Solokünstler Take Abe in Japan

Solokünstler Take Abe in Japan © Takehiko Abe

Der japanische Musiker Take Abe hat mit "Cinemascape" bereits im Herbst 2008 sein erstes und begeisterndes Album veröffentlicht. Höchste Zeit also für einen genaueren Blick auf den Künstler im Rahmen eines Interviews, in dem Takehiko mit uns über seine Musik, Katzen und die Arbeit als Solokünstler in der Achtmillionenstadt Tokyo sprach.

{image}Hallo Takehiko, danke dass du dir für dieses Interview Zeit nimmst. Deine erste Veröffentlichung Cinemascape ist seit einiger Zeit online erhältlich. Wie waren bisher die Reaktionen auf dein Erstlingswerk? Bist du zufrieden?
Vor der Veröffentlichung der CD hatte ich die Befürchtung, dass die Hörerreaktionen wahrscheinlich nicht so gut ausfallen könnten. Wie auch immer, die Reaktionen waren positiver, als ich es mir vorgestellt habe. Ich bin meinen Hörern sehr dankbar. Ich bin überrascht und sehr glücklich.

Cinemascape ist ein klassisches Instrumentalwerk. Als Solokünstler hast du alle Instrumente selbst eingespielt und arrangiert. Hast du dabei deine Musik ausschließlich am Computer gestaltet? Wie lange hast du an deinem Erstlingswerk gearbeitet?

Ich benutze nicht ausschließlich den Computer, sondern auch viele analoge Musikinstrumente. Ich spiele Gitarre, Bass, Piano, Cello, Glockenspiel... und auch auf Weingläsern und mehr. Im Ganzen arbeite ich manchmal mit Murone (Collaborator) zusammen; manche Stimmen und einige Keyboardsequenzen sind von Murone übernommen. Diese Analog-Performance wird am Computer aufgenommen, wir mixen sie dann mit digitalen Instrumenten. Ich habe zwei Monate für die Aufnahme von 15 Songs gebraucht und nahm mir dann für das Mischen und Mastern der Songs eineinhalb Monate Zeit. Da das Pre-Mastering so viel Zeit eingenommen hat, blieben mir am Ende nur noch drei Tage, um alles fertigzustellen.

Du machst bereits Musik, seit du 12 Jahre alt bist – damals noch in "lauten Rockbands" in irgendwelchen Hinterhöfen.

Ja, genau. Ich habe in Japan angefangen, Gitarre in einer Punk-/Heavy Rock-Band zu spielen, als ich 12 Jahre alt war. Mit 14 Jahren begann mit dem Komponieren. Ich habe auch in einigen Punkrock-Bands Bass gespielt oder war dort Mischer. Jetzt spiele ich verschiedene (auch klassische) Instrumente, wie Keyboard, Cello und mehr.

Was hältst du eigentlich von J-Rock? In Deutschland ist die Musik in einigen Szenen derzeit sehr beliebt. Sie haben sehr fantasievolle "Visual Codes" und spielen sehr gerne mit den Geschlechterrollen.

Ich finde den J-Visual Kei [ein in Japan geprägter Sammelbegriff für "optisch auffällige Musiker und ihre Fans; Anm.d. Red; sh. Wikipedia] großartig. Als ich 12 war, bin ich fast jede Woche auf eine Live-Show gegangen. Ich denke, wenn Kiss, Marilyn Manson und Slipknot Japaner wären, würde man sie zum Visual Kei zählen. Ich finde es sehr schön, wenn Leute in der ganzen Welt mit der japanischen Subkultur wie Anime, Games und Visual Kei in Kontakt kommen.

Wie hast du zu deinem heutigen klassischen Stil gefunden, der sehr an Filmsoundtracks erinnert?

Wenn ich ruhige Musik komponiere, wie bei diesem Album, erscheinen einige Bilder automatisch in meinem Kopf. Ich kann nicht sagen, wo die Bilder herkommen. Einige dieser Bilder sind manchmal wie ein Rosenduft. Obwohl es schon komisch ist, weil diese Bilder nicht in meinen Kopf entstehen, sobald ich Rock- oder Dance-Musik mache. Ich weiß auch nicht weshalb.

