×

"Sich selbst treu zu bleiben ist das Wichtigste"

Interview mit Johanna Eicker (The Black Sheep) über ihre Teilnahme an der Castingshow "Die Band"

Interview von Markus Biedermann
veröffentlicht am 23.10.2015

johanna eicker the black sheep rockemarieche bandwettbewerb castingshow fernsehen

Interview mit Johanna Eicker (The Black Sheep) über ihre Teilnahme an der Castingshow "Die Band"

Wir sprachen mit Johanna Eicker ueber "Die Band". © Felix Mayr

Im Frühjahr 2015 wurde mit viel Wirbel eine neue Fernsehshow angekündigt, verschwand wegen schlechter Quoten aber rasch wieder im TV-Niemandsland: Mit der Sendung "Die Band" wollte ProSieben ein neues Castingformat etablieren. Als zugkräftiger Star war Samu Haber von Sunrise Avenue dabei. Wir sprachen mit Teilnehmerin Johanna Eicker (The Black Sheep) über ihre Erfahrungen mit der Show und was sie angehenden Casting-Kandidaten raten würde.

Mit ihrer Band The Black Sheep hat es Johanna Eicker im Laufe der vergangenen Jahre weit gebracht. Professionell aufgestellt zogen die Musikerinnen Endorsements und andere Deals an Land, veröffentlichten tolle Songs und spielten zahlreiche Gigs.

"Ich bin zehn Jahre später immer noch unwahrscheinlich froh, dass ich damals die Entscheidung gegen ein Studium getroffen habe und wirklich alles auf diese Karte setzte", sagt sie heute. Entsprechend wurde sie mit dem Satz "Ich konnte die Musik zum Beruf machen!" als "Johanna E., 28 aus Köln" bei "Die Band" vorgestellt.

So warb ProSieben für

So warb ProSieben für "Die Band"

Alle Folgen der Show sind übrigens noch auf der Webseite prosieben.de/tv/die-band zu sehen. Samu Haber vermutet als Ursache für die schlechten Quoten ein zu komplexes Konzept:

"Bei "Die Band" haben wir vorausgesetzt, dass der Zuschauer richtig Ahnung von Musik hat, fürchte ich. Das kann ja gar nicht sein. Ja, schade, ich war trotzdem überrascht, und auch sehr traurig, weil wir in Barcelona eine tolle Zeit mit den Teilnehmern hatten", so Haber in einem Interview.

"Das Konzept erschien sehr authentisch"

Backstage PRO: Hallo Johanna! Was hat dich als erfahrene Musikerin an dem Castingformat “Die Band” gereizt?

Johanna Eicker: Zuerst wurde ich nur von unglaublich vielen Menschen im Bekanntenkreis darauf angesprochen, dass es diese neue Show gibt. Ich habe aber überhaupt nicht drauf reagiert, denn ich dachte: “Ja, das ist ja egal, irgendwie noch ne neue Show”… Jedoch ist es mir wichtig – auch weil wir mit The Black Sheep eine Pause eingelegt haben – mich immer weiter zu entwickeln und dabei neue Dinge auszuprobieren. Deshalb habe ich mich schließlich doch erkundigt, wie das Konzept aussieht. Ich fand es sehr interessant, weil es, so wie es beschrieben wurde, wirklich sehr, sehr authentisch schien – irgendwie recht nahe am Musiker-Leben.

Backstage PRO: Wie meinst du das?

Johanna Eicker: Ich meine das bezogen auf die Art, wie Musiker sich oftmals kennen lernen. Man macht vielleicht erstmal ein bisschen zwanglos Musik bei Jam-Sessions und spielt drauf los. Manchmal entsteht daraus mehr, weil es musikalisch gut passt. Und manchmal scheitern Projekte, weil es persönlich nicht passt. Das sind so Aspekte, die im echten Leben eben so sind und in der Show so dargestellt werden sollten. Darum hat mich das erstmal gereizt. Ich war mir aber von Anfang an bewusst, dass das nicht unbedingt bedeutet, dass es tatsächlich auch so dargestellt wird und rüber kommt. Schließlich reden wir immer noch von einer Fernseh-Show.

"Ich habe es nicht bereut"

Johanna mit The Black Sheep

Johanna mit The Black Sheep

Backstage PRO: Also warst du durchaus auch kritisch, bist nicht blauäugig an dieses Castingformat heran gegangen?

