Interview mit Konzertveranstalter Nico Reißmann von Subkultura Pforzheim

Viele kleine Konzertveranstalter kennen das: das Überleben scheint ab und zu ein wahrer Kampf zu sein und von Seiten der Stadt, in der man kulturell etwas auf die Beine stellen will, gibt's nur mangelnde Unterstützung. Auch Nico Reißmann kennt das. Er veranstaltet mit seiner Firma "Subkultura" aufregende Konzerte in Pforzheim. Wir sprachen mit ihm über seine Geschäftsphilosophie und seinen Idealismus. Wer erkennt sich darin wieder? Welche Erfahrungen habt ihr mit dem Veranstalten von Konzerten gemacht? Wie sieht die Liveszene bei euch aus?

Backstage PRO: Nico, deine Firma Subkultura (www.subkultura-pforzheim.de) veranstaltet Konzerte in Pforzheim. Wie kam es dazu?

Nico Reißmann: Subkultura Pforzheim ist vor acht Jahren aus einem Kollektiv entstanden, das nicht-kommerzielle "Do-It-Yourself"-Konzerte organisierte. Nachdem ein Großteil der Verantwortlichen zwischenzeitlich verzogen ist, gab es zunächst eine Zwangspause.

Backstage PRO: Was ist dann passiert?

Nico Reißmann: Vor gut 4 Jahren habe ich alleine wieder angefangen in den Jugendhäusern in und um Pforzheim Konzerte zu veranstalten. Nach und nach hat sich eine feste Räumlichkeit, der Bottich, als Veranstaltungsort der meisten Konzerte herauskristallisiert. Seit September 2010 finden dort so ziemlich an jedem Wochenende Konzerte oder Partys statt.

Backstage PRO: Könntest Du den Bottich für diejenigen beschreiben, die diese Location nicht kennen?

Nico Reißmann: Der Bottich ist eine Räumlichkeit direkt unter dem Rathaus, in der insgesamt vier verschiedene Gruppen/Organisationen Konzerte veranstalten. Dazu gehören wir, der Prisma Klub der sich auf alle Arten von Folk Musik spezialisiert hat, die Jazz Society und der Jazz Club Pforzheim. Je nach Veranstaltung passen zwischen 60 und 180 Personen in den Laden. Als kleines Highlight gibt es noch 3 Kegelbahnen, was alles in allem den Club zu etwas Besonderem macht.

Backstage PRO: Welche musikalischen Stilrichtungen pflegt ihr besonders?

Nico Reißmann: Musikalisch geht es hierbei schon hauptsächlich in Richtung Punk, Hardcore, Rockabilly, Metal und Ska.

"Die Livemusik-Szene ist ziemlich eingeschlafen"

Backstage PRO: Wie hat sich das in den letzten Jahren entwickelt?

Nico Reißmann: Leider ist die Livemusik-Szene in den letzten zehn Jahren ziemlich eingeschlafen und die Chancen, in Pforzheim mit dem Projekt zu überleben, lagen anfangs nur bei 50:50. Inzwischen haben wir uns fest etabliert und tragen mit unseren subkulturellen Veranstaltungen einen großen Teil zur kulturellen Vielfalt in Pforzheim bei. Derzeit sind wir der größte private Konzertveranstalter in der Stadt, da wir keinerlei Förder- und Sponsorengelder bekommen und alles aus eigener Tasche stemmen.

Backstage PRO: Der Lohn ist eine Resonanz, die weit über Pforzheim hinausgeht.

Nico Reißmann: Dass wir teilweise sehr exklusive Konzerte veranstalten hat sich schon weit über die Grenzen Pforzheims hinaus herumgesprochen. Inzwischen haben wir ein Einzugsgebiet von etwa 250 km. Regelmäßig finden Leute aus Stuttgart, Schwäbisch Hall, Tübingen, Freiburg, Karlsruhe, Mannheim und sogar aus Straßburg den Weg zu uns und das macht mich schon ziemlich stolz.

"Eine Hand wäscht die andere"

Subkultura Pforzheim

Backstage PRO: Du buchst sowohl internationale als auch regionale Bands. Welche Rolle spielen Nachwuchsbands in deinen Konzerten?

