MELT! 2009: Festivalleben (Ferropolis, 2009)
Foto: René Peschel

MELT! 2009: Festivalleben (Ferropolis, 2009) Foto: René Peschel © regioactive.de

Auch wenn es uns "Terminator", "2001: A Space Odyssey" und Co pausenlos suggerieren: Mensch und Maschine stehen sich nicht immer in einem zerstörerischen Konflikt gegenüber. Faszination für kalten Stahl kann sogar pures Glück bedeuten - so auch dieses Jahr auf dem Melt! Festival 2009. Nach einem kurzen Durchhänger im letzen Jahr, der sich besonders in organisatorischen Fehlschlägen abzeichnete, können sich die Macher nun wieder entspannt zurücklehnen. Parallelen lassen sich höchstens im vorhergehenden Wetterbericht erkennen, und der lässt wahrlich Schlimmes erahnen: Regen, Donner, Blitz das komplette Wochenende. Glücklicherweise hat sich Thor doch noch kurzfristig umentschieden und beschränkt sich auf ein ordentliches Donnerwetter am Freitagabend, dem leider Moderat und diverse andere Acts zum Opfer fallen.

{image}Aber es gibt natürlich auch andere Acts, die bejubelt oder entdeckt werden wollen, allen voran die derzeitigen Feuilleton-Lieblinge Gossip. Nicht nur die verhältnismäßig kleine Gemini-Stage trägt dazu bei, dass die Schweißdrüßen ordentlich in Fahrt kommen, denn Beth Ditto ist wahrlich eine Rampensau und weiß die Menge durch pure Energie mitzureißen. Ein etwas verhalteneres Bühnenbild präsentieren Aphex Twin & Hecker: Euphorie auf der Bühne sucht man vergeblich, stattdessen werden riesige Visuals präsentiert, die das musikalische Spektakel jedoch umso gewaltiger erscheinen lassen. Während Aphex Twin sein typisches Live-Programm irgendwo zwischen Downbeat, IDM und Speedcore präsentiert, frickelt Hecker merkwürdige Soundfragmente zusammen, die sich fortlaufend selbst überlagern und gekonnt verstören. Trotz anfänglichen Problemen mit der Anlage zeichnet sich hier ein erstes Highlight ab, das nicht nur Electronica-Fans überzeugen kann. Leider bedeutet das Ende dieses ausgezeichneten Auftritts auch das Ende von diesem Abend, denn ein heftiges Unwetter bereitet den Organisatoren Kopfschmerzen und kurzerhand werden die Bühnen aus Sicherheitsgründen geschlossen.

{image}Der Samstag lässt jedoch etwas aufatmen: Sowohl das Wetter, als auch die Running Order lassen die ersten Gäste frühzeitig aus ihren Zelten kriechen, um kollektiv das vorhandene Alkoholkontingent zu dezimieren. Schnell sind die nassen Kleider vergessen, die Dixies gefüllt und los geht's in Richtung Festivalgelände. Wer sich den Bus ersparen möchte und doch lieber zu Fuß unterwegs ist, wird erneut Zeuge der wohl größten Besonderheit dieses Festivals: Nirgendwo sonst in Deutschland feiern Musikbegeisterte aus allen Ecken so konsequent und friedlich nebeneinander. Eingeleitet wird der Abend von Caribou, der mit seinem psychedelischen Rock irgendwo zwischen Grateful Dead, Indie-Geschrammel und Electronica überzeugen kann. Fast schon repräsentativ für den Geist des Festivals steht eine Band derzeit besonders: Animal Collective. Zartbesaitete Indie-Cracks, Techno-Heads und Rocker können sich mit der Band aus Brooklyn identifizieren, jedoch wirkt das Konzert an diesem Abend vielleicht etwas zu statisch. Wer Animal Colletive noch vor Jahren sehen durfte, der wurde Zeuge einer brachialen Performance ohne Rücksicht auf Verluste, geprägt von sägenden Gitarren und holprigen Drum-Gewittern.

{image}Auch Phoenix tun sich etwas schwer und spalten das Publikum, denn Überraschungen bieten die vier Pariser kaum. Stattdessen werden überwiegend die Songs ihres aktuellen Albums Wolfgang Amadeus Phoenix 1:1 ganz gut präsentiert – eben gut, aber nicht umwerfend. Wer seinen Album-Titel einen derart größenwahnsinnigen Namen verleiht, der könnte auf der Bühne auch ruhig mal auf die Tube treten. Eine wahre Live-Wucht hingegen sind !!! (chk chk chk). Sänger Nic Offer gibt Vollgas und erinnert durch seine akrobatischen Einlagen ab und an sogar an den Fugazi Frontmann Guy Picciotto. Eine massive Groove-Sektion, unter anderem bestehend aus drei Schlagzeugern, schiebt die funkigen Disco-Songs gnadenlos nach vorne. Rainer Werner Fassbinder würde sagen: "Disco essen Seele auf". Hier beißt Disco jeglichem Kitsch den Kopf ab. Definitiv das beste Konzert des diesjährigen Melt! und man darf gespannt sein, wie das kommende Album klingen wird. Mit etwas ruhigeren Tönen, aber ähnlich genial, geht es bei Fever Ray zu. Tiefe Beats und die hypnotisierende Stimme von Karin Dreijer Andersson laden auf eine Reise ein, die irgendwo in Richtung Traumland führt. Natürlich kommen auch die Feierwütigen auf ihre Kosten: Hell, Kalkbrenner & Ellen Allien präsentieren ihr üblichens Programm und verbreiten etwas Berliner Flair. Boys Noize hingegen schaltet eine Stufe höher und brettert ohne Ende, spätestens jetzt wird aus den müden Füßen noch einmal alles rausgeholt.

{image}Der Sonntag bietet neben dem eigentlichen Hauptact Oasis weitere Highlight wie Patrick Wolf, dessen Show stellenweise eher an brilliantes Kabarett, als ein übliches Konzert erinnert. Der androgyn wirkende Brite pendelt irgendwo zwischen Pathos und Ironie, trägt gerne Highheels und schätzt den Drogenkonsum – super! Etwas unsymphatisch hingegen wirkt der Auftritt von Glasvegas: Sänger James Allen profiliert sich lieber durch die Kundgebung seiner Potenz, als durch großen Gesang. Es bleibt zu hoffen, dass er bis zur nächsten Show endlich "mal wieder ran darf".

Die "Melt! 2009"-Fotogalerien:

  • Der Freitag mit Aphex Twin & Hecker, Delphic, Gossip, James YuillRöyksopp, The Soundtrack of our lives, This will destroy you und Travis.
  • Der Samstag mit Animal Collective, !!! (chk chk chk), Bonaparte, Mediengruppe Telekommander und Phoenix.
  • Der Sonntag mit Patrick Wolf und Glasvegas.
  • Und die besten Impressionen vom Festivalleben.

Erneut beweisen die Macher des Melt! ein ungeheueres Händchen für großartige Acts und alle Schwächen des letzten Jahres sind nun vergessen. Großartige Technik trägt dazu bei, dass eine wunderbare Kulisse sowie hervorragender Sound geboten wird. Auch das Aholen der Bändchen lief dieses Jahr wieder wie geschmiert und verägerte Gesichter sucht man vergebens. Wirklich sehr schade, dass es schon vorbei ist...