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Locations ringen um ihre Existenz

Corona und die Zukunft der Clubs: So denkt Norbert Schön, Betreiber des Mainzer Kulturclubs Schon Schön

Interview von Rodney Fuchs
veröffentlicht am 16.06.2020

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Corona und die Zukunft der Clubs: So denkt Norbert Schön, Betreiber des Mainzer Kulturclubs Schon Schön

Norbert Schön ist Betreiber des Mainzer Kulturclubs schon schön. © R. Fuchs

Wie sind Clubgigs in Zeiten der Coronakrise künftig durchführbar, wie sehen sie aus, was sind die Herausforderungen, vor denen die Livelocations jetzt stehen? Wir sprechen dazu mit Norbert Schön, Betreiber des Mainzer Kulturclubs Schon Schön.

Norbert Schön ist mit seinem Kulturclub Schon Schön für einen Großteil des Mainzer Nachtlebens sowie der Konzertszene mitverantwortlich. Von der Coronakrise und den damit verbundenen Bedingungen ist er in seiner Existenz direkt betroffen. Seit mehr als zwei Monaten wurde in der Location weder getanzt noch gefeiert, doch die Kosten laufen weiter.

Ein Ende der misslichen Lage ist aktuell nicht in Sicht. Die Clubkultur ist ganz konkret bedroht. Der Spielstättenverband LiveKomm rechnet sogar mit eiiner Masseninsolvenz.

Öffnung erst nach Aufhebung der Abstandsregeln?

Wie lange der Kulturclub Schon Schön (schon-schoen.de) noch geschlossen bleiben muss, ist momentan nicht absehbar. Norbert Schön ist sich aber sicher, dass eine Öffnung erst nach Aufhebung der Abstandsregeln erfolgen kann.

"Ich glaube, dass Konzerte erst dann wieder Sinn ergeben." Eine Öffnung von Theatern und bestuhlten Veranstaltungen sei laut ihm zwar früher möglich, doch finanziell meist untragbar:

"Bei nur 20% Auslastung lohnt es sich schlicht weg nicht. Ich glaube deshalb, dass der Lockdown in unseren Clubs noch viel länger andauern wird und ein Clubbetrieb erst wieder nach Aufhebung der Abstandsregelung möglich sein wird."

Überlebensängste und Unsicherheiten

"Wir haben Kredite vom Staat bekommen, die wir zum Überleben nutzen können. Aber diese Kredite müssen natürlich zurückgezahlt werden. Es nützt uns gar nichts, wenn wir uns über die Zeit mit der Coronakrise am Leben halten, aber danach aufgeben müssen, weil wir diese Kredite nicht zurückzahlen können", begründet Norbert Schön seine großen Sorgen.

"Ich habe wirklich Angst, dass der finanzielle Boomerang uns einholt und diese Kredite uns das Genick brechen."

Ändert sich das Ausgehverhalten der Menschen, würden Umsätze fehlen und ein Überleben auf lange Sicht unmöglich machen. Neben der großen Angst um die eigene Existenz steht auch eine große Unsicherheit, was die freiberuflichen Zu- und Mitarbeiter des Clubs betrifft.

"Natürlich sind die eigenen Sorgen erstmal näher, aber dieses Thema wird irgendwann auch auf uns zukommen. Bleiben uns die Mitarbeiter treu, oder haben sich Teile unseres Teams nach der Krise neue Jobs gesucht?", erzählt Norbert.

Darüber hinaus sei auch unklar, wie viele Bands diese Krise überstehen und wie viele Musiker nicht vielleicht doch andere Berufsziele und Perspektiven verfolgen.

Risiko und Absicherung

Eine Versicherung für die Pandemie gab es nicht. Falls es künftig eine solche geben sollte, sei sie laut Norbert "vermutlich unbezahlbar". Dennoch war auch der Kulturclub Schon Schön versichert, wie der Inhaber erzählt.

"Wir haben eine Clubversicherung mit der LiveKomm abgeschlossen. In dieser ist unter anderem eine Betriebsschließung mit abgesichert, aber nicht das Coronavirus. Für die aktuelle Situation bot man uns einen Kompromissvorschlag an. Der Betrag ist jedoch sehr gering und würde alle anderen Haftungen ausschließen."

Aktuell befindet sich dieser Vorschlag in rechtlicher Prüfung, während sich Norbert in einem Dilemma wiederfindet. "Nehmen wir das Handgeld und haben wenigstens etwas, oder gehen wir das Risiko ein, um am Ende viel mehr oder gar nichts zu haben?"

