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J Dilla starb im Alter von 32 Jahren. Posthum erscheint eine Mix-Kollektion, die Pete Rock im Stile einer Radioshow arrangiert. Für die personalisierte Playlist empfehlen wir außerdem: Die Jerx, die jüngst nach Berlin zogen, um von dort aus den europäischen Musikmarkt zu stürmen. Einen ganz ähnlichen Plan verfolgen Mighty Stef, die ihr 2006er Debüt endlich auch hier auf den Markt werfen. Gemeinsame Kräfte bündeln Marco Polo & Torae. Soviel Action, da heißt's auch mal abschalten: Am besten mit Perry O'Parson.

J Dilla – Jay Stay Paid | Nature Sou (Groove Attack)

{image}Mehr als drei Jahre ist es mittlerweile schon her, dass Produzent J Dilla an den Folgen der Autoimmunkrankheit Lupus im Alter von nur 32 Jahren verstorben ist. Dennoch scheint die Kette an Hommagen und Tributes längst nicht abzureißen. Mit Jay Stay Paid hat Dillas großes Vorbild Pete Rock eine 28-Titel starke Kollektion unveröffentlichter Dilla-Beats zusammengemixt, die nun posthum als offizielles viertes Album des Soundvirtuosen aus Motown erschienen ist. Jetzt stellt sich natürlich die große Frage, ob James Dewitt Yancey diese Produktionen überhaupt für vollendet hielt und für die Ohren der Öffentlichkeit vorgesehen hatte. Diesen Umstand hat Pete Rock allerdings mit der wohlwollenden Zustimmung von Ma Dukes (Dillas Mutter) und einem geschickten Kunstgriff optimal gelöst. Jay Stay Paid ist nämlich im Stile einer Radioshow arrangiert. Neben dem überwiegenden Teil instrumentaler Klangkörper aus dem dilla'schen Keller, die gerade durch ihre teils ungeschliffenen Ecken und Kanten überzeugen, gibt es nur eine Handvoll gerappter Kontributionen. Diese stammen mit Doom, Phat Kat, Raekwon und Black Thought von The Roots auch alle aus dem direkten Umfeld der Detroiter Beat-Koryphäe und schmiegen sich deshalb passgenau auf den unvergleichlichen Dilla-Sound. Programmdirektor Pete Rock leitet auf seiner einstündigen DillaFM-Show durch einen Querschnitt aus acht Jahren Arbeit an der MPC, die definitiv einiges zu bieten hat. Tatsächlich sind viele der Produktionen unbekannt und nur ein paar wenige auf Dillas raren Beat-Tapes verbreitet. Unter anderem meldet sich neben DJ Premier auch noch J Dillas kleiner Bruder Illa J zu Wort, der sich musikalisch bemüht, allmählich in die übergroßen Fußstapfen seines Bruders zu treten. Die hörenswerte Zusammenstellung Jay Stay Paid ist für alle Dilla-Fans obligatorisch, auch alle anderen Rap-Sympathisanten sollten mit dem organisch-erdigen Sounderlebnis zu beglücken sein.

Wertung: ++++ (Andreas Margara)

Jerx – See U Soon | Maintheme (Soulfood Music)

