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Aramsamsam und andere Ohrwürmer

Simone Sommerland über ihren Erfolg mit Kinderliedern

Interview von Christian Grube
veröffentlicht am 07.05.2021

berufswelt coronakrise erfolgsfaktoren

Simone Sommerland über ihren Erfolg mit Kinderliedern

Simone Sommerland und Karsten Glück. © Privat

Ist es möglich mit Musik für Kinder länger in den Charts zu sein als die Beatles oder ABBA? Ja! Simone Sommerland, Karsten Glück und die Kita-Frösche sind bei den Jüngsten absolute Superstars. Wir haben mit Simone Sommerland über ihren Erfolg und ihre vielseitigen Aktivitäten gesprochen.

Wer kennt nicht Lieder wie "Aramsamsam", "Alle Vögel sind schon da" oder "Backe, Backe Kuchen"? Bei den Jüngsten werden sie heute genauso rauf und runter gehört wie vor Jahrzehnten. Dadurch sind diese Kinderlieder Teil des allgemeinen Kulturguts, auch wenn sie bis heute immer wieder neu interpretiert werden. Diese Neuinterpretationen können ein Erfolgsmodell sein. Schaut man sich die Statistik der meistgeklickten Videos bei Youtube an, dann ist der "Baby Shark Dance" mit 10 Milliarden Aufrufen – vor Luis Fonsis "Despacito" (7,7 Mrd.), das mit großen Abstand erfolgreichste auf der Videoplattform – allerzeiten!

Länger in den Charts als Helene Fischer

Wenn man sich durch den Dschungel an Kindermusik bei Youtube klickt, gibt es allerhand animierte Videos. Doch vor allem zwei Interpreten stechen immer wieder ins Auge: Simone Sommerland und Karsten Glück. Beide sind wohl im Moment die erfolgreichsten Kindermusiker in Deutschland und lassen alte Hasen wie Rolf Zuckowski oder Volker Rosin inzwischen weit hinter sich.

Im März 2021 haben die beiden Musiker mit ihrem ersten Album "Die 30 besten Spiel- und Bewegungslieder" Helene Fischer in den Charts überholt. Mehr als 360 Wochen – also fast 7 Jahre ist die Platte nun in den Charts vertreten. Der vorherige Rekord der "Atemlos"-Sängerin lag bei 357 Wochen. Zum Vergleich: Die Beatles und Abba haben etwa 200 Wochen erreicht. Das bemerken auch viele Verlage und Labels schwenken auf Kindermusik um.

"Eltern und Kinder sind unsere Zielgruppe"

Backstage PRO: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Musik für Kinder zu produzieren?

Simone Sommerland: Nicht wir sind auf die Idee gekommen – die Idee ist zu uns gekommen. Das Label Lamp & Sumfleth Entertainment hat den mit uns befreundeten Produzenten Markus Schürjann zunächst mit dem ersten Album beauftragt. Markus hat dann meinen Mann Karsten und mich für die gesangliche Umsetzung ins Boot geholt. Wir haben bereits früher Kindermusik gesungen und als Sänger- und Elternpaar sowie durch meine gesangspädagogischen Erfahrungen aus dem Eltern/Kind-Bereich konnten wir alles synergetisch einfliessen lassen.

Backstage PRO: Ihre CD-Verkäufe sind ebenbürtig mit denen großer Popstars. Haben Sie das Gefühl, dass Musik für Kinder dennoch ein wenig belächelt wird?

Simone Sommerland: Eltern und Kinder sind unsere Zielgruppe. Wir belächeln das überhaupt nicht, sondern freuen uns über viele Zuschriften und Dankesmails für die Bereicherung des musikalischen Familienalltags. Belächelt werden wir gelegentlich von denen, die Kunst und Kultur über sogenannte Ernsthaftigkeit für Erwachsene definieren. Aber für mich ist jeder Mensch gleich und Kinder mindestens so wichtig wie Erwachsene!

"YouTube war die logische Konsequenz"

Backstage PRO: Welche Rolle spielt das Thema Streaming für Sie? Verliert das physische Medium CD dadurch seine Relevanz – auch im Bezug auf den Verdienst?

