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Viel Verwirrung

Festivals und Konzerte 2021 zwischen Verboten, Impfungen, Schnelltests und Virus-Mutationen

Spezial/Schwerpunkt von Daniel Nagel
veröffentlicht am 09.02.2021

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Festivals und Konzerte 2021 zwischen Verboten, Impfungen, Schnelltests und Virus-Mutationen

Einlass bei RESTART-19. © Universitätsklinikum Halle (Saale)

Die Planungen für die Festival- und Konzert-Saison 2021 hängen stark vom weiteren Verlauf der Coronavirus-Pandemie ab. Während die Branche auf Impfungen und Schnelltests hofft, könnten gefährliche Mutationen des Coronavirus jede Hoffnung auf eine schnelle Wiederaufnahme des Veranstaltungsbetriebs vereiteln.

Die Absage des weltbekannten Glastonbury Festivals in England sendet das Signal, dass es auch 2021 keine normale Festivalsaison geben wird. Auch 2021 wird weiterhin ganz im Zeichen der Maßnahmen im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie stehen.

Schwindende Hoffnungen

Im Augenblick sind bekanntermaßen Veranstaltungen jeder Art in Deutschland verboten. Umso stärker war bei vielen Veranstaltern die Hoffnung auf eine normale Festival- bzw. Open Air-Saison ausgeprägt. Diese Aussicht schwindet aber zunehmend.

Die großen Festivalveranstalter halten sich aktuell noch mit klaren Aussagen zurück. So erklärte FKP Scorpio bezüglich der Zwillingsfestivals Hurricane und Southside "möglichst bald Klarheit schaffen zu wollen". Dass “alles wie immer” sein werde, schlossen die Veranstalter allerdings aus

Verzögerte Impfkampagne

Wie es weitergeht, hängt fraglos von der Entwicklung der Coronavirus-Pandemie ab. In diesem Zusammenhang gibt es sowohl hoffnungsvolle wie ernüchternde Entwicklungen. Für Hoffnung sorgt, dass die Impfkampagne in Deutschland in den nächsten Wochen deutlich an Fahrt aufnehmen wird.

Mit Sicherheit wird die Impfung eines Großteils der Bevölkerung aber nicht bis zum Beginn der Open Air-Saison Ende Mai bzw. Anfang Juni abgeschlossen sein. Ob sich die Lage im Hoch- und Spätsommer verbessern wird, vermag aktuell niemand zu sagen. 

Gefährliche Mutationen

Als Dämpfer auf die Hoffnungen der Veranstaltungsbranche wirken die Nachrichten über neue Mutationen von Sars-Cov-2, die nach ersten Studien ansteckender sind als die bisher dominierende Variante. Die höhere Ansteckbarkeit könnte den deutschen Staat dazu zwingen, Veranstaltungsverbote länger aufrecht zu erhalten, als von vielen erhofft wird. 

Außerdem ist nicht klar, ob die bisher entwickelten Impfstoffe auch gegen die neuen Varianten schützen bzw. wie effektiv der Schutz ist. Zudem könnte es sein, dass Impfstoffe "lediglich" einen schweren Verlauf verhindern, nicht aber die Infektion an sich. Bis zur Klärung dieser Fragen ist daher an Massenveranstaltungen kaum zu denken.

Die neuen Mutationen haben auch zu verstärkten internationalen Reisebeschränkungen geführt, die das Ziel verfolgen, deren Verbreitung zu bremsen. Diese beschränken Tourneen von Acts aus Großbritannien, aber auch aus Übersee ganz erheblich. 

Impfungen als Voraussetzung für den Konzertbesuch?

In dieser von Unsicherheit gekennzeichneten Situation, suchen Veranstalter und Ticketanbieter natürlich nach Möglichkeiten, ihr Geschäft wieder aufzunehmen. So meldet sich Eventim-CEO Klaus-Peter Schulenberg mit folgender Forderung zu Wort: "Wenn es genug Impfstoff gibt und jeder sich impfen lassen kann, dann sollten privatwirtschaftliche Veranstalter auch die Möglichkeit haben, eine Impfung zur Zugangsvoraussetzung für Veranstaltungen zu machen."

In diesem Zusammenhang geht es wohlgemerkt nicht um die Aufhebung staatlicher Maßnahmen für Geimpfte, sondern um eine privatwirtschaftliche Entscheidung von Konzertveranstaltern. Grundsätzlich kann jeder, ob Unternehmen oder Privatperson, entscheiden, mit wem er einen Vertrag schließt. 

