Them Crooked Vultures. Fotostrecke starten

Them Crooked Vultures. © Dustin Rabin

In unsere ersten CD-Rezensionen in 2010 haben es einige Alben geschafft, die im Vorjahr erschienen, aber noch immer für Aufsehen sorgen. Und wer konnte sich die Spitzenplatzierungen sichern? Etwa die gehypte Supergroup Them Crooked Vultures? Oder doch eher Neulinge im Showgeschäft wie Mumford & Sons? Am Ende haben die Souls of Mischief mit "Montezuma's Revenge" leicht die Nase vorne. Wir empfehlen in diesem Fall die Dauerrotation!

Them Crooked Vultures * Bernd Begemann & Die Befreiung * O.C. & A.G. * Noch ne Band * Mumford & Sons * Souls of Mischief

Them Crooked Vultures – Them Crooked Vultures | Sony

{image}Eine weitere neue Supergruppe mit nicht mehr ganz so jungen Mitgliedern hat sich 2009 gegründet. Aber The Raconteurs und The Dead Wheater sehen neben Them Crooked Vultures nur wie Anfänger aus. Denn Josh Homme (Kyuss, QOTSA), Dave Grohl (Nirvana, Foo Fighters) und John Paul Jones (Led Zeppelin) vereinen zusammengerechnet deutlich mehr Jahre Rock'n'Roll. Doch gebeugt vor lauter Last der Vergangenheit gehen die Drei trotzdem nicht durch die Welt, obwohl das der Bandname ja nahe legt. Überhaupt darf man den Namen getrost beiseite schieben und sich auf die Musik konzentrieren. Und da dröhnt einem erst einmal das Erwartete entgegen: Klassischer, bluesgetränkter Hardrock, wie er nur aus den staubigeren Gegenden Amerikas kommen kann. Und so hören sich die Singles No One Loves Me & Neither Do I, Mind Eraser, No Chaser, New Fang und Dead End Friends wie eine Mischung aus Led Zeppelin und den QOTSA an. Überraschung!

Doch das soll gar nicht als Kritik verstanden werden: Die Riffs sitzen, der Bass wummert unbeschreiblich, Dave Grohl vermöbelt das Schlagzeug und über allem schwebt und wabbert die hypnotisierende Stimme Josh Hommes. Niemand könnte heute wohl ein besseres Album dieser Art aufnehmen, besonders wenn man die Ansprüche mit einbezieht, die an das Album aufgrund der Bandbesetzung angelegt werden. Doch der Langweile haben Them Crooked Vultures gegen Ende des Albums vorgebeugt. Interlude With Ludes kommt sehr psycho-folkig daher, Warsaw Or The First Breath You Take After You Give Up fährt einen Chor auf und nähert sich dem Prog-Rock und Spinning In Daffodils weist in seiner Verschachteltheit noch Elektroanklänge auf. Die Höhepunkte des Albums sind dabei das psychedelische Reptiles, das krachende Mind Eraser, No Chaser, das hymnische Warsaw Or The First Breath You Take After You Give Up und das stonerrockige Caligulove. Das Album ist definitiv ein Muss für alle Led Zeppelin- und QOTSA-Fans sowie für jeden, der eines der besseren Alben des Jahres 2009 sein Eigen nennen möchte. Wenn Retrospektive sich so anhört, dann kann es ruhig mehr davon geben. Auch wenn dann die ruhigen Zeiten wohl vorbei sind.

Wertung: +++ (Thomas Laux)

Bernd Begemann & Die Befreiung – Ich erkläre diese Krise für beendet | tapete records

{image}Wie bei Bernd Begemann üblich, folgt auf den Hochmut die Großtat. Denn das neue Album Ich erkläre diese Krise für beendet bietet nicht etwa wirtschaftliche Tipps oder Kniffe, aber – viel besser – die Musik macht Spaß und reißt mit. Die Krise wird dadurch vielleicht etwas erträglicher, oder eine Begemann’sche Weisheit führt zum Überdenken der eigenen Situation. Dies soll Bernd Begemann und der Befreiung aber nicht allzu großen intellektuellen und küchenpsychologischen Ballast um den frisch gewaschenen Hals hängen. Jeglicher Ballast wird sowieso sofort von der Musik abgeworfen. Der Kopf steht bei diesem Album nicht im Fokus, auch nicht das Herz, sondern eher der Bauch und die Beine. Die ersten beiden Lieder bleiben aber noch etwas unter diesen Ansprüchen. Zurück an den wundervollen Ort und Die neuen Mädchen sind da sind zu schlageresk geraten und wirken eher kitschig als ironisch. Das ändert sich aber auf dem Rest des Albums. Mit Du bist mein Niveau und Sie redet Revolution sind gleich zwei der besten Liebeslieder des Jahres auf dem Album. Hier wird jenseits von Kitsch und Gefühlsduselei in die Hände geklatscht, es werden Alltagsbeobachtungen zu Oden und am Ende gibt es ein Dylan-Gedächtnis-Mundharmonika-Solo. Herrlich. In Ich identifiziere mich nicht schlägt die Sozialkritik nicht ins Formelhafte um. Ein Chor mit "Ich identifiziere mich nicht mit der Firmenphilosophie" und Zeilen wie "Ich wünsch mir fast die Zeit, da würde man unterdrückt und musste es nicht selber tun" kommen nicht mit dem Dampfhammer daher, sondern mit mindestens einem Augenzwinkern. Danke für den Schmerz wird etwas zynisch, doch mit Exfreundin in Berlin wird ordentlich "Rotzrock" (laut Selbstbeschreibung im Infotext) geboten. Ein Lied, das in Berlin aus jedem Fenster schallen sollte, denn eine Portion Selbstironie kann den dort ansässigen Menschen nicht schaden. Begemann und Band huldigen aber nicht durchgängig dem Beat und dem Rock. Mit Weil deine Liebe mich führt und Wir drei sind auch zwei Balladen auf dem Album. Insgesamt wird großer Klang mit Chören, Handklatschen und "Babbada Babbabdada" aufgeboten, der Bernd Begemann & die Befreiung wieder frisch und mitreißend klingen lässt. Am besten sind die Momente, wenn der Begemann’sche Wortwitz und dessen Ironie auf die ausspielenden und antreibende Befreiung trifft.

