An Live-Videos verdienen
Welche Ziele verfolgt die GWVR, die neue Verwertungsgesellschaft für Veranstalter?
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Dr. Johannes Ulbricht ist Geschäftsführer der GWVR. © GWVR
Die Rechtslage ist eindeutig: § 81 UrhG (Urheberrechtsgesetz) legt fest, dass Veranstalter ein Leistungsschutzrecht an den von ihnen veranstalteten Events besitzen.
Ihr Leistungsschutzrecht ergibt sich daraus, dass Veranstalter häufig große finanzielle Risiken eingehen, um Musikern zu ermöglichen, einen künstlerischen Beitrag zu erbringen. Dafür sollen sie nach dem Willen des Gesetzgebers auch eine finanzielle Vergütung erhalten.
Der lange Weg zur GWVR
In der Praxis spielte § 81 aber viele Jahre keine Rolle, da die Veranstalter jahrzehntelang dieses Recht nicht in Anspruch genommen haben, obwohl der Gesetzestext seit 1965 im Wesentlichen unverändert ist. Die Gesellschaft zur Wahrnehmung von Veranstalterrechten (GWVR) befindet sich im Begriff das zu ändern.
Aufleben der Veranstalterrechte
Die GWVR ist eine GmbH, deren einziger Gesellschafter der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV) ist. Inzwischen repräsentiert die GWVR nach eigenen Angaben einen zweistelligen Prozentsatz des Gesamtumsatzes der deutschen Veranstaltungswirtschaft.
Nach einer langen Vorlaufzeit hat die GWVR Tarife für die Nutzung von Live-Mitschnitten festgelegt. Jeder, der mit Livemitschnitten Geld verdient oder sie kostenfrei zur Verfügung stellt, muss an die GWVR zahlen. Im Einzelnen handelt es sich hauptsächlich um folgende drei Gruppen:
1. Die Hersteller von Bildtonträgern (DVD, Blu-Ray) bzw. Filmproduktionsfirmen
Seit längerem verhandelt die GWVR mit dem Bundesverband Musikindustrie (BVMI) über die Tarife für die Nutzung von Live-Aufnahmen auf Tonträgern. Zu diesem Zweck führte das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) ein Schiedsgerichtsverfahren durch und unterbreitete einen Einigungsvorschlag.
Dr. Johannes Ulbricht, Geschäftsführer der GWVR, erklärt uns zum aktuellen Stand, dass er in Kürze mit einer Einigung mit dem BVMI rechne. Die Verhandlungen seien anfangs schwierig gewesen, hätten sich aber sehr positiv entwickelt:
"Inzwischen haben wir eine gute Gesprächsatmosphäre mit den Labels und ich glaube, dass wir in den nächsten Wochen eine Einigung verkünden können".
2. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten
Die Verhandlungen mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten stehen hingegen noch am Anfang. Nachdem sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk Gesprächen verweigerte, hat die GWVR einseitig Tarife festgelegt, wozu sie gesetzlich berechtigt ist. Mit der Veröffentlichung der Tarife tritt automatisch die Vergütungspflicht in Kraft.
Dr. Johannes Ulbricht zeigt sich enttäuscht über die Verweigerungshaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und rechnet mit einem mehrjährigen Schiedsverfahren. Bis zu einer abschließenden Klärung müssten die öffentlich-rechtlichen Anstalten die Gebühren auf einem Treuhandkonto hinterlegen.
Ulbricht erklärt dazu: "Ich habe den Eindruck, der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat sich so stark daran gewöhnt, alle Live-Mitschnitte kostenlos zu erhalten, dass er gar nicht damit umgehen kann, dass sie jetzt vergütet werden sollen."
3. Streaming-Dienste wie Youtube und Google
Die Verhandlungen mit den großen Streamingdiensten nehmen hingegen nach Auskunft von Dr. Johannes Ulbricht einen erfreulichen Verlauf: "Wir führen mit dem Verband Bitkom offene Gespräche und ich hoffe, dass wir im Verlauf des Jahres zu einer Einigung kommen."
Das betrifft im Übrigen auch von Zuschauern auf Plattformen wie Youtube hochgeladene Handyvideos von Konzerten, an denen die Plattformen verdienen, weil sie mit Werbung verknüpft sind. Ein Teil der Werbeeinnahmen wird künftig bei der GWVR landen.
Was ist mit "illegalen Handyvideos"?
Die Website der GWVR bezeichnet die von Zuschauern hergestellten Handyvideos als "illegal", was natürlich die Frage aufwirft, ob die GWVR plant, gegen User vorzugehen, die Handyvideos von Konzerten auf Youtube oder anderen Plattformen hochladen.
Dr. Johannes Ulbricht erklärt dazu, die GWVR verfolge das Ziel an den Einnahmen beteiligt zu werden – und nicht User abzumahnen, die Handyvideos hochladen. Rechtliche Schritte seien aber in besonderen Fällen nicht ausgeschlossen, etwa wenn ein Veranstalter ein Live-Video als geschäftsschädigend betrachtet.
Wem nützt die GWVR?
Nach aktuellem Stand wird die GWVR 2020 erstmals Einnahmen erzielen und 2021 an die Veranstalter ausschütten. Das wirft die Frage auf, für wen sich eine Mitgliedschaft in der GWVR lohnt.
Sicherlich profitieren von der GWVR zunächst die großen Veranstalter, deren Events im Internet oder Fernsehen live übertragen bzw. gestreamt werden.
Es kann sich aber auch für kleinere Veranstalter lohnen, sofern sie damit rechnen, dass die auf ihrem Event entstandenen Aufnahmen in irgendeiner Art und Weise veröffentlicht, gesendet oder gestreamt werden. Die durch Smartphones stark gewachsene Verfügbarkeit von Kameras und die rasante Entwicklung der sozialen Medien legt nahe, dass sie in Zukunft durch Einnahmen durch die GWVR profitieren können – vor allem dann, wenn eine Einigung mit den Streaming-Plattformen gelingt.
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