Alle Clubs in einem Boot

Das Wort Risiko ist etwas, das einen jeden Einzelunternehmer ständig begleitet. "Es gibt natürlich immer das Szenario, dass ein Club über Nacht abbrennt oder es einen Wasserschaden gibt, der Monate an Sanierungsarbeiten bedarf. Da hat man grundsätzlich große Angst und Sorgen, die man aber aufgrund der relativ geringen Wahrscheinlichkeit dieser Szenarien gut zurückdrängen kann."

2015 stand der Mainzer Club jedoch vor einer Existenzbedrohung, weil Brandschutzverordnungen und Mietlaufzeiten fast zu einer Schließung führten. Der Unterschied zur jetzigen Situation ist aber, dass alle privat-geführten Clubs im selben Boot sitzen, wie Norbert erzählt.

"Das fühlt sich beruhigender an, ändert aber auch nichts an der Situation, dass wir in unserer Existenz bedroht sind."

Norbert Schön ist Betreiber des Mainzer Kulturclubs schon schön

Norbert Schön ist Betreiber des Mainzer Kulturclubs schon schön, © R. Fuchs

Wo liegt die Verantwortung?

Mit über 150 Konzerten und über 18 Jahren Kulturprogramm hat Norbert Schön einen gewaltigen Anteil am Kulturprogramm der Stadt Mainz. Das alles wird aus Partys querfinanziert und kommt komplett aus Eigenmitteln, ohne staatliche oder städtische Förderung.

Norbert Schön wünscht sich mehr Hilfe und Unterstützung, "weil wir um unsere Existenz ringen und selbstverständlich weiter machen wollen, was wir bisher auf die Beine gestellt haben. Es wäre aus vielerlei Hinsicht schlimm, wenn das alles aussterben würde."

Politik(er) wachrütteln

Es ist für ihn wichtig in allen Bereichen tätig zu werden. Die Stadt Mainz wäre von einem Aussterben des Clubs direkt betroffen, doch der finanzielle Rahmen einer verschuldeten Stadt ist begrenzt. "Da muss das Land unter die Arme greifen", ergänzt Norbert Schön.

"Doch die Landesprogramme gehen oft an den Betroffenen vorbei. Das sieht man unter anderem daran, wenn Musiker bei Coronasoforthilfen nur Betriebskosten abdecken dürfen, diese aber nicht haben."

Wie auch die anderen Unterzeichner der von der halle02 gestarteten Initiative fühlt sich Norbert Schön in der öffentlichen Wahrnehmung nicht präsent genug.

"Wir möchten die Politik wachrütteln und unseren speziellen Standpunkt besser darlegen. Die Leute sehen, dass die Mehrwertsteuer in der Gastronomie auf 7% gesenkt wurde. Das betrifft jedoch nur Speisen, die es in den meisten Clubs gar nicht gibt. Es nutzt uns überhaupt nichts, wenn die Öffentlichkeit denkt, uns würde geholfen werden."

Ein Licht am Ende des Tunnels?

Norbert Schön ist Optimist und hat eine Vision, die daraus besteht, dass der Kulturclub Schon Schön, sowie weitere Clubs in Deutschland im Laufe des Jahres wieder öffnen und mit dem Betrieb, so wie vor der Krise, weiterfahren können.

"Es gehört eine Menge dazu einen Club und ein Nachtleben zu betreiben und es ist immer unser privates Risiko, da wir keine Förderungen oder Hilfen bekommen. Das funktioniert nur mit Wertschätzung, wenn die Leute gerne zu uns kommen. Ich hoffe, die Leute merken, wie sehr sie es vermisst haben bei uns abfeiern zu können."

Darüber hinaus hofft Norbert, dass er die erhaltenen Kredite zurückführen kann und, dass die Politik diese spezielle Situation im Blick behält.

"Livemusikclubs sind ein wichtiger Pfeiler der Gesellschaft. Ein Pfeiler der Subkultur und ein Träger von soziokulturellen Zentren. Diese Treffpunkte sind Gestaltungsräume eines Lebensstils, in dem Musik und Subkultur im Vordergrund stehen. Es ist wichtig für unsere Gesellschaft diese Räume zu erhalten."

Clubs unterstützen

Der Kulturklub Schon Schön hat eine Spendenkampagne bei startnext ins Leben gerufen. Ihr könnt den Club damit unterstützen, um auch in Zukunft sein Kulturprogramm zu ermöglichen. Und bitte schaut auch mal beim Club vor eurer Haustüre, ob nicht längst eine Möglichkeit besteht, diesen zu unterstützen.

Locations

Kulturclub Schon Schön

Kulturclub Schon Schön

Große Bleiche 60-62, 55116 Mainz

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