{image}Mit deinem Plattentitel Cinemascape hast du einen Albumtitel gewählt, der sich nicht so leicht übersetzen lässt - vielleicht am ehesten mit Kino(land)schaft? Das Medium Film spielt bei deinem Schaffensprozeß eine große Rolle, du nennst Film einen Haupteinfluss auf deine Musik. Welche Rolle spielt der Film bei der Gestaltung deiner Musik?

Das ist richtig! Cinemascape meint "cinema" + "landscape". Ich habe den Titel aber nicht aufgrund eines speziellen Films gewählt. "Cinema" meint ausschließlich die Bilder in meinem Kopf, das Kopfkino also. Wenn ich solche Musik schreibe, fliegen die Szenen nur so durch meinen Kopf. Ich bin inspiriert von diesen Bilderwelten und komponiere daraus meine Musik. Zum Beispiel The Dolls: Ich hatte da als erstes eine dunkle Kellertür im Kopf, und ein Mädchen, das magische Worte singt. 1, 2, 3! Dann geht die Tür mit einem knarrendem Geräusch auf und die Puppen dahinter erwachen und beginnen zu tanzen. Dann hallt eine traurige Melodie durch den Raum... Ich mache meine Musik auf diese Weise. Dafür steht mein erstes Album. Cinemascape meint also die Kinolandschaft in meinen Gedanken. Wenn Menschen eigene Bilder beim Hören der Musik im Kopf haben, freut mich das; dann meint es Kinolandschaften in deren Gedanken.

Bleiben wir beim Film. Zum Song ...and the Earth was covered with Snow gibt es einen Videoclip, den du ebenfalls selbst gestaltet hast. Die Bilder und auch der Titel sind sehr poetisch. Was willst du hier erzählen und wie wichtig ist dir hier die Kombination von Bild und Ton?

Ich hatte das Bild bereits im Kopf, als ich den Song geschrieben habe. Es beschreibt eine science-fiction-ähnliche Szene in naher Zukunft. Die Menschen sind aufgrund eines dummen Krieges oder der Umweltverschmutzung ausgerottet und übrig sind nur noch du und die Stille, und die Erde ist bedeckt mit Schnee. Auf der anderen Seite ist das Musikvideo etwas anders als die Bilder, die ich beim Schreiben des Songs hatte, denn ich habe das Musikvideo in einer sehr kurzen Zeit vor über 10 Jahren vor der Musik gemacht. Es gab so viele schlechte Neuigkeiten zu der Zeit und viele meiner Freunde, zu denen ich insbesondere auch über das Internet Kontakt halte, hatten ihren Job verloren. Ich wollte ihnen ein kleines Geschenk machen, etwas Positives für all meine Freunde. Mir war schon klar, dass es nicht sonderlich hilfreich sein würde, aber ich wollte etwas für meine Freunde tun. Deshalb wollte ich den Clip so schnell wie möglich im Netzt verteilen.

{image}Einige Bilder aus deinem Video und auch das Albumartwork erinnern an deine frühen Fotoinstallationen, die ich sehr beeindruckend finde. Willst du uns etwas über deine Arbeit als "Fine Artist" erzählen?

Die Fotoinstallationen haben ein Thema: Sie stellen eine Alarmglocke an die Menschen des 21. Jahrhunderts dar, die mit dem Klonen und dem Arbeiten mit Erbgut begonnen haben – inklusive Klonschaf Dolly und den Versuchen, ein Mammut zu klonen. Auf der anderen Seite finde ich es gut, wenn Leute auch unabhängig vom Thema darin etwas Eigenes erkennen.

Hast du dafür eine Kunstschule besucht oder ähnliches?

Nein, ich war nie auf einer Kunstschule. Es ist Eigenstudium. Aber einer meiner Lehrer in der Junior High School, Mr. Yukinori Yanagi, hat mich für mein Leben sehr inspiriert. Er ist nicht nur ein großartiger internationaler, zeitgenössischer Künstler, sondern auch ein guter Charakter. Einige seiner Arbeiten hängen in der "Tate Modern".