Simone Sommerland: Streaming war von Anfang an Bestandteil unserer Verbreitung über Amazon und nimmt an Relevanz immer mehr zu. Die entsprechenden Endgeräte in den Haushalten lösen die CD-Player langsam ab. Neuerdings ist unsere Musik auf der "tigerbox" verfügbar, eine Streamingbox extra nur für kindgerechte Inhalte. Allerdings geht die Ablösung im Kinderbereich langsamer als im Erwachsenenbereich, da immer noch die CD als Geschenk für das Kind eine Rolle spielt.

Backstage PRO: Wie entstand die Idee, die Musik auf Youtube einzustellen?

Simone Sommerland: Wir haben relativ früh unser erstes Album auch visuell in einer Kita gemeinsam mit Kindern für eine Mitmach-DVD umgesetzt. Die Verbreitung kurz später über Youtube war nur die logische Konsequenz, um noch mehr Kinder zu erreichen.

Backstage PRO: Der von Lamp & Leute betriebene Kanal "Kinderlieder zum Mitsingen und Bewegen" hat aktuell 1,96 Millionen Abonnenten. Bedeutet das viel Arbeit?

Simone Sommerland: Der Youtube-Kanal wird komplett vom Label gepflegt und Kontor New Media ist für den digitalen Vertrieb und das Streaming zuständig. Und ja – es ist eine Menge Arbeit.

"Wir haben bisher über 1000 Lieder veröffentlicht"

Backstage PRO: Oft interpretieren Sie bekannte Lieder, aber Sie schreiben auch selbst Lieder. In welchem Verhältnis steht beides zueinander?

Simone Sommerland: Unsere mittlerweile mehr als 1000 veröffentlichten Lieder sind zur Hälfte Versionen bereits bekannter Lieder, die andere Hälfte wird gemeinsam von Markus Schürjann, Marco Sumfleth und Florian Lamp komponiert und getextet.

Backstage PRO: Wie läuft ist eine Produktion in einem Kindergarten ab?

Simone Sommerland: Wir produzieren die DVDs in einer Kita vor Ort mit den Kindern, die dort auch in die Kita gehen. Gemeinsam proben Karsten und ich im Vorfeld mit den Kindern und schließlich stößt das Kamerateam an mehreren Produktionstagen dazu. Da wir in einem für die Kinder sehr vertrauten Umfeld drehen und vorher viel Zeit zum gemeinsamen Spielen und Singen haben, läuft der Dreh trotz aller "Aufregung" immer sehr zügig und lustig ab.

Backstage PRO: Wie funktioniert der Einbezug der Eltern?

Simone Sommerland: Kinder unterliegen strengen Vorgaben in Bezug auf Drehzeiten, an die wir uns selbstverständlich halten. Betreut werden die Kinder zusätzlich während der Dreharbeiten und Pausen durch ihre eigenen Erzieherinnen aus der Kita. Für Kinder und Eltern (die allerdings nicht zuschauen können), ist es immer ein Riesenevent, wenn wir drehen und alle freuen sich auf das Ergebnis.

"Die CD-Produktion ist während Corona der Fels in der Brandung"

Backstage PRO: Wie stark sind Sie durch Corona in ihrer Arbeit eingeschränkt bzw. wie hat sich Corona auf Ihre Arbeit ausgewirkt? Mussten Alternativen gefunden werden?

Simone Sommerland: Corona und der erste Lockdown hat uns unmittelbar vor unserem nächsten Drehtermin erwischt. Wir hatten alles fertig geprobt und die Kinder hatten sich wahnsinnig gefreut. Mittlerweile gehen einige von ihnen schon zur Schule.

Backstage PRO: Da war die Enttäuschung bei den Kindern sicher groß, oder?

Simone Sommerland: Ja. Wir haben als kleines Trostpflaster für alle zu Hause gebliebenen Kinder in kompletter Eigenregie die "Mini-Mitmach-Show" für You Tube umgesetzt. Das war recht aufwendig, alles ohne das gewohnte Team umzusetzen, die Resonanz war jedoch umwerfend.

Backstage PRO: Sie betreiben auch eine Musikschule, wie waren die Auswirkungen dort?

