WhoMadeWho

WhoMadeWho

Bereits das Line-Up war sehr vielversprechend: Mediengruppe Telekommander, Bonaparte, WhoMadeWho… Ja, man konnte sich darunter schon so einiges vorstellen und man hatte wirklich die Qual der Wahl. Aus über 20 Acts konnte man sich seine Lieblinge herauspicken und seine musikalischen Vorlieben entweder im Docks, der Prinzenbar oder dem Neidklub nachgehen. Die Crème de la Crème fand sich jedoch hauptsächlich in der mit Lichtinstallationen bestückten Halle des Docks ein.

{image}Es stellte sich dann jedoch ganz schnell heraus, dass die menschliche Vorstellungskraft doch ziemlich begrenzt ist. Sie bildete nämlich nur einen ganz kleinen Prozentsatz dessen, was sich dem Publikum dann wirklich geboten hat: ein Elektrotheater par excellence – das gilt zumindest für Freitag. Dort wurden die Jungs von Mediengruppe Telekommander bereits sehnsüchtig vom Publikum erwartet, hatten es jedoch um 20 Uhr noch etwas schwer, das Publikum wirklich mitzureißen. Sie spielten einige Lieder ihres neuen Albums Einer muss in Führung gehen, schafften es jedoch erst mit der Zugabe, ihrer sehnsüchtig erwarteten Hymne Ich Kommander, du Kommander, er Kommander, sie Kommander, der Kommander, Telekommander! das Publikum so richtig zum Beben zu bringen. Dennoch, das Elektrotheater hatte mit dem Elektro-Space-Rock der Mediengruppe Telekommander seine Türen geöffnet und das Publikum wartete begierig auf noch mehr Schauspiel. Was sich dann allerdings um 22 Uhr in Form von Bonaparte auf der Bühne abspielte, dem Geheimtipp des Berliner Undergrounds, übertraf alle Erwartungen. Eigentlich fehlt es an geeigneten Worten um diesem Schauspiel wirklich gerecht zu werden, denn das was Bonaparte auf der Bühne des Docks zum Besten gegeben haben war mehr als nur Musik. Auch das Wort Konzert trifft es nicht wirklich. Elektro-Punk-Oper? Schon eher. Ein Geniestreich? Ganz klar!

{image}Die Antwort auf die Frage "Do you want to party with the Bonaparte?!?!" blieb dann natürlich auch nicht lange unbeantwortet und das Docks wurde kurzerhand zum Erwachsenenspielplatz. Es wurde geschrien, getanzt, gesprungen, gelacht, immer wieder geschrien, getanzt, gesprungen und gelacht. So schön "Out of control" das Ganze, dass man am liebsten auch noch geweint hätte. Sänger Tobias Jundt offenbarte dem Publikum dann in Too Much auch noch auf erfrischende Weise um welches Problem sich unsere Gesellschaft neben Klimawandel und Co. auch noch kümmern sollte:

"You know too much, too much, too much, (…) you know Churchill, well I know Kill Bill, you know Tolstoi, well I know Playboy, you know politics, well I know party chicks, (…) you know economy, well I believe in what I see!"

Und auch wenn man seinen Augen schon fast nicht mehr trauen wollte, gab es für das Publikum so einiges zu sehen: ein Riesenbaby mit Engelsflügeln, nackte Ärsche, allerhand undefinierbarer Wesen, eine Ziege mit Boxhandschuhen und ja, auch prall dopsende Brüste. Keiner konnte sich diesem Schauspiel entziehen und ganz sicher hätte das auch niemand gewollt. Bonaparte haben beim Play Winter Festival wirklich alles gegeben und das Elektrotheater auf eine ganz neue Ebene versetzt. Eigentlich müsste man schon fast von einer Elektro-Oper sprechen. Auf alle Fälle ein Fest für die Sinne – Danke Bonaparte!

{image}Wer jetzt glaubt mit diesem Highlight hätte sich das Elektrotheater wieder verabschiedet, der irrt gewaltig. Denn auch die dänische Band WhoMadeWho wollte sich, wenn auch gänzlich ohne Maskerade dafür aber mit betörend guter Elektromusik, einen Namen im Elektrotheater machen. Wenn Bonaparte die Elektro-Oper für sich in Anspruch genommen hat, dann sind WhoMadeWho mit ihren melodiösen Klängen definitiv die Kings der Elektro-Operette gewesen. Insbesondere das Benny Benassi Cover Satisfaction und das Lied Keep Me In My Plane zeugen von der besonderen musikalischen Qualität von WhoMadeWho. Packende Elektrobeats in Verbindung mit den klangvollen Stimmen von Tomas Hoffding und Jeppe Kjellberg boten dem Publikum ein puristisches Schauspiel der Extraklasse.