Johanna Eicker: Ja, ich bin Castingformaten gegenüber kritisch eingestellt. Aber ich habe nie jemanden verurteilt, der bei solchen Shows mitmacht. Es gibt einfach unterschiedlichste Gründe, warum man darauf – allen bekannten Einwänden zum Trotz – vielleicht doch Bock hat. Also war ich generell erstmal offen eingestellt, war mir aber bewusst, dass es letztendlich komplett in die Hose gehen kann und genauso eine langweilige Unterhaltungskacke wird, wie ganz viele andere Shows. Nach langer Überlegung stand für mich fest: Ich hatte gewissermaßen nichts zu verlieren. Natürlich habe ich mich auch gefragt, ob mir das irgendwie schaden kann, dass es zum Beispiel meinem Image nicht gut tut. Das habe ich dann einfach in Kauf genommen und ich hab es nicht bereut.

Backstage PRO: Und wie war es dann tatsächlich – gab es positive oder negative Überraschungen?

Johanna Eicker: Beides. Also das Positive war erstmal, dass wir mit zwanzig Musikern in eine Villa in Barcelona gekarrt worden sind. Überall standen Instrumente, Gitarren, Cajones… und es gab einen Raum mit einem Klavier. In kürzester Zeit hatten alle ein sehr gutes Verhältnis zueinander, weil talentierte Leute dabei waren, die Musik einfach als ihre wahre Passion sehen. Es gab direkt in der ersten Nacht Jam-Sessions. War eine sehr, sehr coole Atmosphäre! Was hingegen unschön war, ist die dauerhafte Präsenz von Kameras in allen Situationen und auch der Versuch durch die Redaktionsteams, die Leute und das Geschehen in eine Richtung zu lenken, die für ProSieben interessant scheint. Ich war nicht überrascht, dass sowas passiert. Aber gerade weil die Atmosphäre so schön war, hatte ich irgendwie die Hoffnung, dass das auch ein wichtiger Aspekt in den fertigen Ausstrahlungen wird. Das war dann leider nicht ganz so.

"Die Show wurde in das übliche Castingfernsehformat gepusht"

Backstage PRO: Es gab also eine gewisse Ansicht darüber oder redaktionelle Vorgabe, was stattzufinden hat?

Johanna Eicker: Durchaus. Ich habe vor Ort gemerkt, dass das in eine ganz gewisse Richtung geht, was gefilmt wird, was nicht und was man von den Teilnehmern in den Interviews hören will. Trotz des innovativen Konzepts und der Möglichkeiten, die wir aufgrund dieser tollen Gruppe gehabt hätten, wurde die Show doch wieder in das übliche Casting-Fernsehformat gepusht.

Backstage PRO: War das der Versuch, die Band-Findung gezielt zu steuern?

Johanna Eicker: Nein, gar nicht. Was die Bandentwicklung und das Kennenlernen der Musiker anging wurde allen sogar ziemlich viel freie Hand gelassen. Das Drumherum betraf es eher: Klatschgeschichten wie zum Beispiel, dass einer der Sänger seine Freundin vermisste. Er war ganz furchtbar traurig, was natürlich direkt gefilmt und gezeigt werden wurde. Es gab sehr viele solcher persönlicher Klatschgeschichten, die durch das Redaktionsteam in den Vordergrund gerückt wurden. Dabei gab es gleichzeitig immer so spannende Szenen im Proberaum… das war wirklich schade. Da hatte ich mir irgendwie ein bisschen mehr erhofft, aber na gut.

Backstage PRO: Grundsätzlich die Zusammenarbeit mit den Kollegen und dem Team des Senders okay?

Johanna Eicker: Also unter uns Musikern war alles super, aber auch zu den Filmleuten entstanden interessante Bekanntschaften – das war sehr nett. Sobald es darum ging, dass man an einem Tag unbedingt noch Content für die Fernsehausstrahlung brauchte, wurde es ein bisschen stressig und unangenehm. Dann musste man hier noch mal durch die Tür laufen, dort noch was machen,… und sowas. Das war dann immer so ein bisschen “Oh nee, jetzt echt? Na gut, dafür bin ich ja hier.”

"Samu war hilfsbereit und hatte wirklich gute Tipps"

Johanna bei einer Show mit Carolin Kebekus

Johanna bei einer Show mit Carolin Kebekus, © Foto: Frank Dicks (Brainpool)

Backstage PRO: Und Samu Haber? Konnte er der Gruppe Tipps geben?

