genügend Auxwege verfügt, um beide Monitoringvarianten parallel zu verwenden – andernfalls müssen die vorhandenen AUX-Wege zwischen den Auftritten umständlich umbelegt werden.

Um diesem Problem aus dem Weg zu gehen, bietet es sich an, ein eigenes Mischpult für euer In-Ear-System mitzubringen. Mit Hilfe eines Splitters schickt ihr die Signale sowohl an euer Pult als auch ans FOH – mit dem netten Nebeneffekt, dass ihr an eurem Pult nun selbst euren In-Ear-Sound mixen könnt.

Moderne Digitalmixer bieten sogar die Möglichkeit, dass sich jeder in eurer Band mit Hilfe von Personal-Mixern oder einer App fürs Tablet/Smartphone zeitgleich seinen eigenen Mix anpassen kann. Doch auch bei dieser Lösung müssen zunächst die Mikrofone oder die Amps selbst mit eurem Splitter und dieser anschließend wiederum mit dem FOH verkabelt werden.

Schwierig wird dieses Vorgehen insbesondere dann, wenn ihr sehr wenig Zeit zur Verfügung habt und vor eurem Auftritt lediglich ein kurzer Line-Check vorgesehen ist. In jedem Fall empfiehlt es sich, zuvor mit dem Techniker abzusprechen bzw. in eurem Tech-Rider anzugeben, dass ihr In-Ear-Monitoring verwendet.

In-Ear vs. Wedges – was sagst du dazu?

Verwendest du bereits In-Ear-Monitoring? Schreibe uns deine Erfahrungen in die Kommentare!

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