Peter Maffay beim Entrée-Festival
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Peter Maffay beim Entrée-Festival Foto: Falk Simon / actionzoom.de

Es ist angerichtet. Die Crème de la Crème deutscher Rockmusiker gibt sich die Ehre zum "Entrée-Festival" mit Kravetz & Friends. Großes Kino auf der Stadtparkbühne in Hamburg, mit einer bunten Mischung aus Pop, Rock und Klassik. "Entrée" ist eine Musikstiftung, die vom Keyboarder-Urgestein und Panik-Rocker Jean-Jaques Kravetz in Leben gerufen wurde, um mit Geld und künstlerischen Ideen jungen Musikanten jeglicher Couleur unter die Arme zu greifen.

{image}Wer fehlt eigentlich? Nena zum Beispiel. Oder Silbermond. Oder Jan Delay. Und – leider, leider – Udo Lindenberg. Jean-Jaques Kravetz hat sich am Telefon die Finger wund gewählt, um für sein alljährliches Entrée-Festival im Hamburger Stadtpark die Stars auf die Bühne zu locken. Und sie kommen fast alle. Udo kann sich nicht loseisen. Steckt voll in den Vehandlungen mit diversen Reedereien für seine geplanten Rock-Schiffsreisen. Aber nicht nur die Altehrwürdigen, Erfolgreichen der deutschen Musikszene, nein: Auch junge Rockbands auf den ersten Sprossen der Karriereleiter und ein ganz, ganz junger (12!) Wundergeiger bekommen die Gelegenheit, sich zu präsentieren.

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Die spärlich durch den Eingang der Stadtparkbühne tröpfelnden Zuschauer werden von einem seichten Klangteppich empfangen, den die Pianistin Silja Jönsson ausbreitet. Man wähnt sich einstweilen im falschen Film, wird aber ziemlich bald durch die rauhen Töne der jungen Rockbands Maks and The Minors und The Glam in die Rock-Realität zurückgeholt.

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Da hat es Fabian Harloff (ja, der Schauspieler) gleich leichter, sein Rockpotential abzurufen. Kniefall vorm Gitarristen und Luftsprünge inklusive. Max Mutzke, stilecht mit Filzkappe und -mantel, schnulzt dann aber Lautstärke und Intensität sofort wieder herunter. Jetzt Fools Garden. Natürlich haben sie auch andere Lieder im Repertoire, als diesen gewissen Gassenhauer. Eines davon spielen sie zuerst. Aber dann kommt das unvermeidliche, wer kann es noch hören?, Lemontree. Der Versuch, die spärlichen Massen mit Hands-up-in-the-air-Animationen in Wallungen zu bringen, gelingt nur begrenzt.

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Es ist nicht zu erwarten, dass es nun Heinz Rudolf Kunze, gewohnt ernst und gesellschaftskritisch, mit seinen zwei Songs besser schafft. Gut, dass es wenigstens die Bandmitglieder draufhaben, seiner blutleeren Darbietung etwas Leben einzuhauchen. Durch die Veranstaltung führen übrigens Reinhold Beckmann und Ron Williams mit witzigen und pointierten Moderationen. Reinhold Beckmann himself – jetzt singt er auch noch – beeindruckt ganz nebenbei mit der ausdrucksstarken Version einer alten Rockballade. Valerie, Valerie und Taxi nach Paris – auch 25 Jahre später ist es kein Kunststück für Michy Reincke (aka Felix de Luxe), die Fans von den Bratwurst- und Bierbuden wegzulocken, um die allseits bekannten Texte mitzusingen. Wer dennoch lieber seinem leiblichen Wohl fröhnt, verpasst den folgenden, den stärksten Gig des Abends.