Wertung: ++++ (Thomas Laux)

O.C. & A.G. – Oasis | D.I.T.C Records

{image}Vor geraumer Zeit haben sich die renommierten Rapper O.C. und A.G. zusammengetan, um das bedeutende New Yorker HipHop-Kollektiv D.I.T.C. mit einem gemeinsamen Album namens Oasis wiederzubeleben. Für Laien mag das nach einem wenig schmackhaftem Akronym-Salat klingen, Liebhaber des 90er Boom Bap Sounds hingegen horchen hier erwartungsvoll auf. Nach dem Tod von Big L 1999 und der unglücklichen musikalischen Entwicklung Fat Joes, scheinen Omar Credle und Andre the Giant prädestiniert dafür zu sein, um die Diggin' in the Crates-Truppe wieder zu altem Ruhm zu führen. Obwohl Buckwild und Diamond D bei diesem Spektakel leider nicht partizipieren, haben mit Show und Lord Finesse dennoch zwei der hauseigenen D.I.T.C.-Mitglieder als Produzenten für Oasis fungiert. Spätestens nach den Hardcore-Rapsalven und messerscharfen Cuts im Intro verfliegen dann auch die letzten Britpop-Melodien, die einem bei der Betitelung Oasis automatisch durch den Kopf rauschen. Mit Keep It Going knüpft direkt eines der besten Stücke des Albums an. Sowohl A.G. als auch O.C. gelingt es, die eingängigen Beats mit ihrem gewaltigen Slowflow zu kontrollieren. Überraschend enttäuschend hingegen sind die klanglosen Arrangements von Lord Finesse. Während Give It Back und Get Away von wenig Innovation zeugen, ist Alpha Males nichts anderes als eine abgeschwächte Kopie von Hungry, das No I.D. 1997 bereits für Common genial inszeniert hat. Auch die Produktionen von E Blaze und A.G.'s langjährigem Gefährten Show sind extrem simpel gestaltete Loops, die nur wenig Freiraum für Abwechslung bieten. Nichtsdestotrotz liefern Andre und Omar mit Oasis druckvollen Boom Bap ab, der allerdings noch nicht genug Schlagkraft besitzt, um direkt an die glorreichen 90er-Veröffentlichungen der D.I.T.C.-Clique anzuknüpfen.

Wertung: +++ (Andreas Margara)

Noch ne Band – Lampenfieber | Cosma Records

{image}Es geht um Liebe, Ängste, Zerrissenheit, Selbstfindung – die Texte auf Lampenfieber, dem Debütalbum von Noch ne Band, handeln von Themen, die jedem Heranwachsenden wohl bekannt sind. Sängerin Vanessa packt dabei viel Gefühl in ihre Stimme, von traurig-melancholisch bis zu provokant-herausfordernd ist alles dabei. Die Musik von Noch ne Band ist solider Poprock, der über eine komplette Plattenlänge hinweg allerdings doch sehr eintönig klingt. Rhythmisch gibt es fast keine Abwechslung und das Trio kommt mit Gitarre, Bass und Schlagzeug zwar gut aus, wirkliche Überraschungen fehlen jedoch. Leider können auch Vergleiche mit einer bekannteren Band nicht ausbleiben: Noch ne Band erinnern sofort an die Musik von Silbermond. Zwar muss dies nicht zwingend schlecht sein, zeigt aber dennoch, dass Noch ne Band bisher keine wirkliche Eigenständigkeit erreicht haben. Auch wenn die Produktion von Lampenfieber sehr gelungen ist, fehlen vor allem markante Stellen, die sie von anderen deutschsprachigen Poprock-Bands unterscheiden würden. Lampenfieber ist der gute Versuch einer jungen Band, die sich erst noch von der Masse abheben muss, um Aufmerksamkeit zu erregen.