Nico Reißmann: Nachwuchsbands spielen bei uns eine sehr große Rolle, da diese schließlich die Zukunft sowohl regional als auch überregional darstellen. Die bekannten Bands haben ja auch auf kleinen Bühnen in kleinen Jugendhäusern oder Clubs angefangen und daher beginnt genau damit die Kulturförderung. Wird später dann eine Band erfolgreich, dankt sie es dir oft auch, indem sie wieder kommt und dann exklusive Clubshows spielt. Schließlich wäscht ja eine Hand die andere.

Backstage PRO: Wie wählst du die Bands für deine Konzerte aus?

Nico Reißmann: Einer meiner Grundsätze ist, dass ich nur Bands eine Bühne bieten möchte, die ich persönlich auch gut finde und mich auch mit den Musikern, die ein Konzert für uns spielen, identifizieren kann. Es gibt bei uns einen Grundsatz, dass wir keinen Bock auf nationalistische, sexistische und homophobe Einstellungen haben und wollen solchen Menschen keine Möglichkeit bieten, so etwas zu verbreiten. Selbstverständlich müssen auch die Hauptband und die Bands, die Support machen, zusammen passen.

Backstage PRO: Wie viele Anfragen erhältst du wöchentlich?

Nico Reißmann: Ich bekomme inzwischen pro Tag zwischen 3 und 40 Anfragen von Booking-Agenturen und Bands. Leider muss ich oft auch Bands absagen, weil ich die Kapazitäten nicht habe, um jeden oder jeden zweiten Tag ein Konzert zu veranstalten. Bei den Supportbands schreibe ich die zu besetzenden Slots oft über das Booking-Netzwerk von Backstage PRO aus oder informiere mich über neue Bands. In den meisten Fällen werde ich auch schnell fündig.

Backstage PRO: Welche Möglichkeiten bietet dir Backstage PRO?

Nico Reißmann: Ich nutze Backstage PRO sicher schon seit drei Jahren, um meine Veranstaltungen bekannt zu geben und um Supportslots auszuschreiben. Außerdem lese ich mir oft die aktuellen Themen durch und beteilige mich an Diskussionen. Alles in allem finde ich diese Plattform sowohl für Bands als auch Veranstalter sehr gut und kann sie nur empfehlen. Backstage PRO wird immer mehr zu einem wichtigen Anlaufpunkt zwischen Bands und Veranstaltern. Aber auch für Menschen, die mit beidem nichts zu tun haben, ist es interessant, einmal hinter die Kulissen zu schauen, was hier sehr gut gelingt.

"Es gibt kaum Proberäume"

Backstage PRO: Wie stellt sich die Musikszene in Pforzheim dar?

Nico Reißmann: Die Musikszene in Pforzheim schwankt sehr stark. Vor ein paar Jahren gab es noch unzählige Bands, heute muss man fast danach suchen. Diese Entwicklung ist traurig und man kann nur hoffen, dass wieder mehr Leute anfangen, Musik zu machen.

Backstage PRO: Woran krankt die Szene?

Nico Reißmann: Es gibt kaum Proberäume gibt und wenn es welche gibt, dann sind sie meist völlig überteuert. Zwar bietet zum Beispiel das Kupferdächle, ein Jugendmedienzentrum hier in Pforzheim ist, auch stundenweise Proberäume an und hat sogar ein Tonstudio, wo man günstig aufnehmen lassen kann, aber in wie weit das ausgelastet ist, kann ich nicht sagen. Die Mieten für Proberäume schwanken zwischen 50 und 200 Euro im Monat. Das ist schon ein Wort und schreckt viele Jugendliche davon ab, sich selbst musikalisch zu verwirklichen.

Backstage PRO: Wie sehr beeinflusst die Nähe zu Karlsruhe und Stuttgart die Szene? Inwiefern kann man als Veranstalter auch davon profitieren?

Nico Reißmann: Ich muss ganz ehrlich sagen, ohne unser Einzugsgebiet von 250km würden wir in dieser Stadt hier nicht existieren. Wir haben bei den Gästen schon immer auf das Publikum von außen gesetzt und so wie es derzeit aussieht, war die Entscheidung richtig. Natürlich stehen wir in Konkurrenz zu Stuttgart und Karlsruhe, wobei wir selber immer versuchen, keine Überschneidungen anzubieten. Das heißt, wenn zum Beispiel in Karlsruhe ein Ska-Konzert ist, versuchen wir am selben Tag eher Metal oder Punk anzubieten, was natürlich nicht immer gelingt, da wir bereits ein halbes bis dreiviertel Jahr im Voraus buchen.

Backstage PRO: Das ist nachvollziehbar.