{image}Die vier jungen Rocker von Jerx können bereits auf eine bewegte Vergangenheit zurückblicken: Über 300 Konzerte, ständiges Touren, ein hochgelobtes Debütalbum, Filmmusiken und einige Awards. Das zweite Jerx-Album erschien am Ende Mai 2009, umfasst 15 Songs und trägt den Titel See U Soon, was klar als Ankündigung verstanden werden kann: Vor kurzem zog die Band von ihrer Heimat Österreich nach Berlin, um von hier aus den deutschen, auf lange Sicht wohl auch den europäischen Musikmarkt zu stürmen. Ihr bisheriger Erfolg legt nahe, dass dies auch gelingen kann und die Zusammenstellung des neuen Albums macht deutlich, dass Jerx es offensichtlich auf eine besonders große Bandbreite von Hörerschaft angelegt haben. Das recht breitgefächerte musikalische Spektrum, das Jerx auf See U Soon präsentieren, lässt keinen Zweifel daran. Von Rock über Powerpop bis hin zur obligatorischen Ballade ist quasi alles dabei, gespickt mit einigen Punkrock- und Crossover-Elementen. Abwechslungsreich – ja, doch gleichzeitig fehlt häufig etwas Jerx-Spezifisches. Diese "Inkonsequenz" tut der Qualität des Albums doch erstaunlicherweise keinen großen Abbruch, da zumindest hin und wieder eine Prise eigenen Stils eingebracht wird und die Songs recht eingägig sind. Manche Stücke gehören tatsächlich die Kategorie "guter Rock", darunter Sick, Benediction und Strangers. Etwas missglückt ist leider der DJ-Mix von Sick, der sich als Bonustrack auf der CD befindet. Wenn auch nicht alle Songs wirklich vom Hocker reißen, handelt es sich doch um ein solides Nachfolgewerk, gut gemachte Musik eben. Erfreulich wäre, wenn Jerx ihren Stil in Zukunft ein wenig stärker personalisieren würden, dann stünde ihrem Erfolg bei noch mehr Rock-Liebhabern sicher auch nichts mehr im Weg.

Wertung: ++++ (Alice Fleischmann)

 

Marco Polo & Torae – Double Barrel | Duck Down (Groove Attack)

{image}Auf seinem Debütalbum Port Authority (2007) fuhr der kanadische Produzent Marco Polo mit Rappern wie Kool G Rap und Masta Ace nicht nur das Who's Who der reimenden Zunft auf, sondern überraschte gleichzeitig durch gewaltige Beats im traditionellen New York-Stil. Im Jahr darauf war es dann ein anderer Newcomer, der mit seinem Street Album Daily Conversation, speziell aber mit seinem Underground-Hit Callin' Me, für große Beachtung sorgte: Torae. Für das Projekt Double Barrel haben die Beiden ihre Kräfte nun gebündelt und eine zündende Hardcore-Scheibe an den Start gebracht. "He's bringing the hardest production he can bring, I'm bringing the hardest rhymes I can bring" – bringt Torae die Zusammenarbeit auf den Punkt. Zunächst führt DJ Premier in das Werk ein, indem er den Newcomern schon vorneweg ein Boom Bap-Gütesiegel aufklebt. Anschließend treibt Polo die Bässe in schwindelerregende Höhen, Torae setzt seine aggressiven Raps dagegen, während DJ Revolution das Soundgewitter mit einem bunten Flickenteppich an Word-Cuts übersät. Reimende Features sind die explosiven Hardcore-Röhren Lil Fame von M.O.P. und Rock von Heltah Skeltah, die mit Smoke dichte Rauschschwaden hinterlassen. Komplettiert wird die Gästeliste von Masta Ace, Sean Price und Guilty Simpson. Die Stücke sind allesamt durchzogen von Reminiszenzen an die Hochphase der Rap-Musik Mitte der 90er Jahre und preschen heftig geradeaus. Einwürfe und Zitate von Helden wie KRS-One oder Method Man sind quer durch das gesamte Album präsent. Bei Rah Rah Shit würdigt Torae mit seinem Text dann erneut allen Wegbereitern des HipHop, indem er einzelne Crews und Rapper auflistet, die ihn maßgeblich beeinflusst haben. Da nahezu alle Titel in das Hardcore-Raster passen, lässt sich als einziger Kritikpunkt eine gewisse Monotonie anführen, die aber durchaus von Marco Polo beabsichtigt zu sein scheint. Während Danger mit seinen aufheulenden Sirenen einen Tick zu weit in die Richtung roughness geht und die Gehörnerven leicht strapaziert, überzeugt am Ende besonders das extrem mellow arrangierte Crashing Down mit Saukrates & S-Roc.