Johanna Eicker: Ich kenne ihn ja bereits seit 2009. Wir waren damals mit The Black Sheep als Support für Sunrise Avenue auf Deutschland-Tour. Er hat mich am ersten Tag direkt erkannt und wir haben uns super unterhalten! Auch sonst war er recht oft bei uns Teilnehmern, war hilfsbereit und hatte wirklich gute Tipps. Ehrlich gesagt fand ich es noch besser, wenn die Kameras nicht dabei waren, weil er dann nicht versuchen musste seine Tipps für ProSieben-Zuschauer verständlich zu formulieren und in seinem niedlichen Deutsch zu sprechen. Ohne Kameras lief alles auf Englisch und sehr detailliert. Seine offene und begeisterte Art ist nach meinem Gefühl aber wirklich hundertprozentig authentisch! Ich finde er ist ein super Typ.

Backstage PRO: Musstest du Verträge mit knebelmäßigen Klauseln unterschreiben?

Johanna Eicker: Dazu darf ich nicht so sehr ins Detail gehen. Aber natürlich gab es einen Vertrag. Ich glaube, dass die Tendenz generell ein bisschen weg von diesen bekannten Knebelverträgen geht. Die Leute lassen sich nicht mehr verscheißern. Da alle Medien dieses Thema schon aufgegriffen haben hat mittlerweile wohl jeder davon gehört, dass man ein bisschen aufpassen muss, bevor man einen Vertrag unterschreibt.

Backstage PRO: Es war nichts darin enthalten, was dich von der Teilnahme abgehalten hätte?

Johanna Eicker: Doch, doch! Aber ich habe ja auch ein bisschen Ahnung davon, wie man solche Verträge verhandelt und dabei keine Berührungsängste. Also habe ich Anpassungen vereinbart. Ich war eventuell sogar übervorsichtig, weil ich mir meinen Werdegang nicht verbauen wollte, den ich aktuell als Künstlerin gehe, unter anderem mit Roads & Shoes und Rockemarieche. Das war meine oberste Prämisse.

"Jeder Vertrag kann tricky sein"

Backstage PRO: Im Zweifel sollte man besser mit jemandem Rücksprache halten, der solche Erfahrung auch besitzt, bevor man sich in solch ein Abenteuer stürzt?

Johanna Eicker: Ja, immer. Ich finde jeder Vertrag, der über eine DIN A4-Seite hinausgeht, kann tricky sein oder einfach Sätze enthalten, die man vielleicht gar nicht richtig wahrnimmt, obwohl sie sehr entscheidend sind. Da sollte man auf gar keinen Fall mit spaßen und wirklich jemand fragen, der Ahnung hat. Ein Besuch beim Anwalt kann nicht schaden.

Backstage PRO: Hast du weitere Tipps für die kommenden Castingshowteilnehmer-Generationen?

Johanna Eicker: Ja, tatsächlich! Wir haben lustigerweise in Barcelona selbst vieles untereinander besprochen, teilten ja meist die gleichen Bedenken. Ein großes Thema war: Wie geht man mit sowas um – beziehungsweise, wie geht man generell mit der Öffentlichkeit um?

Backstage PRO: Wie lautet deine Antwort?

Johanna Eicker: Ich finde, sich selbst treu zu sein und zu bleiben ist das Wichtigste. Ich hab aufgepasst, dass ich mich zu nichts hinreißen lasse, das ich eigentlich nicht möchte. Deshalb habe ich nichts gesagt, was mir in den Mund gelegt worden ist als Versuch, einen zu reizen, dass man schlecht über Andere redet. Das bedarf aber schon ein bisschen Erfahrung im Umgang mit Journalisten, generell mit Medien. Die haben Tricks, um einem etwas zu entlocken. Man muss bei jeder Art von Frage oder Aufforderung, die von außen kommt, auf jeden Fall erstmal ruhig bleiben und kurz überlegen: Würde man sich hinterher vielleicht doch ärgern? Aber das gilt für eine Castingshow ebenso wie jedes Interview .

"Ich gewann viele Selbsterkenntnisse"

Foto: Andre Te Images

Foto: Andre Te Images

Backstage PRO: Was hast du für dich selbst als wichtige Erfahrung mitgenommen?