Simone Sommerland: Meine Musikschule schwankt nahezu wöchentlich zwischen Öffnen und Schließen unter verschiedensten Bedingungen. Der Fels in der Brandung sind unsere vier CD-Produktionen jährlich, die wir auch in der Corona-Zeit umgesetzt haben. Aktuell arbeiten wir an einer neuen CD zum Thema Piraten.

Backstage PRO: Sie geben auch immer wieder Konzerte, aber die sind vermutlich alle abgesagt worden.

Simone Sommerland: Unser Jahresplanung, mit den Kinderliedern auch Live-Konzerte zu geben, ist komplett ins Wasser gefallen. Als Sängerin hatte ich ein zweimonatiges Varieté-Engagement, das ist komplett auf 2022 verschoben worden, leider zeitgleich mit einer ebenfalls abgesagten Tournee mit der Philharmonie Frankfurt.

"Stabilität und Ruhe ist wähend der Krise das Wichtigste"

Backstage PRO: Wie hat sich die Krise auf Sie privat ausgewirkt?

Simone Sommerland: Wie alle anderen Eltern auch haben wir uns enorm viel mit dem Thema Homeschooling und den Bedürfnissen unserer drei Kinder befasst und vor allem versucht, Stabilität und Ruhe zu Hause zu erlangen.

Backstage PRO: Gab es besondere Projekte, an denen Sie während der Pandemie umgesetzt haben?

Simone Sommerland: Ich habe sehr viel Studioarbeit mit einem Projekt namens "Kinderlied für dich... feat. Simone Sommerland" verbracht. Dafür habe ich zehn Schlaflieder mit den jeweils hundert beliebtesten Jungen- und Mädchennamen personalisiert gesungen. 

Mit einem Schlag haben wir somit kürzlich 2000 Songs auf allen gängigen Streamingportalen veröffentlicht, die sich unter Eingabe von "Schlaflied für (und dann der Kindername der gesucht wird)" finden und und zu einer persönlichen Einschlaf-Playlist zusammenstellen lassen.

Backstage PRO: Wie sehen Ihre Pläne für die nächste Zeit aus?

Simone Sommerland: Wir werden weiterhin Kinder-CDs aufnehmen, Ideen gibt es genug und wir werden, sobald es geht, auch wieder mit Kindern in der Kita neue Videos drehen.

"Das Netz ist kein Ersatz für das echte Leben"

Backstage PRO: Backstage PRO ist ja auch eine Community für Newcomer und Menschen die ins Geschäft einsteigen wollen. Mich würde interessieren ob Sie Tipps haben, die sie anderen geben würden, die sich mit eigener Musik für Kinder einen Namen machen möchten – auch während der aktuellen Situation?

Simone Sommerland: An erster Stelle steht im Moment wirklich für alle Künstler, sich nicht entmutigen zu lassen. Ich weiß, dass es gerade für die allermeisten unheimlich schwierig ist.

Mein Netzwerk ist groß genug um zu erleben, wie hart viele Musiker/innen finanziell hart getroffen sind, aber vor allem auch Schwierigkeiten haben, das Loch in der Seele, das durch den fehlenden musikalischen Austausch, die fehlenden Konzerte und Erlebnisse, die uns alle sonst immer auftanken, zu stopfen.

Backstage PRO: Wie bewältigt man diese schwierige Zeit als Musiker?

Simone Sommerland: Mein Tipp wäre, die eigenen Ressourcen zu erkunden und dafür zu sorgen, dass das Musizieren bleibt. Anschließend sollte man sich selbst ein paar Fragen stellen: Was kann ich? Was will ich? Warum will ich das? Was ist mir daran wichtig? Wobei brauche ich Unterstützung?

Das Internet bietet Möglichkeiten zur Verbreitung. Live geht gerade nicht und das Netz ist kein Ersatz für das echte Leben. Aber es hilft und ist die wichtigste Plattform neben der Bühne. Musikalisch bin ich der Meinung, dass es kein Patentrezept zum Erfolg gibt, außer vielleicht, wenn es nachhaltig sein soll, authentisch zu bleiben.

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