Roger Willemsen

Roger Willemsen

"Ich habe eine Aktentasche voller CDs mitgebracht", frohlockte Roger Willemsen, als er die Bühne betrat. Seit 2007 ist es gute Tradition, dass der Schriftsteller immer zu Enjoy Jazz in die Feuerwache kommt, um erlesene Jazz-Songs abzuspielen, Geschichten dazu zu erzählen und die Stücke analytisch auseinander zu nehmen – mehr im feuilletonistischen als im musiktheoretischen Sinn. Allerdings fiel die Begeisterungskurve im Vergleich zum fulminanten Vorjahr etwas schwächer aus, trotz annähernd ausverkauftem Saal. Was vielleicht an der Songauswahl bei "My Favourite Things" gelegen haben könnte.

{image}Unter einer nüchtern grellen Schreibtischlampe wühlte sich Roger Willemsen durch seinen Berg an Silberlingen. Die sensible Seite der Seele, mit der man schon lange keinen Rapport mehr hatte, wolle er anrühren. Ursprünglich wollte Willemsen den dritten Teil von "My Favourite Things" mit der Nummer Feather von Eric Dolphy beginnen, fand in dem kreativen Chaos auf seinem Tisch jedoch nicht die CD – daheim liegen gelassen? Roger Willemsen liebt den spontanen Ansatz in seinen Programmen. Deshalb wechselte er einfach schnell zu Lester Youngs I’m in the mood of love. Lester war ein Saxofonist, der die technische Bewältigung dieses Instruments nach vorne brachte. Von Billie Holiday erhielt Young daher den Spitznamen Pres, was für President steht. "Ein Präsident des lakonischen Stils", deutete Roger Willemsen. Eine tragische und hochsensible Figur sei das gewesen, Militärdienst und ein Gefängnisaufenthalt wegen des Besitzes von Marihuana machten einen gebrochenen Mann aus ihm. "Wir sind die wahren Profiteure seiner Musik", befand Roger Willemsen. Denn Lester Youngs Leidensweg schlug sich in dessen Kunst nieder.

{image}Wo liegen die Wurzeln des Jazz? Nach Meinung von Willemsen sind diese nicht nur in Afrika, in der Unterhaltungsmusik und im Gottesdienst zu suchen, sondern auch in den Naturgeräuschen. Den Beleg dazu lieferte der intellektuelle DJ auf seiner hohen Kanzel in der Queen’s Suite von Duke Ellington, ein Stück von 1944, das Ellington für Königin Elisabeth II. schrieb und in dem der Komponist den Klang einer Spottdrossel eingearbeitet hatte. Der Vogelruf als musikalisches Stilmittel. "Wie Ellington den Big-Band-Sound filetierte, ein schwerblütiger Rhythmus, das macht diese Musik aus", schwärmte Roger Willemsen. Ellington sei nämlich ein klassischer Komponist. Und auch 2009 ließ Willemsen keinen Zweifel an der Makellosigkeit John Coltranes zu. "Dieses Projekt John Coltrane wird nie fertig, wir wünschen uns, denken und fühlen zu können wie Coltrane spielt", erzählte der Referent. Ob im Sitzen, im Stehen, im Liegen oder während einer Taxifahrt: Saxofonist John Coltrane sei bekannt dafür gewesen, in den unmöglichsten Situationen neue Blättchen ausprobiert zu haben.

{image}An mancher Stelle wiederholte sich Roger Willemsen bei "My Favourite Things III", dennoch brachte er Neues mit ins Mannheimer Spritzenhaus. "Chris Connor konnte so verschleppt singen, dass man denkt, ihre Band ist schon am Ziel und sie kommt nie an, schafft es aber dann doch", berichtete Roger Willemsen. Zwei Jahrzehnte lang verbrachte Chris Connor in Vergessenheit, tauchte schließlich aber irgendwann in der Jazz-Szene wieder auf. Von dieser Sängerin stellte der DJ die Nummer Moon Ray dem Publikum vor. Über verlassene Frauen, die nachts auf einer Brücke den Mondschein betrachten und an eine verlorene Liebe denken. Ein sehr rudimentäres Stück, in dem der weibliche Gesang von einem zurückhaltenden Bass-Lauf begleitet wird. Es bleibt zu hoffen, dass Enjoy Jazz Willemsens "My Favourite Things" auch 2010 weiterführen wird. Aber dann vielleicht mit verändertem Konzept, um das Programm wieder spannender zu machen.

Roger Willemsen – My Favourite Things III (Playlist)

  • Eric Dolphy: Feather

  • John Coltrane: Velvet Scene

  • Sarah Vaughn: I’m Glad There is You

  • Chris Connor: Moon Ray

  • Red Norvo: There Ain’t No Sweet Man Worth the Salt of My Tears (gesungen von Kay Starr)

  • Growling Tiger: Motor Car Horn, (Knockdown Calypso)

  • Benny Carter: Ruby

  • Zoot Sims. Echoes of You

  • Kenny Dorham: My Ideal

  • Oliver Nelson: Nocturne

  • Ralph Burns: It Might as Well be Spring 

  • Tommy Flanagan: Dear Old Stockholm

  • Hank Jones: Come to Me

  • Michel Petrucciani: Looking Up

  • Keith Jarrett: Blame it on my Youth

  • Oscar Peterson: If You Only Knew

  • Cannonball Adderley: I Can’t Get Started

  • Billie Holiday: Strange Fruit

  • Charlie Haden/Hank Jones: We Shall Overcome

  • Duke Ellington: Sunset and a Mocking Bird (The Queen’s Suite)

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