Du kommst aus Tokyo, einer Stadt mit acht Millionen Einwohnern. Wie gestaltet sich der Arbeitsalltag als junger Musiker in Tokyo?

Tokyo hat eine sehr große Einwohnerzahl, aber ich denke, in Japan sind Kunst und Künstler noch sehr unreif. Speziell der Gedanke, dass zeitgenössische Kunst nur für einige Ausgewählte in Japan gedacht sei. Viele japanische Künstler meinen, dass es wichtig ist, in den Westen zu gehen, um von der Kunst leben zu können. Das ist der Punkt. Ich denke, Berlin macht einen großen Unterschied zu Tokyo. In Berlin wird überall in der Stadt Kunst gefördert. Ich denke, Berlin ist eine großartige Stadt. Ich liebe Berlin sehr

Du hast mir erzählt, dass du mal in Berlin gewesen bist. Welchen Eindruck hattest du von der Stadt und den Menschen?

Ja, um die kleineren Galerien zu besuchen, habe ich einige Städte in Europa bereist, darunter auch Berlin. Ich könnte zehn oder mehr Seiten über den Charme Berlins schreiben. Ich denke, Berlin ist eine der kreativsten Städten der Welt. Die Stadt scheint verschiedene Persönlichkeiten und Lebensmodelle zu akzeptieren und die Werte und den Sinn von verschiedenen Künstlern zu vereinen. Es wirkt sehr natürlich. Ich träume davon, einmal in Berlin zu leben.

Als Einzelkämpfer bestreitest du mit deinem Label Cacaos alle anfallenden Aufgaben allein: Online-Vertrieb, Marketing und so weiter. Welche Erfahrungen hast du hier mit den vielbeschworenen sozialen Netzwerken und Musikplattformen gemacht?

Ich begann meine Karriere mit dem Vertrieb meiner Musik, von davor kann ich nicht viel erzählen. Der Vertrieb ist eine härtere Arbeit für mich, als Musik zu machen oder zeitweise Konzerte zu geben. Es ist nicht kompliziert, seine Musik als MP3 in der ganzen Welt zu vertreiben. Wenn man daneben noch einige Original-CDs produziert, kann man diese dann auch ganz normal im Geschäft kaufen. Probiert es aus. Aber es ist sehr schwierig für einen kleinen Musiker wie mich, die physischen CDs in die Geschäfte zu bringen. Im Moment suche ich nach Vertriebspartnern oder CD-Läden, wie Amazon z.B., welche die CDs in Umlauf bringen. Für einen Musiker, der kein großes Label dahinter hat, sind die Netzwerke und Plattformen im Netz großartig. Ich hätte meine CD nie ohne meine Social Network-Freunde veröffentlichen können. Ich liebe die Gespräche mit meinen Freunden in diesem Forum; nicht nur als Musiker, sondern auch als normale Person.

Cacaos ist der Name deines Labels, das du lustigerweise nach deiner Katze benannt hast. Welche Bedeutung haben Katzen für dich?

Haha! Ja, Cacaos ist der Name meiner Katze. Ich habe die nach einem Autounfall im Sterben liegende Katze eines Nachts auf der Straße gefunden und sie schnell zum Tierarzt gebracht. Sie hat es glücklicherweise überlebt, aber bei dem Verkehrsunfall leider ein Auge verloren. Der Kater genießt sein Leben mittlerweile bravourös, ohne sich um sein Handicap zu kümmern. Ich habe mein Label Cacaos Records aus Respekt vor seinem Optimismus nach ihm benannt.

Wie geht's weiter mit Take Abe? Neue Pläne, eventuell eine Tour?

Ich habe bereits begonnen, einige Vorbereitungen zu treffen. Ich spiele sehr viele Instrumente auf der CD; es ist fast unmöglich, das live umzusetzen. Darum arrangieren ich und Murone (Collaborator) die Sounds für die Live-Umsetzung neu. Auf der anderen Seite werde ich demnächst mit der Arbeit an neuen Stücken beginnen. Ich würde gerne eine Tour durch Europa machen, und dann natürlich auch durch Deutschland.

Vielen Dank für das Interview, Takehiko, und viel Erfolg mit deinem Album und deinen weiteren Plänen.