Scott Matthew

Scott Matthew

Schon jetzt hat Scott Matthew mit seinem Zweitlingswerk einen Titel sicher: der längste Albumtitel des Jahres: "There Is An Ocean That Divides And With My Longing I Can Charge It With A Voltage Thats So Violent To Cross It Could Mean Death". Aber hält dieser epische Erguss auch das, was er verspricht?

{image}Abzug in der B-Note erhält das Album durch die an mehreren Stellen minderwertige Produktion. Hier dürfte man mehr erwarten! Vor allem, da Spencer Corbin (Ex-Morrissey-Drummer) und Kevin Devine, eine wahre Indielegende, diesen Job übernommen haben. Vor allem bei White Horse sind die Lautstärken unausgeglichen und verbesserungswürdig. Doch wie sieht es mit den anderen Parametern aus, die ein gutes Pop-Album ausmachen? Wie steht es ums Songwriting, die Instrumentierung und das Gefühl? Erst nach dreißig Sekunden Stille und leisen Straßengeräuschen beginnt das Album mit einem ebenso leisen Gitarrenakkord sowie der zauberhaften Klaviermelodie von With Every Traveled Road.

Auch sonst hält Matthew das Arrangement sehr schlicht. Außer seiner Stimme tritt noch ein leichter Chor im Refrain hinzu. Der Text besteht aus Bruchstücken des Songs My Heart My Heart von Thomas Luz und eigenen Zeilen, die zusammen diese traurige Grundstimmung erzeugen, wie wir sie schon von Scott Matthews erstem Album kennen. Bereits mit dem zweiten Song, For Dick, erreicht der junge Singer-Songwriter den ersten emotionalen Höhepunkt des Albums. Die zarten Streicher schlingen sich langsam um die Seele, um dann durch ein Staccato überzuleiten in diese arpeggio-artige Violinenline, die einen gar zum Tanzen animiert. Man kann einfach nicht ruhig sitzen bleiben. Man hat das Gefühl, die Traurigkeit, die dieser Song vermittelt, aus sich herausschleudern zu müssen. Und dann dieses abrupte Ende: "It won’t stop". Großartig! Definitiv einer der stärksten Songs des Albums.

{image}Bei Ornament schlägt Scott Matthew nun beinahe ungewohnt fröhliche Töne an. Ukulele, Bläser und ein Lala-Chor verhelfen dem Hören zu einem leichten Aufatmen, bevor mit White Horse, der ersten Single, eine weitere Ballade folgt. Wie in For Dick schafft er es auch hier, durch ein – im Vergleich zum Debüt – enorm angewachsenes Streicherensemble und dessen enge Satzweise, eine fast orchestrale Wirkung zu erschaffen. Diese werden vermehrt zum Refrain hin verwendet, wo sie dann plötzlich aussetzen und somit den Spannungsbogen, der sich über die Strophen aufbaut, völlig unerwartet abbricht. Dog versetzt den Hörer nun wiederum in eine weitere, bisher unbekanntere Seite der Musik Scott Matthews. Der sphärische Gesang von Holly Miranda (The Jealous Girlfriends und seit neustem Lieblingssängerin von Kayne West) im Hintergrund dem Refrain, ein starker Hall auf der Stimme, das stark rhythmische Gitarrenmotiv, kontrapunktisch verarbeitet mit einer Ukulelenstimme und die starken Akkorde im Klavier versetzen den Hörer in eine kühle Atmosphäre mit wenig Licht (helle, rhythmisch akzentuierende Klaviertöne) und viel Schatten (tiefe Akkorde, v.a. im Klavier).

{image}Spätestens bei There Is An Ocean That Devides erkennt man aber, worin die Stärke des Albums liegt: Die Balladen! Die vier Textzeilen, die jetzt den Albumtitel zieren finden sich hier geflüstert wieder (in Englisch und Japanisch), da sie zwar wunderschön sind, sich aber leider nicht in einen Song fügen wollten. Getragen vom Klavier schwebt Matthews Stimme hier über dem besagten Ozean, hebt sich mit den Klängen eines Glockenspiels in die Höhe, um dann hinterm Horizont aus unserem Sichtfeld zu verschwinden. German trägt bereits alles im Text, was man zu diesem Song sagen kann: Make it beautiful now! und Thistle ist die wohl erste Midtempo-Nummer des jungen Australiers, die durch schwungvolle Melodie besticht. Wie in leichter Sommerregen klingen die letzten zwei Songs, Wolverine und Friends and Foes, langsam aus. Warme Regentropfen auf der Haut, während ein Vogel durch die Luft fliegt und einen Unterschlupf sucht. In minimalistischen Klavier- und Ukulenenarrangements mit dieser unverwechselbaren Stimme, nur durch Cello noch unterstützt klingt das Album so leise aus, wie es begonnen hat.

{image}Das Songwriting ist wesentlich ausgereifter und erreicht, im Vergleich zum ersten Album, eine neue Ebene. Die Instrumentierung ist dichter und erhält einen orchestralen Charakter, verliert aber nicht an Charme. Groß angelegte Songs stehen direkt neben simpel gehaltenen Arrangements. Dieser Kontrast bildet einen wunderschönen Spannungsbogen, der sich über das ganze Album zieht.

"I’m not special, but it helped to know that someone thinks I am" sang er noch auf seinem Debüt, doch spätestens nach dem ersten Hören seines Nachfolgeralbums ist nun klar: Dieser Mann ist etwas ganz besonderes und es wird Zeit, dass wir es laut in die Welt hinausschreien! Dem "Quiet Noise Maker", wie er sich selbst charakterisiert, gelingt mit seinen Songs ein unglaubliches Kunststück: Ja, man möchte zu Geigenarpeggien Pogo tanzen und Headbangen! Und gleichzeitig berührt er durch seine Texte und seinen Gesang so sehr, dass auch dem Stärksten eine Träne über die Wange kullert. Sicher eines unserer Lieblingsalbem des Jahres!

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