Wertung: ++½ (Dorothee Nickel)

Mumford & Sons – Sigh No More | Cooperative Music

{image}Sigh No More, das Debütalbum des Quartetts Mumford & Sons aus London, kann sich in Großbritannien kaum vor Auszeichnungen und Lobpreisungen  kaum retten. Es wird hier jedoch nicht das x-te Aufwärmen einiger Gang of Four-Riffs gehypt. Auch das kann ja mit der Zeit etwas langweilig werden. Mumford & Sons klingen unbritisch: Americana und Singer-Songwritertum schlägt einem entgegen: nur akustische Gitarren, Banjo, Trompeten und Harmoniegesang. Dabei kommen sofort Vergleiche mit Fleet Foxes oder Arcade Fire auf. Und ja, das passt auch teilweise, immerhin hatten Mumford & Sons schonmal den gleichen Produzenten wie Arcade Fire. Doch es kommen auch britische Künstler und Bands in den Sinn: Malcolm Middleton oder Frightened Rabbit. Diese kommen aber beide strenggenommen aus Schottland und spielen auch noch in einer Liga über Mumford & Sons. Egal, gute Musik hat keine Heimat, sondern nur einen Ursprung.

Mit Roll Away Your Stone verleitet die Banjo-Melodie zum Mitsingen und ein großartiger Chor rundet das Lied ab. White Blank Page ist sehr traurig und damit sehr überzeugend. Während Thistle & Weeds etwas zu sehr nach Arcade Fire klingt, kommt in Dust Bowl Dance auch mal eine elektrische Gitarre zum Einsatz. Das zeigt, dass Mumford & Sons es auch etwas lauter können. Die Single Little Lion Man ist die Quintessenz des Albums und der Band. Mit After The Storm wird man melancholisch aus dem Album rausgeworfen. Am Besten sind Mumford & Sons, wenn die Gitarren oder das Klavier den Takt vorantreiben und dann der Chor einsetzt, was sehr euphorisch und mitreißend wirkt. Hier wird nichts Neues erfunden, doch Innovation um ihrer Selbstwillen ist ja auch langweilig. Das Album wächst mit der Zeit, Geduld zu haben lohnt sich also in diesem Fall. Insgesamt ein Album, wie es Ryan Adams auch mal wieder machen könnte. Bis dahin laufen verstärkt Mumford & Sons auf dem Plattenteller.

Wertung: ++++ (Thomas Laux)

Souls of Mischief – Montezuma's Revenge | Hiero Imperium Recordings

{image}Wenn es in Oakland manchmal ein bisschen zu hektisch wird, dann lehnen sich die vier Rapper von Souls of Mischief einfach zurück und chillen. Auf ihrem Debütalbum 93 Til Infinity, das längst auf das Regal zu den Klassikern gehört, haben sie diese Philosophie mit entspannten Beats und locker geflowten Raps musikalisch ganz offen beherzt. Nach drei mittelmäßigen Nachfolgern und einer Schaffenspause von neun Jahren melden sich A-Plus, Tajai, Opio und Phesto mit Montezuma's Revenge nun vereint zurück. Trotz hochkarätiger Produzenten in den eigenen Reihen des Hiero-Imperiums hat das reimende Quartett diesmal noch ein As aus dem Ärmel geschüttelt: Prince Paul. Neben ausgefeilten Produktionsskills besitzt der Rap-Routinier die hohe Gabe, ein Album konzeptionell perfekt abzurunden. So hat er mit Einführung, Skits und Outro nicht nur den Spannungsbogen gezeichnet, sondern den herausragenden Track Proper Aim gleich selbst arrangiert – einen prallen Joint aus kickenden Drums und treibendem Kontrabass, der mit rauschendem Plattenknistern hinterlegt ist. Doch auch Domino von den Hieroglyphics hat überzeugende Arbeit geleistet: Tour Stories bringt mit seinem wohlklingendem Saxophon-Sample feinsten Oldschool-Flavour im laidback Modus. Lyrisch bietet das viel bereiste Gespann dazu Backpacker-Raps im aller engsten Sinne. Entgegen ihres smooth ausgeprägten Naturelles reimen alle Rapper ungemein ambitioniert, was sich besonders positiv auf die (dringend empfohlenen!) Mehrfachhörgänge auswirkt. Erst dann kann sich Montezumas Zauber nämlich vollends entfalten. Dank tatkräftiger Unterstützung von Prince Paul knüpfen die Souls of Mischief direkt an Stücke wie You Never Knew und 93 Til Infinity an. Das Album ist als Doppel-CD mit sämtlichen Instrumentalversionen erschienen.

Wertung: +++++ (Andreas Margara)

So werten wir:

+
schnell auf ebay damit, bevor es jemand merkt
++
hier mangelt es an so einigen Ecken und Enden
+++
das kann sich wirklich hören lassen
++++
ein TOP-Album
+++++
das hier kann dir die große Liebe ersetzen