Volles Haus in der Popakademie Baden-Württemberg
"Künstler sollten sich nicht verbiegen lassen": Konferenz Zukunft Pop erörtert Grundsatzfragen
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Das Publikum erlebte bei der siebten Konferenz Zukunft Pop einige spannende Grundsatzdiskussionen. © Torsten Reitz
Mannheim – wo sonst hierzulande sollten Diskussionen über die Zukunft der Popmusik stattfinden als in Deutschlands heimlicher Musikhauptstadt? Zum siebten Mal hatte die Popakademie Baden-Württemberg geladen, um bei ihrer Konferenz Zukunft Pop zu ergründen, wohin die Reise in den kommenden Jahren so gehen könnte.
Dieses Jahr stand das Zusammentreffen von namhaften Vertretern aus Musikbranche, Kulturpolitik, Bildungswesen, Popförderung und Medien unter dem Motto "Brücken und Brüche". In drei Panels diskutierten renommierte Speaker aus den Bereichen HipHop, Elektro und Punk über die Entwicklungen und den aktuellen Stand ihrer jeweiligen Subkultur.
Nach der Eröffnung durch Prof. Dr. Udo Dahmen, den Künstlerischen Direktor der Popakademie, durften sich die illustren Gäste unter anderem mit der Frage auseinandersetzen, was genau unter den Begriffen "Underground" und "Subkultur" zu verstehen sei und bis zu welchem Zeitpunkt eine Subkultur überhaupt noch als solche gelte.
Wortduell mit viel Witz beim HipHop Panel
Underground oder Mainstream: HipHop ist längst über den Status einer Subkultur hinausgewachsen.
Den Anfang machte das vom JUICE-Magazin präsentierte HipHop-Panel. Unter der Moderation von Falk-Schacht durfte sich Advanced Chemistry-Rapper Toni-L mit Curse, Retrogott, DJane Tereza und dem durch seine Arbeiten für Drake, Alicia Keys, Kendrick Lamar und Tim Bendzko bekannten Produzenten Christian "Crada" Kalla verbal duellieren.
In einer mit sehr viel Esprit geführten Debatte waren sich die Teilnehmer weitgehend darüber einig, dass sich ein Künstler nicht zu sehr verbiegen lassen sollte, um sich einem größeren Publikum zu öffnen. Underground definierten die Speaker hierbei als eine Art ungefilterte Kompromisslosigkeit, einen Mechanismus, um sich seine eigene künstlerische Integrität zu bewahren.
Allerdings stimmten die fünf Panelisten ebenso darin überein, dass sich Underground aber heutzutage nicht mehr klar vom Mainstream trennen lasse, da HipHop längst über den Status einer Subkultur hinausgewachsen sei – wie Curses Zusammenarbeit mit Scooter oder Cradas bereits angesprochene Arbeiten für etablierte Künstler unlängst demonstriert haben.
Was ist denn jetzt elektronische Musik?
Eifrig debattiert wurde darüber, was denn unter dem Begriff "elektronische Musik" zu verstehen sei.
In der anschließenden, vom GROOVE-Magazin präsentierten und von dessen Chefredakteur Heiko Hoffmann auf Englisch moderierten Diskussion über Elektro erörterten Mute Records-Gründer und Depeche Mode-Entdecker Daniel Miller, die Jounalistin Lisa Blanning, der DJ, Produzent und Autor Hans Nieswandt und die aufstrebende Bassistin Angie Taylor den aktuellen Stand elektronischer Musik.
Die über allem stehende Frage der zweiten Debatte war, was denn überhaupt genau heutzutage unter dem Begriff "elektronische Musik" zu verstehen sei. Miller merkte dabei an, dass die Bezeichnung mittlerweile viel zu häufig mit Tanzmusik verknüpft sei, während Hoffmann einwarf, dass selbst akustische Musik durch die moderne Produktionsweise per se elektronisch sei.
Eine wichtige Rolle spiele in dieser Hinsicht das Equipment, das jedem ermögliche, in seinem eigenen Wohnzimmer ein Album zu produzieren. Nieswandt, selbst inzwischen künstlerischer Leiter am Institut für populäre Musik, riet jedem, dies zu tun – jedoch nicht unbedingt jedem, seine Werke im Anschluss auch zu veröffentlichen. Egal wie – Millers Meinung nach sollte man es auf keinen Fall halbherzig tun.
Punk als Haltung
Über Punk muss man nicht diskutieren, kann man aber, wie das Panel bewies.
Beim vom "OxFanzine" präsentierten dritten Panel zum Thema Punk trafen dann mehrere Generationen aufeinander. Unter der Moderation von Prof. Marcus S. Kleiner setzten sich Urgestein und MFS-Labelchef Mark Reeder und Ex-Fehlfarben-Gitarrist Thomas Schwebel mit den Mitgliedern der 2012 gegründeten und vom Feuilleton gefeierten ostsächsischen Punkband Pisse auseinander.
Zunächst waren die Nachwuchskräfte nur schwer aus der Reserve zu locken und meinten bloß lapidar, über Punk müsse man nicht diskutieren – speziell nicht an einem Ort wie der Popakademie. Reeder hingegen wollte dies nicht so stehen lassen und beschrieb sehr detailliert die Entwicklung der Bewegung als eine (Anti-)Haltung gegenüber dem Establishment aus seiner persönlichen Perspektive.
Schwebel stimmte ihm zu. Punk sei kein musikalisches Genre, sondern eine Lebensart, die sich aus dem damaligen Zeitgeist herausgebildet habe. Dabei sei die heutige Zeit gar nicht mal so grundverschieden von der Situation vor vierzig Jahren. Hier konnten schließlich auch Pisse zustimmen und berichteten von ihren Erfahrungen mit der Faschoszene in Sachsen, der sie sich gegenüberstellten.
Breitgefächertes Angebot
Das modulare Synthesizersystem von Doepfer
Bei der siebten Konferenz Zukunft Pop hatte das Publikum neben der Möglichkeit, spannenden Grundsatzdiskussionen zu den erwähnten Genres und Subkulturen zu lauschen, auch noch die Chance, sich mit interessanten Leuten zu vernetzen. Denn auch die meisten Panelisten mischten sich im Anschluss an ihre Debatten unter die übrigen Konferenzteilnehmer.
Zudem boten die Hersteller Ableton, Arturia und Steinberg Workshops zu ihren Produkten an, bei dem sich die Zuhörer einen Einblick in die moderne Audio-Hardware und –Software verschaffen konnten. Im Foyer wurde ferner die Möglichkeit geboten, ein von Schneidersladen präsentiertes modulares Synthesizersystem von Doepfer ausgiebig zu testen.
Wem auch diese Angebote immer noch nicht reichten, konnte sich nach dem Ende der Konferenz noch die kostenlosen Live-Shows der elektronisch geprägten Popakademie-Künstler Ingold, Sea Moya und Noova & Lo anhören oder alternativ dem Auftritt von Falk-Schacht und Curse in der Mannheimer Alten Feuerwache beiwohnen.
Unternehmen
Locations
Popakademie Baden-Württemberg
Hafenstraße 33, 68159 Mannheim
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