Johanna Eicker: Durch den sehr interessanten Querschnitt an Leuten, die in unterschiedlichen Stadien ihrer Karriere sind, konnte man sich sehr gut selbst verorten: Wo steht man, wie viel hat man schon erreicht, wie viel Platz ist noch nach oben? Wie fit ist man bei praktischen Dingen, wenn es zum Beispiel darum geht, mit einer neuen Band innerhalb eines halben Tages einen neuen Song zu lernen und zu arrangieren? Wie reagiere ich auf diesen Druck? Die Selbsterkenntnisse, die ich gewinnen konnte, waren eigentlich das Interessanteste. Aber es war natürlich einfach mal spannend, bei einer solchen TV-Produktion hinter den Kulissen dabei zu sein und mitzukriegen, wie alles abläuft, wie es gefilmt wird und wie es am Ende aussieht. Mensch, ich hab zehn Tage in einem schicken Haus in Barcelona mit Pool gewohnt – also darüber kann ich mich auch nicht beschweren!

Backstage PRO: Warum bist du deiner Meinung nach ausgeschieden?

Johanna Eicker: Ich war mir aufgrund der Konstellation zu einem bestimmten Zeitpunkt relativ sicher, dass ich es am Ende nicht in die Band schaffen würde. Ab dem Moment war für mich der Reiz ein bisschen verflogen, mich weiter komplett rein zu hängen. Ich glaube meine Mitstreiter hatten bemerkt, dass ich nicht mehr zu jenen Leuten gehörte, die unbedingt weiter kommen wollten, weil das jetzt "mein ganz großer Traum sei". Und als wir uns gegenseitig nominieren mussten, war es eine einleuchtende Begründung, dass ich schon so viel erlebt hätte und andere Leuten ihre Chance erhalten sollten. Ich bin dann nach knapp zwei Wochen nach Hause geflogen, habe alle möglichen Jobs, die ich zuvor abgesagt hatte jetzt wieder zugesagt und weiter gemacht.

Backstage PRO: Vielen Dank, Johanna – und weiterhin viel Erfolg mit deiner Musikerinnenkarriere!

Euer Feedback

Wie ist euer Blick auf Castingshows, eure Meinung zu diesen Formaten? Käme eine Teilnahme für dich in Frage? Welche Erwartungen würdest du daran knüpfen? Oder ist alle öffentliche Kritik berichtigt und Castingformate eigentlich längst überholt?

Johanna live mit ihrer Band The Black Sheep

Johanna live mit ihrer Band The Black Sheep, © Pressefotos

Personen

Johanna Eicker

Musikerin aus Köln Gitarristin, Bassistin bei Roads & Shoes, Gitarristin, Keyboarderin, Bassistin bei Charly Klauser und The Black Sheep

Artists

The Black Sheep

Pop-Rock aus Köln

Ähnliche Themen

Bands + Musiker für neue SAT.1-Show mit Bülent Ceylan gesucht!

Es winkt ein Preisgeld von 50.000 Euro

Bands + Musiker für neue SAT.1-Show mit Bülent Ceylan gesucht!

veröffentlicht am 27.07.2018

10 Tipps für deine nächste Audition- oder Casting-Situation

Souverän vorspielen

10 Tipps für deine nächste Audition- oder Casting-Situation

veröffentlicht am 26.06.2018   3

Realist mit Ambitionen: Andreas Kümmert über Medien, die Musikbranche und seine Karriere

"Die negativen Stimmen waren sehr erdrückend"

Realist mit Ambitionen: Andreas Kümmert über Medien, die Musikbranche und seine Karriere

veröffentlicht am 03.05.2017   4

Interview mit Eva Becker (Backing Vocals bei Stefanie Heinzmann) über das Berufsleben als Sängerin

"Viel Schlaf, kein Alkohol, nicht rauchen"

Interview mit Eva Becker (Backing Vocals bei Stefanie Heinzmann) über das Berufsleben als Sängerin

veröffentlicht am 30.10.2015

Interview mit Oliver Rivo über vergängliche Bandkarrieren, Majors und das Streben nach Hits

Mit Rivo Drei durchlief er den Hype-Zyklus

Interview mit Oliver Rivo über vergängliche Bandkarrieren, Majors und das Streben nach Hits

veröffentlicht am 06.10.2015   6

Newsletter

Abonniere den Backstage PRO-Newsletter und bleibe zu diesem und anderen Themen auf dem Laufenden!