Während man auf Freitag fast nur Lobhymnen aussprechen könnte, sah die Theaterwelt am Samstag dann leider doch schon ein wenig anders aus und eine wirklich fesselnde Atmosphäre wollte einfach nicht so recht aufkommen. Daran konnte leider auch der überragende Auftritt der britischen Band Zoot Woman, welcher insbesondere durch die coolen Posen der Bassistin Beatrice Hatherley bestach, noch nicht viel ändern. Dennoch, auf der Bühne des Elektrotheaters erinnerten die Lieder von Zoot Woman an eine laue Sommernacht, in der man von Lampions umgeben auf dem Gras sitzt, umringt von hübschen Menschen und den Sternen. Definitiv ein Glanzstück.

{image}Dann kamen die aus unerfindlichen Gründen vom Publikum umjubelten und gefeierten schwedischen Möchtegern-Rocker um Frontfrau Maja Ivarsson von The Sounds auf die Bühne und nahmen diese für fast eineinhalb Stunden in Anspruch um dann wirklich alle Register eines doch sehr ausgelutschten Rockerimages auszuleben – es sei hier an dieser Stelle angemerkt, dass platinblond alleine nicht ausreicht um in die Riege von Blondie und Co. aufzusteigen, insbesondere wenn der Sound eher an Green Day erinnert und der Gesang an eine Jeanette Biedermann - ist vom Sound leider nicht viel im Kopf hängengeblieben. Definitiv mehr Schein als Sein. Ein echtes Boulevardstück.

Glücklicherweise hatte man noch einen Trumpf im Ärmel. Die drei Berliner Jungs von Bodi Bill riefen dem Publikum wieder ins Gedächtnis wieso man eigentlich noch mal den stolzen Preis des Samstagticket bezahlt hat und befreiten alle angestaute Energie mit ihren phänomenalen Elektroklängen. Die Bühne des Elektrotheaters hatte also tatsächlich noch ein weiteres Highlight hervorgebracht. Wie Traumtänzer führten die drei Jungs von Bodi Bill das Publikum durch ihre musikalische Galaxie und schafften es tatsächlich, die vorangegangenen musikalischen Eskapaden ganz weit weg erscheinen zu lassen. Ein wahres Zauberstück. Insbesondere die Lieder I Like Holden Caulfield und auch One or Two zeugten von dem ungeheuren musikalischen Potential von Bodi Bill und dem großen Gesangstalent von Fabian Fenk. Als dann zum Abschied auch noch eine abgespacte Version von „Nothing Compares to You“ ertönte, war das Werk vollbracht. Die Traumtänzer konnten die Bühne in der Gewissheit verlassen, dass auch ihr Elektrotheater neue Dimensionen erreicht hat. Die Befruchtung ist geglückt. Keine Frage. Das klangvolle Zauberstück erhellte noch lange die dunkle Halle und bestimmt auch das ein oder andere Herz.

{image}Wenn sich nur das ganze Festival in dieser Dimension abgespielt hätte, wäre es definitiv ein voller Erfolg gewesen mit all den grandiosen Traumtänzern und Elektro-Opern-Punks. Allerdings waren diese leider hauptsächlich am Freitagabend zu finden, womit für den Samstag – abgesehen von den oben beschriebenen Ausnahmen – leider nicht mehr viel übrig blieb. Vielleicht sollte man sich für das nächste Mal überlegen, ein reines Elektrofestival daraus zu machen. Auf das Boulevardtheater kann man nämlich gut und gerne verzichten. Auf die ein oder andere Videoinstallation auf denen XL-Brüste immer und immer wieder wie Wackelpudding in das Publikum geschmettert werden vielleicht auch. Das war nämlich eher ein Trauerspiel. Ansonsten wünscht man sich für das nächste Jahr nur noch mehr Extravaganza. Vielleicht wird aus dem Theater ja dann das ganz große Kino.

Line-Up Play Winter Festival

Freitag:

Docks
* Love Ravers
* Mediengruppe Telekommander
* Bonaparte
* WhoMadeWho
* Late of the Pier (DJ-Set)
Prinzenbar
* Boy Omega
* Audiolith Pferdemarkt
Neidklub
* Dancing Pigeons
* Shitdisco
* Kavinsky


Samstag:

Docks
* Popular Damage
* Eight Legs
* Zoot Woman
* The Sounds
* Bodi Bill
* SchlachthofBronx
* JOE AND WILL ASK
* Kristellar und M.O.M.O.
Prinzenbar
* Planting the Seed
* Tanner
* Herpes
* Vierkanttretlager
* Jenana
* I Heart Sharks
* Death by Pop vs. KissKissClub