Eine ähnliche Haltung vertritt auch der Deutsche Ethikrat. Er erklärt in einer Stellungnahme: "Bei der Frage, inwieweit es privaten Anbietern verwehrt sein sollte bzw. verwehrt werden kann, den Zugang zu von ihnen angebotenen Waren und Dienstleistungen auf geimpfte Personen zu beschränken, ist die Vertragsfreiheit zu berücksichtigen. Sie stellt es Privatpersonen und privaten Unternehmen grundsätzlich frei zu entscheiden, mit wem diese einen Vertrag schließen."

Große Akzeptanzprobleme

Kurz gesagt: Private Veranstalter dürfen von Ticketkäufern den Nachweis einer Impfung verlangen. Die spannende Frage lautet: Wollen sie diesen Weg beschreiten? 

Das wird mit Sicherheit auch von der Haltung des Publikums abhängen, dessen Reaktion auf die Überlegungen von Schulenberg überwiegend negativ ausfiel. Das zeigt, wie schwer es sein dürfte, Akzeptanz in der breiten Bevölkerung für solche Maßnahmen zu erreichen. 

In der Theorie besteht ein gravierender Unterschied zwischen der Privilegierung von Geimpften durch den Staat, die zu Recht bis auf besondere Ausnahmen abzulehnen ist und der Privilegierung von Geimpften durch Unternehmen oder Privatpersonen, die rechtlich möglich ist. Allerdings ist fraglich, ob diese Differenzierung dem durchschnittlichen Konzertbesucher zu vermitteln ist.

Schnelltests als Lösung?

Möglicherweise können Schnelltests für nicht Impfwillige eine Abhilfe schaffen. Konzertbesucher hätten die Wahl, entweder eine Impfung nachzuweisen oder einen Schnelltest vor Ort zu machen.

Die Schnelltests sind nicht so zuverlässig wie PCR-Tests, könnten bei sachgerechter Handhabung aber die Durchführung von Veranstaltungen erleichtern, wie eine in Barcelona durchgeführte Studie nahelegt. 

Diejenigen, die Impfnachweise als Voraussetzung zum Besuch einer Veranstaltung ablehnen, erkennen in der Kombination aus Impfnachweis und Schnelltest eine mögliche Lösung des Problems. 

Große Unsicherheit

In diesem Sinn äußerte sich beispielsweise Olaf Zimmermann, der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats. Er lehnt ein "Zweiklassensystem bei der Nutzung von Kultureinrichtungen" ab, hält aber Schnelltests vor dem Besuch von Kultureinrichtungen oder Veranstaltungen für nicht geimpfte Personen "noch sehr lange Zeit" für wahrscheinlich. 

Auch andere Veranstalter wollen Impfnachweise und Schnelltests kombinieren, um die Veranstaltungsbranche wieder in Gang zu bringen, wie ein Meinungsbild des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) bei verschiedenen Veranstaltern und Kulturschaffenden zeigte. 

Keine einseitigen Änderungen

Die Lage wird dadurch verkompliziert, dass zahlreiche Veranstaltungen nur verschoben wurden. Der damals abgeschlossene Vertrag (d.h. der Kauf der Eintrittskarte) sah Impfnachweise und/oder Schnelltests nicht vor. 

Eine einseitige Änderung der Vertragsbedingungen ist aber nur denkbar, wenn beide Seiten diese akzeptieren. Wie viele Besucher einen Impfnachweis und/oder einen Schnelltest vor dem Einlass zu einer Veranstaltung akzeptieren würden, lässt sich aktuell kaum sagen. Bei Schnelltests stellt sich darüber hinaus die Frage, wer die Kosten übernimmt.

Keine unnötige Debatte

Manche mögen die Diskussion über Impfnachweise und Schnelltests im Vorfeld von Veranstaltungen als überflüssig oder verführt bewerten. Allerdings handelt es sich für die Veranstalter, angeschlossene Dienstleister und nicht zuletzt auch für die Künstler um eine Lebensfrage. 

Es ist daher völlig legitim, dass sie nach Lösungen suchen. Ähnliche Debatten stehen uns zudem mit Sicherheit auch in anderen Lebensbereichen bevor, insbesondere beim Luftverkehr oder der Einreise in fremde Staaten.

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