Wertung: ++++ (Andreas Margara)

 

The Mighty Stef – The Sins Of Sainte Catherine | Tonetoaster

{image}Bereits 2006 erschien The Sins Of Sainte Catherine, das Debütalbum des jungen Iren The Mighty Stef, in Großbritannien. Vor kurzem kam dort bereits sein zweites Album auf den Markt, hierzulande ist jedoch der Erstling eine Neuheit. Am 26. Juni erscheint der Longplayer auf Tonetoaster Records in Deutschland und verspricht, ein großer Erfolg zu werden. Eine bunte Mischung aus Rock, Folk, Country, Punk und Gospel stellt der Sound von The Mighty Stef dar, während seine tiefe, rauchige Stimme zuweilen an Johnny Cash und Nick Cave erinnert. Trotz aller Vergleiche und des breiten musikalischen Spektrums, das der Dubliner abdeckt, der bürgerlich Stefan Murphy heißt, präsentiert er dem Hörer auf The Sins Of Sainte Catherine einen sehr persönlichen Stil, der sich wie ein roter Faden durch all seine Songs zieht. Vor dem Start seines Soloprojektes war Murphy Frontmann der Pop-Punk-Band The Subtonics und schrieb bereits während dieser Zeit an Songs, die nicht in das Repertoire der Band passten. Vorerfahrung und Entwicklungsprozess hört man The Sins Of Sainte Catherine an, ausgereifte und in sich völlig stimmige Songs wie The Days Of Wine And Roses, The Pirate Song oder Liars machen dies deutlich. Insgesamt ein wahrlich hörenswertes Album mit Tracks für nahezu jede Stimmung. Bleibt zu hoffen, dass das Deutschland-Release des zweiten Albums 100 Midnights nicht so lange auf sich warten lässt.

Wertung: +++++ (Alice Fleischmann)

 

Perry O'Parson – In Our Time of Need | Eigenvertrieb

{image}Perry O'Parsons Musikstil ist nicht neu. Glücklicherweise sind damit die negativen Aspekte des Albums In our Time of Need auch schon abgehandelt und passendes Namedropping möglich: Hier gibt es etwas für Liebhaber von Ryan Adams, Paul Simon – oder einfacher gesagt: generell etwas für Fans ausdrucksstarker Singer/Songwriter-Musik im Bandgefüge. Die "Bühne zum Wohnzimmer machen" ist einer der Selbstansprüche dieser Band aus Karlsruhe. Beste Voraussetzungen zu höchstem Genuss hat man also, wenn man sich die CD im heimischen Zimmer auflegt. Und gleich beim Opener wird dem Hörer klar, warum eine ruhigere und gediegerene Atmosphäre tatsächlich das beste Umfeld ist, in dem Perry O'Parsons Musik aufblühen kann: Eine tiefe, markante und rauhe Stimme holt einen kurz nach dem gezupftem Gitarrenbeginn ab und führt über in die folgenden 12 Songs. Sänger Marcel bleibt mit seinem Gesang auch in der Folge der beständige Mittelpunkt des Albums und sorgt oft ganz alleine für die Höhepunkte der Platte, so wie eben auf dem Opener mockingbird, aber auch bei decorations of life. Starke Momente bleiben ihm dennoch nicht gänzlich alleine vorbehalten, denn auf Songs wie down by the tracks hat die gesamte Band ein gewichtiges Wort mitzureden und sorgt für die wilderen Akzente im sonst so kuscheligen Ambiente. Ab diesem Song nimmt die Scheibe pünktlich zum hinteren Drittel auch mal mächtig Fahrt auf, wird laut und ausladend rockig. Damit ist die Platte als Ganzes ebenso gut zusammengestellt, wie jeder einzelne Song arrangiert ist. Mit über 60 gespielten Shows, einer EP und diesem am 10. Juli erscheinenden Album im Rücken stehen die Chance für Perry O'Parson alles andere als schlecht, sehr bald ein größeres Publikum zu erreichen.

Wertung: ++++ (Markus Biedermann)

 

So werten wir:

+

schnell auf ebay damit, bevor es jemand merkt

++

hier mangelt es an so einigen Ecken und Enden

+++

das kann sich wirklich hören lassen

++++

ein TOP-Album

+++++

definitiv ein "must have"