Nico Reißmann: Auf der anderen Seite hat uns das Bahnprojekt Stuttgart 21 ziemlich in die Arme gespielt, da in der Landeshauptstadt einige Live-Läden schließen mussten und dadurch die Bands oft zu uns nach Pforzheim verlagert werden, was sich auch auf die Gäste auswirkt. Trotzdem finde ich die Entwicklung auch in Stuttgart katastrophal und kulturschädigend, da die Kulturvielfalt dort langsam zu Grunde geht. Ich hoffe sehr, dass sich die Live-Kultur in Stuttgart erholt und wieder ein buntes und vielfältiges Musikprogramm anbieten kann. Grundsätzlich sind Menschen, die eine Band live sehen wollen, bereit einige Kilometer zu fahren. Das war bei mir auch schon so und wird wohl auch in Zukunft so bleiben.

"Ohne eine Riesenportion Idealismus geht überhaupt nichts"

Nico Reißmann beim Herrichten von Plakaten

Backstage PRO: In der Region Rhein-Neckar hat sich ja kürzlich eine Vereinigung von Clubbetreibern gegründet. So etwas Ähnliches gibt es in Pforzheim bzw. in der Region nicht, oder? Gibt es irgendwelche Bestrebungen in dieser Richtung, die dir bekannt sind?

Nico Reißmann: Ehrlich gesagt, habe ich bis gerade eben davon gar nichts mitbekommen. Bei uns in Pforzheim gibt es zwar die Musikerinitiative Pforzheim e.V., allerdings ist diese mehr auf Bands ausgerichtet. Dann gibt es noch den Kulturrat, der aber mehr auf Theater und Kleinkunst abzielt. Speziell für Veranstalter gibt es in Pforzheim keine Vereinigung und da ich mehr oder weniger alleine dastehe, würde es wohl im Moment auch keinen Sinn machen, solch eine Vereinigung zu gründen. Ich orientiere mich persönlich nach Stuttgart, wo ich mit dem Popbüro Stuttgart ganz gute Kontakte pflege.

Backstage PRO: Wie kann man sich als „kleiner“ Konzertveranstalter in diesem Geschäft behaupten, wo man oft mit eher knappen Gewinnmargen arbeiten muss?

Nico Reißmann: Ohne eine Riesenportion Idealismus geht überhaupt nichts. Die Gewinne sind so gering, dass man von den Veranstaltungen alleine nicht leben kann. Da sich die ganze Geschichte bei uns noch im Aufbau befindet, dauert es, bis wir grüne Zahlen schreiben, was natürlich aufgrund der Anschaffungen von Anlage, Bühne und anderer Ausstattung normal ist.

"Wir werden von Seiten der Stadt komplett ignoriert"

Backstage PRO: Von der Stadt Pforzheim erhältst du keine Unterstützung?

Nico Reißmann: Nein, überhaupt keine. Ich finde es schade, dass wir von Seiten der Stadt komplett ignoriert werden und keinerlei Anerkennung oder finanzielle Unterstützung erhalten. Es werden tausende von Euro in kulturelle Einrichtungen wie Theater, Stadthalle usw. gesteckt, die meines Erachtens keinerlei Vielfalt bieten statt die vorhandenen Gelder fair an alle zu verteilen. Es wird nach wie vor mit zweierlei Maß Kultur gefördert und das ist sehr bedauerlich, da der Aufbau von etwas Neuem dadurch sehr erschwert wird.

Backstage PRO: Aber dennoch behauptest du dich in dieser unfreundlichen Umgebung.

Nico Reißmann: Inzwischen haben wir ein großes Stammpublikum, das uns und die Bands unterstützt. Dadurch, dass wir den Bands ein familiäres Umfeld mit gutem Essen und einer Kegelbahn bieten, haben inzwischen auch bekanntere Bands Blut geleckt und wollen unbedingt bei uns vorbei kommen um dann exklusive Clubshows in Pforzheim zu spielen. Das macht uns zu etwas besonderem und spricht sich dann natürlich auch herum. Und die Schlussfolgerung sind dann eben ausverkaufte Konzerte, was bei uns immer häufig der Fall ist. Alleine seit Januar waren wir bereits vier Mal ausverkauft und das ist doch toll!

Backstage PRO: Vielen Dank für das Gespräch!

Welche Erfahrungen habt ihr mit dem Veranstalten von Konzerten gemacht? Wie sieht die Liveszene bei euch aus? Sagt es uns in den Kommentaren!