BAP (live im Stadtpark Hamburg am 13.06.2009)
Fotos: Holger Nassenstein (www.nassenstein.net)

BAP (live im Stadtpark Hamburg am 13.06.2009) Fotos: Holger Nassenstein (www.nassenstein.net) © regioactive.de

Auf dem bislang dritten Abschnitt ihrer "Radio Pandora"-Tour, der unter dem Motto "Sommernachtskonzerte" läuft, machten BAP am 02.07. Station in Lorsch und luden die Zuschauer auf eine Reise durch Länder, Träume und auch Alpträume ein. Eine Einladung, die die begeisterten Zuschauer gern annahmen, auch wenn es von den großen Hits nur vergleichsweise wenige zu hören gab.

{image}Nemm mich met als Opener gab im Verbund mit dem letzten Song des Konzertes, dem Motto-Song der Tour Songs sinn Dräume, den Rahmen vor. Anders als auf der letzten Tour, die ausdrücklich als Greatest Hits-Tour ausgerufen war, gibt es derer auf der Radio Pandora-Tour nur das absolute Mindestmaß. Stattdessen sind es die Songs vom aktuellen Album und Spezialitäten mit einem Bezug zum Tourmotto, die das Programm dominieren. Damit geht die Band zwar das Risiko ein Zuhörer, die in erster Linie wegen der großen Hits kommen, zeitweise etwas ratlos dastehen lassen. Anderseits freuen sich viele Fans ob der Gelegenheit mal wieder Songs zu hören, die lange Zeit nicht im Set waren.

{image}Ein erster Höhepunkt ist das selten zu Liveehren kommende Wie die Sichel vum Mohnd, das im dem heißen und schwülen Zelt die Stimmung des Songs, der in den Philippinen spielt, authentisch transportiert. Überraschungen kommen aber auch aus gänzlich unerwarteter Richtung: Das zuletzt absolut totgespielte Alexandra, nit nur do erfährt eine unglaubliche Reinkarnation, steigt wie der Phönix aus der Asche, klingt inspiriert und verwandelt das Zelt in eine Riesenparty. Ähnliches passiert viel, viel später bei dem unvermeidbaren Verdamp lang her – es sind kleine Veränderungen im Arrangement in Richtung Ur-Version – gepaart mit neu entfachter Leidenschaft seitens der Band und auf einmal bekommen Songs, die längst totgenudelt scheinen, eine Frischzellenkur verpasst, die auch die abgeklärtesten BAP-Fans dazu bringt wieder wie Duracell-Männchen auf und ab zu hüpfen und den Takt mit zu klatschen.

Wolfgang Niedecken ist auch im vierten BAP-Jahrzehnt noch hervorragend bei Stimme – er weiß wie er sein Publikum fordern kann und gibt ihm was es von ihm erwartet, kleine stimmungstreibende Einlagen oder seine unnachahmliche Art Ansagen zu machen verfehlen ihre Wirkung nicht. Die Band, deren jüngste Mitglieder jetzt auch schon seit 10 Jahren bei BAP sind, agiert mit traumwandlerischer Sicherheit, verströmt Spielfreude, genießt augenscheinlich das Miteinander – viele Blicke werden getauscht, meist mit großer Freude im Ausdruck. Dauergast Anne de Wolf, die BAP nun schon im vierten Jahr, wann immer es ihr Terminkalender erlaubt, kongenial ergänzt, läutet den ersten unplugged-nahen Block ein, und fügt mit ihrer Geige (obwohl streng genommen Bratsche, aber über die macht man sich ja immer in Orchesterkreisen lustig) und ihrem Gesang schöne Folk- und Country-nahe Elemente zu dem Bandsound, oft erinnernd an Scarlet Rivera, die Dylan auf dem Desire-Album und der Rolling-Thunder-Tournee begleitete. Später am Abend vor der Desire-Nummer Hurricane, mit BAPs Stell dir vürr verwoben, wird Niedecken dann genau auf diese Parallele verweisen, die nämlich den Grundstein zu dieser feinen musikalischen Partnerschaft legte.

{image}Viele Stammgäste des Lorscher Musiktheaters Rex, deren Crew das Zeltfestival veranstaltet, freuten sich besonders über Millione Meile, eine Coverversion von Rory Gallagher, die Gitarrist Helmut Krumminga und Bassist Werner Kopal die Gelegenheit zum ausgiebigen Solo gibt. War es dem großartigen Gitarristen und Sänger zu Lebzeiten nicht mehr vergönnt das Rex kennen zu lernen, kann man doch davon ausgehen, dass er, hätte er länger gelebt, irgendwann auch seinen Weg in den feinen Club in Lorsch gefunden hätte. Überraschend war an diesem Abend die ungewohnte Achterbahnfahrt der Stimmungen, die an einigen Stellen unerwartet von ausgelassener Party zu einer eher düsteren Atmosphäre wechselte. Ob das Doppelpack Novembermorje/Bahnhofskino, auch wenn ohne Frage zwei der allerbesten Songs von BAP, als zweite Zugabe nach der Verdamp lang her-Party optimal platziert war, ist sicherlich diskutabel. Die Freude darüber, dass die beiden Songs zum Einsatz kamen, wurde dadurch jedoch keineswegs geschmälert. Anerkennend muss man feststellen, dass der Entschluss auf dieser Tour nur im begrenzten Umfang auf die Massenwirkung der großen Hits aus 30 Jahren zu setzen auch an diesem Abend aufging. Die Zuschauer in Lorsch erlebten einen schönen, über dreistündigen Konzertabend mit einer angesichts der klimatischen Bedingungen an diesem schwülen Sommerabend bemerkenswerten Partystimmung.

Setlist:

Nemm mich met / Musik, die nit stührt / Wat für'e Booch! / Wie die Sichel vum Mohnd / Rövver noh Tanger / Duude Bloome / Rita / Morje fröh doheim / Ruut, wiess, blau – querjestriefte Frau / Prädestiniert / Souvenirs / Aff un zo / Et ess wie't ess / Alexandra, nit nur do / Noh Gulu / Diego Paz wohr nüngzehn / Unger Kranebäume / Millione Meile / Kristallnaach / Deshalv spill mer he / Für 'ne Moment / Hurricane-Stell dir vüür / Nix wie bessher / Verdamp lang her / Novembermorje / Bahnhofskino / Rääts un links vum Bahndamm / Do kanns zaubre / Sonx sinn Dräume

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