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Julia, formerly known as Jule, Neigel. Moderator Ron Williams kriegt sich kaum ein vor Begeisterung. Verständlich. Sie ist der Hammer schlechthin. Leider darf auch sie nur für zwei Songs auf die Bühne, aber die haben es in sich. Sehnsucht und Schatten an der Wand bringt sie mit unnachahmlicher Power. Tolles Outfit, tolle Stimme. Wenn man diese erotisch-rockige Performance sieht, fragt man sich unvermittelt: Warum war sie in den letzten Jahren nicht da? Nächstes Jahr soll ihr neues Album kommen. Und hoffentlich auch eine Live-Tour. Sehnsucht eben.

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Altmeister Edo Zanki wird von der aufgebrausten Stimmung weitergetragen und besingt quasi den Sinn des Abends: Gib mir Musik! Zeit für Besinnung. Die Stimmung kollabiert, es wird feierlich. Der Jungstar Elin Kolev wird angekündigt. Muss man nicht kennen als typischer Besucher einer solchen Veranstaltung. Er ist erst 12, hat aber schon New-York-Carnegie-Hall-Erfahrung. Im feinsten Zwirn spielt er seine Geige und man glaubt einstweilen, David Garrett vor 15 Jahren vor sich zu haben. Ob Elin Kolev optisch und musikalisch in dessen Fußstapfen treten will? Scheint fast so. Jedenfalls belohnt das Publikum seine Leistung mit angemessenen Ovationen.

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Caro plus Manusch Weiß dürfen auch noch ran, bleiben aber kaum in Erinnerung. Es ist inzwischen dunkel geworden und kühl. Auch auf der Bühne wird's optisch etwas schaurig. Helen Schneider kommt mit blassem Gesicht, Mireille-Matthieu-Frisur und einer Art Fledermauskostüm auf die Bühne. Nach einer langatmigen Ballade lässt sie dann aber doch noch mit Rock'n'Roll Gipsy schöne Rock-Erinnerungen aufflackern. Von Yvonne Catterfeld hört man, dass sie seit drei Jahren erstmalig wieder lampenfiebrig auf der Bühne steht. Man sieht es ihr an. Sie scheint sich auch wenig wohlzufühlen und beeilt sich, "viel Spaß noch" wünschend, von selbiger wieder zu verschwinden. Plötzlich guckt man auf die Uhr. Ist heute nicht Samstag ? Richtig. Die Tatort-Melodie kommt auch nicht aus dem Fernseher, sondern von der Bühne. Klaus Doldinger, Erfinder des Tatort-Themas, schmettert mit seinem Saxophon, unterstützt vom großartigen Curt Cress am Schlagzeug, die eindringliche Melodie in den wolkigen Abendhimmel. Gegen 22 Uhr ist es schon herbstlich kalt. Da ist man froh, wenn einem ein bisschen eingeheizt wird. Genau die richtige Aufgabe für Carl Carlton und seine Songdogs. Er ist mit seinen fantastischen Gitarristen eine Bereichung jeder Rockformation und deshalb allgegenwärtig bei Auftritten von Maffay, Lindenberg und Co.

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Apropos Peter Maffay. Lange musste, nein durfte, man auf das Finale der Show warten. Zumal schon gut 20 Minuten dem Zeitplan hinterherhinkend. Aber es hat sich gelohnt. Peter Maffay, selbst Stiftungsgründer, lobt Jean-Jaques Kravetz' Engagement ausführlich und fängt ebenfalls besinnlich an. Nach einer Hardcore-Version von Sonne in der Nacht ist er warm und reißt sich Kapuzenpulli und Lederjacke vom Leib, um im bizepsfreilegenden T-Shirt die Zugabenwünsche des jetzt restlos begeisterten Publikums zu erfüllen.

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Fazit: Ein insgesamt gelungener Abend mit bunter Mischung. Leider kamen nur 1200 Zuschauer. Das Dreifache passt eigentlich hinein in den Stadtpark. Unverständlich bei diesem tollen Mammutprogramm und dafür angemessenen 40 Euro als Ticketpreis. Zumal für einen guten Zweck. Schade für die entgangenen Einnahmen zugunsten der Entrée-Stiftung. Und Pech für alle, die nicht dabei waren.